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Berliner Morgenpost: Hintze, Ypsilanti und das letzte Tabu - Leitartikel

Geschrieben am 24-08-2009

Berlin (ots) - Das Dilemma dieser nun schon seit gefühlten
Ewigkeiten geführten Debatte über Rot-Rot, also über das gemeinsame
Regieren zweier Parteien mit sehr ähnlichen politischen Denkmustern,
sehr ähnlicher Klientel, sehr ähnlichen Feindbildern, sehr ähnlichen
Vorstellungen von Gut und Böse, von gerecht und ungerecht, von
solidarisch und unsolidarisch, das wahre Dilemma dieser Debatte ist,
dass sie immer angespannt, immer heuchlerisch, immer mit großem Furor
und eben nie ehrlich geführt wird. Nicht intern, also innerhalb
dieser beiden politischen Gruppierungen, und auch nicht extern, also
immer dann, wenn diese Debatte von außen, vom politischen Gegner an
die beiden Parteien herangetragen wird. Für Letzteres steht
exemplarisch die ziemlich dämliche Rote-Socken-Kampagne des
ehemaligen CDU-Generalsekretärs Peter Hintze, für Ersteres das
unsägliche Schauspiel, das die hessische SPD um ihre damalige
Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti vor Jahresfrist aufgeführt hat.
Ein politischer Totentanz, dessen Bedeutung für den Zustand der SPD
im Bundestagswahlkampf 2009 eine gar nicht zu überschätzende Wirkung
hat. Das absehbare Desaster der Sozialdemokratie nahm im Keller des
Hamburger Rathauses seinen Lauf, als Kurt Beck ohne Not eine Debatte
über, richtig, Rot-Rot, entfachte.
Das ist ein bisschen ungerecht, weil Beck in diesem Moment vermutlich
ehrlicher und ungeschützter über aus seiner Wahrnehmung eigentlich
Selbstverständliches sprach, dass nämlich die SPD, zunächst auf
Landesebene, in Zukunft nur dann Mehrheiten jenseits einer großen
Koalition wird organisieren können, wenn sie sich in Richtung
Linkspartei öffnet. Und dass man, um diese Machtoption eines Tages
auch auf die Bundesebene übertragen zu können, damit demnächst mal
anfangen müsste.
Man mag diese Zwangsläufigkeit bedauern, bekämpfen, bejammern, aber
an der Richtigkeit der beckschen Analyse beißt die Maus keinen Faden
ab. Die Geschichte ist nun mal so gelaufen im Nachwende-Deutschland,
wobei das Tempo, in dem die SED-Nachfolger im Westen salonfähig
wurden, durch den Seitenwechsel des ehemaligen SPD-Chefs Oskar
Lafontaine enorm beschleunigt wurde, auch wenn die Person Lafontaine
selbst eher als Hemmnis denn als Katalysator dieses am Ende
unvermeidbaren Bündnisses zwischen SPD und PDS (offiziell: die Linke)
wirkt. Vielleicht hatte in diesem Zusammenhang auch das hessische
Drama sein Gutes für alle Seiten.
Heiko Maas im Saarland jedenfalls und auch Christoph Matschie in
Thüringen vermeiden jedes hohle "Niemals mit der Linken"-Gelübde, mit
dem Ypsilanti in ihren Wahlkampf aufgebrochen war. Stattdessen
treiben beide SPD-Spitzenkandidaten diese Option mit dem
offensichtlichen Segen des Kanzlerkandidaten voran. Die Wähler in
Thüringen und im Saarland haben somit zumindest die Chance, zwischen
zwei ausreichend unterscheidbaren politischen Lagern zu entscheiden.
Auf der Bundesebene muss man auf Klarheit dieser Art leider
verzichten. Dort wird weitergeheuchelt, oder zurückhaltender
ausgedrückt: Dort gilt die rot-rote Verzichtserklärung, das letzte
Tabu. Noch.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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