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Berliner Morgenpost: Alles vorschriftsmäßig - und doch so schädlich

Geschrieben am 27-07-2009

Berlin (ots) - Dass Juristen nach Gesetzeslage Recht sprechen und
dabei des Bürgers Erwartung auf Gerechtigkeit oft zu kurz kommt,
führt vielfach zu herber Enttäuschung. Sie ist nach der
Wiedervereinigung von DDR-Bürgerrechtlern in den legendären Satz "Wir
haben Gerechtigkeit erwartet - und den Rechtsstaat bekommen"
komprimiert worden. Politiker (und derzeit viele Manager) haben mit
einer anderen Erfahrung zu leben: Nicht alles, was ihnen die internen
Vorschriften erlauben, ist politisch oder moralisch akzeptabel. Das
jüngste Opfer dieser Unfähigkeit zur Abwägung, was im Grenzbereich
gerade noch statthaft, der Glaubwürdigkeit der eigenen Person wie der
ganzen Polit-Kaste aber äußerst schädlich ist, heißt Ulla Schmidt.
Es mag sich ja bei großzügigster Auslegung der Dienstwagen-Verordnung
gerade noch am äußersten Rande des Erlaubten bewegen, was sich die
SPD-Ministerin geleistet hat. Politisch und moralisch dagegen hat sie
keinerlei Nachsicht verdient. Wer in Zeiten höchster
Staatsverschuldung größte Sparsamkeit fordert, wer seinen
medizinischen Gegenspielern Habgier vorwirft und wer angesichts
prekärer Gesundheitskosten den Bürgern engere Gürtel zumutet - der
muss Vorbild sein. Der darf sich keinen Dienstwagen quer durch Europa
für zwei läppische, wohl bedacht konstruierte Termine nachfahren
lassen. Der eine (Empfang beim Ortsbürgermeister) war überflüssig.
Der andere (Info-Veranstaltung mit wahlberechtigten deutschen
Rentnern) mehr dem nahenden 27.September geschuldet und damit
eher eine parteipolitische als eine dienstliche Notwendigkeit.
Frau Schmidt hat nach ihrer Rückkehr einiges zu erklären. Auch ihrem
im tiefen Tal verharrenden Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier.
Dem hat eine Steuergeld verschwendende Parteifreundin gerade noch
gefehlt. Von der Bestätigung gängiger Vorurteile gegenüber den
Politikern ganz zu schweigen.
Warum eigentlich lernen selbst erfahrene politische Schlachtrosse
nicht aus vergleichbaren Skandalen und Skandälchen der Vergangenheit?
Ex-Minister Scharping (Flugaffäre), Ex-Parlamentspräsidentin Rita
Süssmuth (Dienstwagenaffäre), Lothar Späth (gesponserte Flugreise)
oder Kurt Biedenkopf (Ikea- Rabattaffäre) - sie alle und noch einige
mehr müssten doch wohl Mahnung und Warnung genug sein. Doch je länger
im Amt, desto größer wird offensichtlich die Distanz zum normalen
Leben. Ein Minister kann sich nur noch schwerlich in die
Alltagssorgen Otto Normalbürgers hineinversetzen. Auch deshalb, weil
sein Büro alles für ihn regelt. Vom Einkauf über die Theaterkarte bis
zur pünktlichen Bestellung des Dienstwagens. Da wächst das Risiko,
sich von den Realitäten des Alltags abzukoppeln - und parallel dazu
der Glaube, sich dienstlich erlauben zu können, was eigentlich gar
nicht mehr dienstlich zu begründen ist. Ulla Schmidt hat den ohnehin
bedrohlichen Abgrund zwischen Regierenden und Regierten weiter
vertieft. Dafür hat auch sie eher eine "Auszeit" als Verständnis
verdient. Um wieder auf den Boden derer zurückzukehren, für deren
Interessen sie doch eigentlich angetreten ist.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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