 LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Moskau-Besuch der Hamas
Geschrieben am 03-03-2006 |
Leipzig (ots) - Die Zeiten, als der Weg in den Nahen Osten über
Moskau führte, sind schon lange vorbei. Da liegt es nahe, das Treffen
zwischen der geächteten Hamas und dem auf internationales Mitmachen
und Bremsen beschränkten Kremlchef Putin als Nostalgie-Reflexe einer
ehemaligen Großmacht abzutun. Es wäre in der Tat schon viel, wenn es
Putin gelingen könnte, Hamas an die bereits von palästinensischer
Seite eingegangenen Verpflichtungen zu binden.
Damit hätte sich der russische Präsident zwar als diplomatischer
Türöffner für eine Organisation betätigt, die den Beweis ihrer
Demokratiefähigkeit erst noch erbringen muss. Aber umgekehrt gilt
auch: Hamas würde vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden.
Offiziell gilt eine derartige Änderung der Sicht noch als
ausgeschlossen. Hinter vorgehaltener Hand haben sich die vier
Mitglieder des Nahost-Quartetts allerdings bereits auf den Konsens
geeinigt, dass es besser ist, Hamas weniger Bedingungen für die
Aufnahme von Gesprächen zu stellen, als vielmehr Gespräche zu führen,
um diese Bedingungen - Gewaltverzicht und Anerkennung Israels - zu
erfüllen.
Wer den palästinensischen Wahlsieger mit Boykott, Ignoranz und
einseitigen Forderungen austrocknen will, sollte ehrlicherweise auch
die Folgen benennen: Ein Stopp westlicher Hilfsgelder etwa hieße,
Iran und Saudi-Arabien neue Möglichkeiten der Einflussnahme zu
verschaffen; die Aussetzung der Handelsbeziehungen träfe vor allem
die ohnehin verarmten Schichten. Und dass bei einem politischen
Boykott von Hamas Al Kaida bereit steht, machte erst unlängst
Präsident Abbas deutlich, als er warnte, es gebe Anzeichen für die
Präsenz des Terrornetzwerkes im Gaza-Streifen. Das, und nicht der
Dialog mit Hamas, ist das eigentliche Schreckensszenario. Putin hat
eine Chance genutzt, es nicht wahr werden zu lassen. Nicht mehr. Aber
auch nicht weniger.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung
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