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Berliner Morgenpost: Ein neues Gesicht für eine neue Epoche - Kommentar zu Ulrich Nußbaum als Finanzsenator

Geschrieben am 19-02-2009

Berlin (ots) - Wenn Unternehmer in die Politik wechseln, dann ist
das erst mal gut. Im besten Fall sind in der Wirtschaft erfolgreiche
Leute finanziell und geistig unabhängig, sie sind nicht im
Politikbetrieb verhaftet, sie haben einen frischen Blick auf
Probleme. Insofern ist die Wahl von Klaus Wowereit für die Nachfolge
von Finanzsenator Thilo Sarrazin untadelig.
Ulrich Nußbaum ist ein in seiner Heimat Bremerhaven erfolgreicher
Mittelständler, agiert weltweit und engagiert sich in der
Handelskammer. Politisch steht er zwar der SPD nahe, hat es aber
trotz Drucks und werbender Worte immer abgelehnt, der Partei auch
beizutreten. Und zwar auch in seiner Zeit als Bremer Finanzsenator
2003 bis 2007. Damals hatte der Bremer Ober-Sozialdemokrat Henning
Scherf seiner Partei den Fischgroßhändler für den Posten in einer
großen Koalition schmackhaft gemacht. Kaum war Scherf weg, und es
ging um Rot-Grün, wurde der Druck aus der SPD auf Nußbaum größer,
sich doch endlich ein richtiges Parteibuch zu besorgen. Dass nun
Klaus Wowereit für seinen rot-roten Senat die gleiche
Personalentscheidung trifft wie seinerzeit Scherf für seine
SPD/CDU-Regierung, beweist zweierlei: Wowereit schwebt erstens in
Berlin so hoch über den Seinen wie damals ein Scherf in Bremen. Schon
murren SPD-Funktionäre über die einsamen Beschlüsse des
Spitzenmannes. Eine Frage der Zeit, wann der Ärger sich Bahn bricht,
zumal sich viele Berliner Sozialdemokraten schon häufiger übergangen
fühlten.
Zweitens ist es Nußbaum offensichtlich gleich, ob er mit
Konservativen oder mit Postkommunisten Politik macht. Das spricht im
schlechteren Fall für Prinzipienlosigkeit, im besseren für eine
unideologische Grundhaltung, auf jeden Fall aber für den inzwischen
recht seriösen Ruf der Berliner Linken.
Aber die SPD empfindet Wowereits einsame Entscheidung durchaus als
Ohrfeige, als Ansage, dass keiner von ihnen gut genug sei für den
Job. Denn natürlich kann Nußbaum nach vier eher unauffälligen Jahren
im Senat des kleinsten Bundeslandes nicht als A-Besetzung für die
Nachfolge Sarrazins gelten. Zumal es gerade sein Vorgänger war, der
öffentlich die Bremer Finanzpolitik auch unter Nußbaum als wenig
ambitioniert geißelte. Das verwirrt nicht nur Parteisoldaten.
Ein konsequenter Sanierer wie Sarrazin ist Nußbaum nie gewesen. Aber
ein harter Hund ist für Wowereit auch nicht mehr gefragt als
Finanzsenator. Das angespannte Verhältnis zu seinem Koalitionspartner
kann Wowereit verbessern, wenn ein anderer Ton herrscht als
gelegentlich bei Sarrazin. Und angesichts ohnehin wachsender Defizite
steigt allen Beteuerungen zum Trotz die Neigung, wieder Geld
auszugeben, wie die Entscheidung für höhere Lehrergehälter beweist.
Zu dieser neuen Epoche der Berliner Haushaltspolitik passt das
Gesicht des Sanierers Sarrazin nicht mehr. Dafür hat sich Wowereit
einen Unternehmer aus Bremerhaven gesucht. Am Ende seiner Amtszeit
als Bremer Senator hatte der Stadtstaat Bremen übrigens trotz
Bundeshilfen deutlich höhere Schulden als vier Jahre zuvor.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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