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Deutscher Raiffeisentag in Karlsruhe: Politik bleibt in der Verantwortung für die Agrarmärkte

Geschrieben am 22-06-2006

Bonn (ots) -

Die Politik zieht sich mit rasanter Geschwindigkeit aus der
jahrzehntelangen staatlichen Steuerung der Agrarmärkte zurück. Beim
Deutschen Raiffeisentag in Karlsruhe sprach sich DRV-Präsident
Manfred Nüssel gegen einen übereilten Rückzug der Politik aus der
Verantwortung für die Agrarmärkte aus. Er forderte vor rund 400
Teilnehmern sinnvolle Übergänge und Anschlusslösungen, damit den
Planungen und Investitionen der Unternehmen nicht die Grundlage
entzogen wird.

"Die von der Brüsseler Kommission bis zum Jahre 2013 gesetzten
Rahmendaten müssen verlässlich und kalkulierbar bleiben. Mit Blick
auf die angekündigte Halbzeitbewertung der EU-Agrarreform im Jahre
2008 darf es jetzt nicht zu weiteren, überstürzten Änderungen der
marktpolitischen Rahmenbedingungen kommen", so Nüssel.

Deutlich wird diese Situation am Getreidemarkt. Nach der
EU-Erweiterung sind im Binnenmarkt Ungleichgewichte entstanden.
Deshalb wird derzeit eine Änderung des Interventionspreis-Systems
diskutiert. "Diese Anpassungen sind notwendig, sie müssen aber
marktkonform sein. Auf jeden Fall brauchen wir für den europäischen
Getreidemarkt weiterhin ein Sicherheitsnetz, mit dem ein Preissturz
ins Bodenlose - zum Beispiel ausgelöst durch Wechselkursschwankungen
oder Börsenspekulationen - aufgefangen werden kann", so der
Präsident.


WTO: Wo bleiben die Gegenleistungen?

Zusätzliche Brisanz geht von der laufenden WTO-Runde aus. "Die
Agrarreform aus dem Jahr 2003 muss die Basis für das Mandat der
EU-Kommission bei den WTO-Verhandlungen bleiben", erklärte Nüssel.
Mit Sorge sieht er, dass die EU-Kommission entgegen früheren
Ankündigungen nun unter hohem Zeitdruck und auf Drängen der
WTO-Partner zu weiteren Zugeständnissen bereit ist, insbesondere beim
Marktzugang.

"Ich sehe keinen Spielraum, der über das EU-Angebot vom Oktober
2005 hinausgeht. Deutlich rückläufige Importpreise und damit
nachhaltig negative Effekte auf die ohnehin unter Preisdruck
stehenden EU-Agrarmärkte müssen verhindert werden. Betroffen wären
insbesondere die Produkte Milch und Rindfleisch. Jetzt sind die
WTO-Verhandlungspartner am Zug. Die Forderungen der Agrarwirtschaft
müssten auch im Interesse der europäischen Industrie sein. Ihr darf
es nicht gleichgültig sein, wenn die EU sämtliche Verhandlungstrümpfe
ohne angemessene Gegenleistungen ausspielt", so Nüssel.


Besteuerung von Biodiesel: Weitere Anreize schaffen

Die Raiffeisen-Genossenschaften haben seit den 90er Jahren
erhebliche Investitionen in den Aufbau eines gesonderten
Vertriebsweges für umweltfreundliche, reine Biotreibstoffe getätigt.
Diese Investitionen, u. a. in bundesweit über 700
Biodiesel-Zapfstellen, sind auf mittelfristig kalkulierbare
Rahmenbedingungen ausgerichtet.

"Ich fordere deshalb, dass eine weiter gehende Begünstigung für
den Absatz reiner Biotreibstoffe über das Jahr 2010 hinaus möglich
ist. Die zuletzt in Berlin diskutierten Steuersätze schwächen die
Wettbewerbsfähigkeit der Biokraftstoffe, insbesondere wenn die
Rohölnotierungen wieder niedriger ausfallen sollten. Wir müssen
verhindern, dass die Wertschöpfung des Biokraftstoffsektors ins
Ausland verlagert wird und verstärkt Pflanzenöle aus Drittländern
importiert werden", erklärte Nüssel in Karlsruhe.


Bürokratieabbau: Konsequent und schnell

Die Fesseln und Bremsklötze, die die wirtschaftliche Tätigkeit der
Genossenschaften behindern, müssen konsequent beseitigt werden, das
ist eine wichtige DRV-Forderung an die Politiker in Berlin und
Brüssel.

Der DRV begrüßt das Programm zum Bürokratieabbau, das das
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(BMELV) für den Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft aufgelegt
hat. "Ich unterstütze alle Aktivitäten, die zu einem spürbaren Abbau
unnötiger oder überzogener Regelungen führen. Sämtliche Auflagen, die
in den Unternehmen finanzielle Mittel und Arbeitszeit binden, ohne
dass daraus ein Nutzen gezogen wird, gehören abgeschafft. Für neue
Gesetze und Verordnungen muss dieser Maßstab selbstverständlich
sein", so Nüssel.

"Wildwuchs herrscht vor allem im Futtermittelrecht. Dort werden
die allgemeinen Lebensrisiken auf den Kopf gestellt. Noch immer gilt
in Deutschland für tierische Proteine in Futtermitteln die
gesetzliche Nulltoleranz. Dass eine solche Regelung in der Praxis
nicht haltbar ist, lernt ein Chemiestudent bereits im zweiten
Semester", kritisierte der DRV-Präsident.

Auch der föderale Aufbau der Bundesrepublik hat nach Meinung des
Raiffeisen-Präsidenten den Bürokratietest nicht bestanden. Denn
derselbe Sachverhalt wird in 16 Bundesländern unterschiedlich
geregelt. Jeder Landkreis trifft zudem Entscheidungen nach eigenem
Ermessen. Das gilt insbesondere für Genehmigungsverfahren. "Da müssen
wir uns nicht wundern, dass Unternehmen hierzulande immer noch
massive Standortprobleme haben", so Nüssel.


Grüne Gentechnik: Deutschland auf der Hinterbank?

Die Grüne Gentechnik wird in Deutschland nach wie vor pauschal
stigmatisiert. Verbraucher, Landwirte und Unternehmen werden gezielt
verunsichert. Weltweit hingegen wird diese Technologie zur
Selbstverständlichkeit. Gentechnisch veränderte Pflanzen werden
inzwischen außerhalb der Bundesrepublik auf 90 Millionen Hektar
angebaut. Das ist eine Fläche, die mehr als zweimal so groß ist wie
Deutschland.

Der DRV steht der Gentechnik ideologiefrei gegenüber. "Wir wollen,
dass unsere Unternehmen die Chancen dieser Zukunftstechnologie nutzen
können, ohne an den Pranger gestellt zu werden", so Nüssel.

Von der Bundesregierung erwartet der DRV klare Regeln für die
Koexistenz von konventionellem Landbau, ökologischem Landbau und
Landbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Politik muss auch
die sachliche Aufklärung über Gentechnik verbessern. "Wenn die
Verwendung gentechnisch veränderter Futtermittel am Lebensmittel
kenntlich gemacht werden muss, dann muss das auch für alle anderen
Gentechnik-Anwendungen gelten. Dazu zählen gentechnisch hergestellte
Tierarzneimittel, Enzyme, Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe. Dann
müssen vermutlich rund 90 % aller Produkte im Lebensmittelhandel
gekennzeichnet werden", so Nüssel.

"Mit unrealistischen Forderungen nach einer absoluten
Risikofreiheit verspielen wir in Deutschland die Chancen, die die
Grüne Gentechnik für die nachhaltige Entwicklung von Landwirtschaft
und Industrie bietet", erklärte Präsident Manfred Nüssel beim
Deutschen Raiffeisentag in Karlsruhe.


Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) ist als Dienstleister und
Interessenvertreter für die ländlichen Genossenschaften in Berlin,
Bonn und Brüssel tätig. Der Verband repräsentiert 3.122
Genossenschaften der verschiedenen Sparten. Sie verarbeiten und
vermarkten sämtliche pflanzliche und tierische Erzeugnisse. 2005
steigerten die Genossenschaften den addierten Umsatz um 2% auf
insgesamt 37,1 Mrd. EUR.


Originaltext: Deutscher Raiffeisenverband
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6949
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6949.rss2

Pressekontakt:

DRV-Pressestelle
Monika Windbergs
presse@drv.raiffeisen.de


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