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Blockade zwischen Bundestag und Bundesrat löst sich nach Föderalismusreform nicht auf

Geschrieben am 16-06-2006

Berlin (ots) -

- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen
Pressemappe zum Download vor und ist unter
http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -

Deutsche Umwelthilfe beklagt inszenierte Fehlinterpretation eines
Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das
angeblich eine Halbierung im Bundesrat zustimmungspflichtiger Gesetze
verspricht - Konkrete Änderungsvorschläge zur Heilung der schlimmsten
Verirrungen im Bereich Umwelt und Naturschutz unterbreitet

Berlin, 16. Juni 2006: Die öffentliche Erwartung, die
Förderalismusreform werde ungeachtet aller Defizite im Detail, ihr
zentrales Anliegen der Auflösung der Dauerblockade zwischen Bundestag
und Bundesrat erfüllen, beruht auf einem von den Reformanhängern
gepflegten Missverständnis. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen
Dienstes des Deutschen Bundestages, wonach sich die Zahl der im
Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze nach Umsetzung der
Reformpläne halbieren wird, sei in der Öffentlichkeit "bewusst oder
aus Nachlässigkeit" im Sinne der Reformautoren fehl interpretiert
worden, erklärte die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) in Berlin. Vor
der Koalitionsrunde, in deren Verlauf die Große Koalition am
kommenden Sonntag, die Verabschiedung der Großreform noch vor der
Sommerpause vorbereiten will, warnte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen
Resch davor, "die Föderalismusreform zu Lasten von Umwelt und
Naturschutz in Deutschland umzusetzen, in der Hoffnung, man könne so
aus der Zustimmungsfalle des Bundesrates entkommen und das Land
insgesamt reformfreudiger gestalten."

Resch: "Die Rechnung wird nicht aufgehen, wenn der Reformentwurf
nicht substanziell nachgebessert wird. Die Erwartung, man könne so
wie geplant den gordischen Knoten durchschlagen, beruht auf einer
weit verbreiteten Fehlinterpretation des Gutachtens des
Wissenschaftlichen Dienstes." Wer die Ausarbeitung von Mitte Mai 2006
aufmerksam lese, werde schnell darauf stoßen, dass die Gutachter die
von den Reformanhängern "gewünschten" Ergebnisse nur auf der Basis
unrealistischer Prämissen erzielen. "Das Gutachten und seine
systematische Fehlinterpretation in der Öffentlichkeit passen gut in
das Bild eines Reformvorhabens, bei dem zentrale demokratische
Gepflogenheiten dem unbedingten Willen zur schnellen Verabschiedung
geopfert würden". Resch verwies in diesem Zusammenhang auf die soeben
erst beendete Mammutanhörung von Bundestag und Bundesrat, bei der
zahlreiche Experten die Reformpläne zwei Wochen lang ungewöhnlich
harsch kritisiert hatten. Diese Anhörung könne nicht binnen weniger
Tage angemessen ausgewertet und bei der endgültigen
Gesetzesformulierung berücksichtigt werden. "Wer jetzt für eine
Verabschiedung noch vor der Sommerpause plädiert, stößt nicht nur die
Experten vor den Kopf, er setzt sich auch dem Verdacht aus, es gehe
längst nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um den Beweis der
Handlungsfähigkeit der Großen Koalition", schloss Resch.

Die Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH, Cornelia Ziehm,
hat die fragliche Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages analysiert, die unter dem Titel "Zustimmungsgesetze nach
der Föderalismusreform - Wie hätte sich der Anteil der
Zustimmungsgesetze verändert, wenn die vorgeschlagene Änderung
bereits 1998 in Kraft gewesen wäre?" (WD 3 - 37/06 und 123/06) Mitte
Mai 2006 veröffentlicht worden war (s. Anhang). Ergebnis: Die Autoren
des Gutachtens nehmen erstens jenen Grundgesetz-Artikel 84 Abs. 1 S.
4 von ihrer Untersuchung aus, der Zustimmungsrechte der Bundesländer
weiter maßgeblich vorsieht. Sie legen, zweitens, eine bestimmte, die
Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze geringer haltende Auslegung
von Art. 104a Abs. 4 GG (neu) zugrunde. Diese Auslegung ist
tatsächlich jedoch eher unwahrscheinlich, jedenfalls in keiner Weise
abgesichert. Ziehm: "Obwohl die Autoren der Ausarbeitung des
Wissenschaftlichen Dienstes selbst ausdrücklich auf diese Defizite
und weitere methodische Unzulänglichkeiten ihrer Arbeit hinweisen,
wird von Politikern der Regierungskoalition und in der
veröffentlichten Meinung konsequent eine Halbierung der
zustimmungspflichtigen Gesetze bei Umsetzung der Reform kolportiert,
die die Ausarbeitung in Wahrheit nicht hergibt. Ein Schelm, der Böses
dabei denkt."

Nach der Veröffentlichung der Ausarbeitung hatte der
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz unter dem Schlachtruf: "Die
Föderalismusreform wirkt!" Mitte Mai erfolgreich die Richtung der
Berichterstattung in praktisch allen Medien vorgegeben. Daran hatten
auch Hinweise mehrerer Rechtsprofessoren im Verlauf der
Expertenanhörung, wonach sich die Hoffnung einer vereinfachten
Gesetzgebung schnell zerschlagen werde, nichts mehr ändern können.
"Das Ergebnis ist aus demokratietheoretischer Sicht
niederschmetternd", sagte Ziehm. "Die Experten protestieren, die
Generalisten entscheiden - und das auf der Basis einer für jeden
Lesekundigen erkennbaren Fehldeutung eines einzigen Gutachtens."

Ziehm erklärte, dass die Deutsche Umwelthilfe inhaltlich an ihrer
unter anderem während der Expertenanhörung von Bundestag und
Bundesrat vertretenen Forderung nach einem übergreifenden
Kompetenztitel "Recht der Umwelt" festhalte und nach wie vor eine
grundlegende Überarbeitung des von den Regierungsfraktionen in den
Bundestag eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes
für sachlich geboten halte. Gleichzeitig hat die DUH in den
vergangenen Wochen versucht, in Anlehnung an den vorliegenden
Gesetzentwurf konkrete Detailverbesserungen in den parlamentarischen
Prozeß einzuspeisen. Sie betreffen vor allem die Schaffung eines
abweichungsfesten und von der Erforderlichkeitsklausel befreiten
Kompetenztitels für Klimaschutz, erneuerbare Energien,
Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Bodenschutz,
Chemikaliensicherheit und nicht-ionisierende Strahlung sowie die
Konkretisierung der so genannten abweichungsfesten Kerne insbesondere
im Naturschutz- und Wasserrecht durch Einbeziehung etwa der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und des Hochwasserschutzes.

Ziehm appellierte an die Regierungsparteien, dieses für die
künftige Entwicklung des Föderalismus und der deutschen Umwelt- und
Naturschutzpolitik zentrale Gesetzesvorhaben in angemessener Form zu
Ende zu führen. Die großen Parteien müssten der Versuchung
widerstehen, das Reformprojekt im Windschatten der anschwellenden WM-
Euphorie im Hoppla-Hopp-Verfahren durch das parlamentarische
Verfahren zu peitschen. "Es kann nicht sein, dass auf die Einwände
der Mehrzahl der Experten in keiner Weise reagiert wird, weil die
Große Koalition glaubt, Handlungsfähigkeit beweisen zu müssen. Augen
zu und durch ist das Gegenteil von Politik", so Ziehm.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Für Rückfragen:

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19,
Mobil: 0160 5337376, E-Mail: ziehm@duh.de

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail:
resch@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


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