LVZ: fraktionsübergreifende Debatte über Anpassung des Ehegatten-Splittings an die Lebenswirklichkeit / Rufe nach neuen Kinderkomponenten
Geschrieben am 13-06-2006 |
Leipzig (ots) - Quer durch die Bundestagsfraktionen rufen Familienpolitiker nach einer Überarbeitung des bisherigen, aus den 50er Jahren stammenden, Steuerprinzips des Ehegatten-Splittings. Insbesondere Politiker von SPD, FDP, Grünen und Linkspartei nahmen jetzt gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe) eine entsprechende Initiative der jungen Unions-Bundestagsabgeordneten Ole Schröder und Michael Kretschmer auf. Beide hatten das bisherige Splitting als "nicht mehr zeitgemäß" und mit fehlerhafter Zielorientierung kritisiert.
"Das überholte Ehegatten-Splitting steht für eine doppelte Benachteiligung. Durch die Bevorzugung der Alleinverdiener-Ehe wird gefördert, dass die Frauen zu Hause bleiben. Durch die weitere Begünstigung großer Einkommensunterschiede wird Frauen signalisiert, es lohnt sich gar nicht, zu arbeiten", meinte Christel Humme, familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Es sei "ein gutes Signal", wenn diese Position jetzt auch in der Union geteilt werde. Die Sozialdemokratin sprach sich für eine gleichwertige Individualbesteuerung von Männern und Frauen aus mit einer Ergänzung durch das Elterngeld. Eine Splitting-Reform noch in dieser Legislaturperiode "ist wünschenswert", so Frau Humme. Union und SPD sollten im Rahmen der großen Koalition dazu eine gemeinsame Initiative starten. Ein erster Einstieg wäre eine Begrenzung des bisherigen Ehegatten-Splittings auf die Höhe der jeweiligen Unterhaltszahlung im Scheidungsfall, der Rest des Einkommens sollte dann ganz normal besteuert werden. "Eine solche Kappung würde rund 2,5 Milliarden Euro jährlich bringen. Dieses Geld könnte man sinnvoller in eine kinderfreundliche Infrastruktur investieren."
Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ina Lenke, wies gegenüber der Zeitung ebenfalls auf den "dringenden Reformbedarf des Splittings" hin. "Gefördert wird noch heute das Modell der 50er Jahre, als der Mann arbeitete und die Frau zu Hause blieb und die Kinder erzog." Die Steuerpolitik müsse "weg von diesem überholten Familienbild". Entlastet werden sollten "diejenigen, die Kinder haben". Notwendig sei aber ein "abgemilderter zeitlicher Übergang" bei der Abschaffung des Ehegatten-Splittings. Die FDP-Politikerin wies daraufhin, dass das Steuermodell der FDP "die Wirkung des Ehegatten-Splittings stark abmildert".
Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Christine Scheel, begrüßte es gegenüber der Zeitung, "dass jetzt auch die Union die antiquierte steuerliche Begünstigung der Alleinverdiener-Ehen in Frage stellt". Jedes Kind müsse dem Staat gleich viel Wert sein. Geregelt werde könne das über Kindergeld, steuerliche Kinderfreibeträge und eine Individualbesteuerung "mit übertragbarem Höchstbetrag von 10 000 Euro".
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der "Linkspartei" im Bundestag, Barbara Höll, begrüßte ebenfalls den Umdenkungsprozess in der Union. Sie verlangte eine "Abschaffung des bisherigen Ehegatten-Splittings besser heute als morgen" zu Gunsten "einer Individualisierung des Steuerrechts" bei einer gleichzeitigen direkten Förderung von Kindern, "indem das Kindergeld perspektivisch auf monatlich 420 Euro angehoben wird".
Der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, verteidigte demgegenüber das Splitting "als zeitgemäß". Gegenüber der Zeitung sagte er: Es würden grundsätzlich Ehepartner mit Kindern profitieren und im Fall einer Abschaffung der bisherigen Regelung "wären vor allem die Frauen benachteiligt, die als klassische Familie ihre Kinder aufgezogen, auf ein eigenes Einkommen verzichtet haben und nun im Alter, wenn die Kinder aus dem Haus sind, auch nicht mehr die Vorteile des Ehegatten-Splittings in Anspruch nehmen könnten". Im Übrigen sei die besondere Bevorzugung traditioneller Lebensgemeinschaften "ein Privileg, das das Grundgesetz für Ehe und Familien reserviert hat".
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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