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Rheinische Post: Die wollen nur spielen

Geschrieben am 08-06-2006

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Endlich rollt der Ball. Wenn um 18 Uhr das Eröffnungsspiel dieser
Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Costa Rica
angepfiffen wird, geht es endlich um die Hauptsache: Elf gegen elf,
das Runde muss ins Eckige. Endlich ist auch die Zeit der Propheten
vorbei. Was haben wir nicht alles hören müssen: Horden von Hooligans
und Zwangsprostituierten und ein iranischer Staatspräsident würden
pünktlich zum Beginn des Spektakels über uns hinwegrollen, dazu Regen
ohne Unterlass. Was soll man sagen? Die Sonne scheint, die Fans
feiern noch immer friedlich und gesittet, selbst der Mann aus Teheran
will zu Hause bleiben.
Natürlich: Eine Fußball-WM ist nicht nur ein sportliches Ereignis.
Leistungssport, der Profi-Fußball zuvorderst, ist längst ein
Milliarden-Geschäft. In den Arenen der Neuzeit treten Multimillionäre
gegeneinander an. Gewiss wird sich irgendwo und irgendwann auch die
hässliche Fratze der Gewalt erheben, hoffentlich rechtzeitig gestoppt
von den gut vorbereiteten deutschen Sicherheitsbehörden.
Der Profi-Fußball ist zudem längst zweckentfremdet worden: überhöht
zur Philosophie, aufgeladen als politischer Symbolkampf. Nur ein
Beleg war noch vor dem ersten Kick der Lukas Podolski, Miroslav Klose
und Gerald Asamoah die erneute Debatte um Integration und
Nationalstolz. Die arg simpel geführte Diskussion zeigt nicht mehr,
als dass es noch ein weiter Weg ist zu einem selbstbewussten,
beileibe nicht geschichtsvergessenen Umgang mit Deutschland, diesem
schwierigen Vaterland.
Dafür spricht auch die verkrampfte Art und Weise, in der allerlei
Berufene von uns Deutschen Wohlverhalten einfordern. Mit dem
bekannten Hang zur Selbstgeißelung werden wir zum Lächeln ermahnt.
"Gute Gastgeber" sollen wir sein, als ob wir das meistens nicht schon
sind, und die hässlichen Ausnahmen nur die Regel bestätigen. Im
übrigen: Wer die Arroganz römischer Kellner oder die Ruppigkeit
spanischer Busfahrer erleben durfte, weiß, dass höfliches Benehmen
keine Frage der Nationalität, sondern der Erziehung ist.

Den meisten, die von heute an ins Stadion eilen oder vor dem
Fernseher sitzen, geht es aber um den Fußball. Wir sollten deshalb
nicht die 23 jungen Männer aus Jürgen Klinsmanns Aufgebot mit
Heilserwartungen überfrachten. Schön, wenn sie im Turnier weit
kommen, noch schöner, wenn sie zum vierten Mal Weltmeister würden.
"Bitte nachmachen", titeln wir heute hoffnungsfroh. Jedoch: Selbst
dann, wenn Michael Ballack am Abend des 9. Juli den Weltcup in die
Höhe recken sollte, hat noch kein Mensch in Deutschland zusätzlich
Arbeit gefunden, geschweige denn ginge der ersehnte Ruck durchs Land.
Das müssen wir schon selber leisten. Der Fußball ist wunderbar. Aber
er ist, erinnern wir uns beizeiten, nur ein Spiel.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30621
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Rückfragen bitte an:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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