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Landeszeitung Lüneburg: ,,Es wird keinen fundamentalen Umbruch in Südafrika geben" - Interview mit Sonwabo Eddie Funde, Südafrikas Botschafter in Deutschland.

Geschrieben am 25-09-2008

Lüneburg (ots) - Ein Machtkampf in der Regierungspartei ANC
erschüttert Südafrika: Präsident Thabo Mbeki wurde zum Rücktritt
gezwungen, elf Minister folgten aus Loyalität. Ob die Ernennung von
Kgalema Motlanthe zum Übergangspräsidenten die Krise beendet, ist
fraglich. Beobachter sehen unruhige Zeiten auf Südafrika zukommen.
Südafrikas Botschafter in Deutschland, Sonwabo Eddie Funde, beruhigt:
Das sei ein normaler Machtwechsel, ein radikaler Umbruch steht nicht
an.

Beim Johannesburg-Gipfel für nachhaltige Entwicklung von 2002
sollten Umwelt- und Entwicklungspolitik verknüpft werden. Ist das
gelungen?
Sonwabo Eddie Funde: Wir sind nicht sicher, ob die Entwicklungshilfe
seitdem wirklich in einer Weise vergeben wird, dass damit zugleich
Umweltprobleme angegangen werden. Doch schon bei der traditionellen
Entwicklungshilfe profitierten beide Seiten. Das große Problem der
Entwicklungshilfe blieb aber bestehen: Den Schwellenländern fehlt das
Geld, um die eigenen Industrien zu entwi"ckeln. Bisher beschränkt
sich ihr Zugang zum Markt darauf, unverarbeitete Rohstoffe wie Öl,
Kohle aber auch Nahrungsmittel zu exportieren, die dann in den
Indus"trieländern veredelt werden. Könnten die Entwicklungs- und
Schwellenländer Halb- oder Fertigprodukte liefern, wäre das
Verhältnis ausbalancierter. Nur dies würde das Denken durchbrechen:
"Wir helfen den anderen, weil sie bedürftig sind". Nur dies würde auf
lange Sicht eine gleichberechtigte Partnerschaft ermöglichen.

Sind die Märkte der EU überhaupt offen für südafrikanische
Fertigprodukte?
Funde: Es gibt noch immer sehr viele Beschränkungen. Das können Sie
auch daran sehen, dass die Diskussion über die Marktöffnung nach dem
Abbruch der Doha-Welthandelsgespräche weitergeht. Europa schottet
seine Märkte stark ab, nicht zuletzt über eine umfangreiche
Subventionierung vor allem von Agrarprodukten. Ohne fairen Zugang ist
es für südafrikanische Anbieter aber sehr schwer, hier Fuß zu fassen.
Das ist einer der Gründe, warum die Botschaft Partnerschaftsprojekte
wie das zwischen Eastern Cape und Niedersachsen unterstützt. Hier
soll nicht Nahrung oder Geld verteilt werden, sondern es werden
Erfahrungen vermittelt, wie die landwirtschaftliche Produktion
verbessert werden kann. So wird die besonders benachteiligte Region
Eas"tern Cape in die Lage versetzt, seine Bewohner zu ernähren und
Überschüsse zu produzieren, mit denen Märkte erschlossen werden
können. In der Folge entstehen Jobs, die Armut wird wirklich effektiv
bekämpft.

Befürchten Sie, dass die globale Finanzkrise die globale
Armutskrise in den Hintergrund drängt?
Funde: Zunächst mal wird auch die Börse in Johannesburg von den
Turbulenzen erfasst. Aber Entwicklungs- und Schwellenländer leben --
was die Finanzströme angeht -- beinahe in einer eigenen Welt. Die
direkten Auswirkungen sind hier nicht so groß. Dennoch wächst die
Sorge, dass sich die Industrieländer derzeit vor allem auf ihr
eigenes Finanzde"sas"ter konzentrieren und darüber die gewichtigeren
Probleme der Armut und des Hungers vergessen werden. Es ist sehr
beeindruckend, wieviel Geld in der Krise vernichtet wurde, aber vor
allem, welche astronomischen Summen aufgewendet werden, um Banken zu
retten, die nur durch Missmanagement strauchelten. Würde man den
Schwellenländern 700 Milliarden Dollar überweisen, könnte man die
Armut in kürzester Zeit eliminieren.

Hunger, Aids, Wasserknappheit sind die drängendsten Probleme
Afrikas. Welche Leistungen muss Afrika selbst erbringen, um sie zu
lösen?
Funde: Seit zehn Jahren verfolgt Afrika das Ziel einer "afrikanischen
Renaissance", indem es daran geht, seine eigenen Probleme selbst zu
lösen. Es entstand die Afrikanische Union (AU), die das NEPAD-Projekt
ins Leben rief, also die ,,Neue Partnerschaft für Afrikas
Entwicklung". NEPAD bündelt eine ganze Reihe von Vorhaben, von der
Weiterentwicklung von Bildung, Technologie und Infrastruktur bis zur
Bekämpfung von Aids und Armut. Afrika ist es gelungen, sich auf den
G-8-Gipfeltreffen als fester Partner zu etablieren und seine Anliegen
vorzubringen. Die AU löste erfolgreich Schlüsselprobleme des
Kontinents, indem sie Kriege und Bürgerkriege im Kongo, in Burundi,
in Mosambique und der Elfenbeinküste befriedete. Frieden ist die
Grundlage für Entwicklung. Zudem erkennt die AU undemokratische
Regime nicht an, strebt vielmehr deren Ersetzung durch demokratisch
legitimierte Regierungen an. Das einzige Problem, das Afrika nicht
lösen kann, ist der Mangel an Kapital, um die Wirtschaftskraft zu
erhöhen.

Simbabwe galt als afrikanischer Musterstaat, strauchelt aber unter
Mugabe. Kann Südafrika "Good Governance" im Nachbarstaat durchsetzen?
Funde: Die Entwicklung Simbabwes bereitet Sorge, ist aber zugleich
das jüngste Beispiel dafür, was Afrika leistet, um seine Probleme zu
lösen. Sowohl die aus 14 Staaten bestehende Südafrikanische
Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und die AU haben Einfluss genommen.
Südafrikas Ex-Präsident Thabo Mbeki hat erfolgreich zwischen
Regierung und Opposition in Simbabwe vermittelt. Während wir hier
sprechen, feilen die Simbabwer an einer Regierung der nationalen
Einheit. Wir denken, dass die Entwicklung in unserem Nachbarstaat in
die richtige Richtung geht. Sollte sich diese Haltung in Afrika
durchsetzen, wird es auch aufwärts gehen. An diesem Punkt können die
Industrieländer uns unterstützen. Dabei sind wir nicht so sehr an
Hilfe interessiert, sondern an einem fairen Handel und an
Investitionen in unseren Ländern.

Im Westen besteht Sorge, dass der Sturz von Präsident Mbeki das
Land destabilisieren könnte. Kommt der ANC nun zur Ruhe oder spaltet
er sich?
Funde: Wir hoffen, dass die geregelte und friedliche Art und Weise,
in der Präsident Mbeki sein Amt niederlegte, mögliche interne
Probleme des ANC lösen wird. Thabo Mbeki hat bereits angekündigt,
auch weiterhin loyal zum ANC zu stehen. Würde er seine Anhänger um
sich scharen und eine eigene Partei gründen, gäbe es ein Problem.
Verstärkt der Massenrücktritt von elf Ministern aus Loyalität zu
Thabo Mbeki die Gefahr der Spaltung das ANC? Funde: Ich erwarte
dennoch, dass auch diese Minister weiter zur Sache des ANC stehen. Es
schafft natürlich ein weiteres Problem, jetzt -- nur sechs Monate vor
den geplanten Wahlen -- nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern
auch noch elf neue Minister präsentieren zu müssen. Solange ein
solcher Machtwechsel friedlich bleibt, muss man ihn in einer offenen
Demokratie wie unserer akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass sich
Südafrika in einer Krise befindet.

Unter Mbeki war die Wirtschaft Südafrikas sehr liberal
ausgerichtet. Wird sie künftig stärker staatlich gelenkt?
Funde: Es wird keinen fundamentalen Wandel geben. Niemand der
politischen Führungskräfte spricht von Verstaatlichung oder
Ähnlichem. Aber auch in einer Marktwirtschaft muss der Staat
intervenieren -- etwa, um die Benachteiligten zu schützen, und das
geschah auch unter Präsident Mbeki. So hat er das Wohlfahrtssystem
gestärkt, Kindergeld eingeführt und dafür gesorgt, dass ärmere
Regionen elektrifiziert sowie mit sauberem Trinkwasser versorgt
wurden. ANC-Präsident Jacob Zuma hat mehrfach betont, an der
Wirtschaftspolitik festhalten zu wollen. Das Entwicklungsgefälle in
Südafrika selbst ist keine Folge der Politik Mbekis, sondern des
Apartheid-Regimes.

Jacob Zuma ist Zulu. Drohen Konflikte mit den Xhosa?
Funde: Nein. Diese Ängste sind total unbegründet. Viele der Anhänger
Zumas sind keine Zulus. Südafrika hat die Rassenfrage hinter sich
gelassen. Es wird sich nicht in Konflikten zwischen den Stämmen
verzetteln. Das Hauptproblem Südafrikas, auf das sich das Interesse
aller richtet, ist die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.

Das Interview führte Joachim Zießler

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65442
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65442.rss2

Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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