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Westdeutsche Zeitung: Gäfgen-Prozess = von Peter Kurz

Geschrieben am 30-06-2008

Düsseldorf (ots) - Magnus Gäfgen versuchte sich in der Opferrolle.
Ausgerechnet er. Der Kindsmörder, der seinem elfjährigen Opfer keine
Chance ließ, fühlt sich von der deutschen Justiz unfair behandelt.
"Verletzung des fairen Verfahrens" - so sein Vorwurf vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es wäre schwer
erträglich gewesen, wenn er in Straßburg gewonnen hätte.
Dass ihm dies nicht gelang, liegt einzig und allein daran, dass die
deutsche Justiz in der juristischen Aufarbeitung des Falles
besonnener agierte als manch einer es in der damals aufgeheizten
Diskussion um die sogenannte Rettungsfolter verlangte.
Rückblick: Als der Frankfurter Polizeivizepräsident Daschner,
vermeintlich um das Leben des damals schon toten Jungen zu retten,
Gäfgen Gewalt androhte, sahen viele dies als Heldentat eines
aufrechten Polizisten. Er habe doch nur aus Verzweiflung zu
verbotenen Mitteln gegriffen. Sicher geglaubte Werte - das
Folterverbot - gerieten auf einmal ins Wanken. Und auch das
abschwächende "Die Gewalt wurde doch nur angedroht" änderte daran
qualitativ nichts. Denn wer eine Folterdrohung für zulässig hält, der
muss auch konsequent sein und das tatsächliche harte Zupacken
erlauben - sonst liefe die Drohung ins Leere.
Allzu wenig machten sich die Befürworter des harten Zupackens klar,
was ein solcher Dammbruch für unsere Rechtsordnung und auch für sie
selbst im Einzelfall bedeuten würde: Jeder kann in die Situation des
Verhörten geraten. Auch unschuldig, aufgrund Verkettung unglücklicher
Umstände. Und sähe sich konfrontiert mit Polizisten, die die Lizenz
zum Zuschlagen oder Daumenverdrehen hätten. Wer das will, müsste
freilich auch ein Foltergesetz befürworten, das genau regelt, wer wen
unter welchen Voraussetzungen mit welchen Werkzeugen malträtieren
darf.
Zurück vom Sarkasmus zur Besonnenheit der deutschen Justiz. Diese
hatte die Polizisten, die die Gewalt angedroht hatten, verurteilt,
wenn auch milde. Und im Prozess gegen Gäfgen stützten die Richter ihr
Urteil eben nicht auf das durch die Gewaltandrohung erlangte
Geständnis. So verhinderten die Richter, dass sich Deutschland in
Straßburg angreifbar machte. Und dass sich ein Mörder weiter in der
Öffentlichkeit als Opfer gerieren kann.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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