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Lausitzer Rundschau: Diskussion um Strittmatters NS-Vergangenheit Das unerträgliche Schweigen

Geschrieben am 24-06-2008

Cottbus (ots) - Was bislang über die Kriegserlebnisse Erwin
Strittmatters bekannt ist, lässt nicht den Schluss zu, dass der
Lausitzer Schriftsteller selbst sich eines Verbrechens schuldig
gemacht hat. Aber das, was dankenswerter Weise der
Literaturwissenschaftler Werner Liersch recherchiert und
veröffentlicht hat, zwingt zu der traurigen Feststellung, dass
Strittmatter über Jahre hinweg einer Truppe angehörte, deren direkte
Beteiligung am Völkermord und anderen schwersten Kriegsverbrechen
unstrittig ist. Hinter der auf den ersten Blick so harmlosen
Bezeichnung Ordnungspolizei verbargen sich die Truppen, die das
eroberte, besetzte Europa zu "säubern" hatten von den Menschen, die
die nationalsozialistische Herrschafts- und Rassenideologie als
Bedrohung ansah. Das ganze Ausmaß dieser Ungeheuerlichkeit ist bis
heute nicht hinreichend bekannt und erforscht. Die Männer, diese
"ganz normalen Männer", die der amerikanische Historiker Christopher
Browning in dem wegweisenden Buch über das Polizeibataillon 101
beschreibt, waren zumeist nicht überzeugte Nazis. Und doch haben sie
Kindern in die Augen gesehen, bevor sie diese erschossen.
Die erhaltenen Berichte darüber zu lesen, ist eine schreckliche Qual
- zumal, wenn man weiß, dass viele, erfreulich viele aus solchen
Einheiten nicht mitmachten. Sie wurden übrigens so gut wie nie
bestraft, weil selbst Nazi-Deutschland den Kindermord verschweigen
musste. Wir sind es gewohnt, die Todesfabrik Auschwitz als
schrecklichsten Ausdruck der Verbrechen in deutschem Namen, als wohl
für alle Zeiten geltende Mahnung zu sehen. Aber Auschwitz soll und
kann nicht vergessen machen, dass das Grauen, dem die besetzten
Völker Europas begegneten, die Mittäterschaft von Hunderttausenden
und das Mitwissen von Millionen von Männern in deutscher Uniform
voraussetzte.
Zu diesen Mitwissern von Verbrechen zählte aus meiner Sicht mit
hinreichender Sicherheit Erwin Strittmatter. Denn die
Kriegsgeschichte seiner Einheit ist übervoll von mörderischen
Einsätzen gegen die Zivilbevölkerung. Dass er zugesehen, zugehört
hat, kann man ihm nicht zum strafrechtlichen Vorwurf machen. Dass er
jahrzehntelang darüber geschwiegen hat, ist kein Verbrechen. Aber es
macht ihn zu einer tragischen Figur, zu einem Gezeichneten, zu einem
Schuldigen im Schweigen. Denn wer wusste und nicht redete, der
versagte nicht nur den Opfern den Respekt. Er verweigerte den
Unwissenden auch die nötige Hilfe beim Verstehen dessen, was so
schwer verständlich ist. Wir müssen heute davon ausgehen, dass
Strittmatter sich dem entzog, was Pflicht eines Menschen ist, der
öffentliche Ehrung verdient. Und deswegen ist Spremberg gut beraten,
sich kundig zu machen über die Geschichte des SS-Polizei-Regiments,
in dem Strittmatter lebte und über das er traurigerweise bis zu
seinem Ende schwieg - und die Schlussfolgerungen zu ziehen aus solch
unerträglichem Schweigen.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
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Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de


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