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Südwest Presse: Kommentar zum Thema Irland

Geschrieben am 13-06-2008

Ulm (ots) - Es wird der Tag kommen, an dem den Vereinigten Staaten
von Nordamerika die Vereinigten Staaten von Europa gegenüberstehen
werden."
Victor Hugos fast 150 Jahre alte Vision ist mit dem irischen
Referendum gestern nicht unrealistischer geworden, doch sie wird noch
etwas länger brauchen, als der französische Schriftsteller wohl
annahm.
Denn politisch Weiterwursteln wie bisher mit einem
Verfassungsvertrag, der aus Angst vor der Abneigung großer Teile der
Bevölkerung gegen das V-Wort mittlerweile schon zum "Lissaboner
Vertrag" umfirmiert wurde, das verbietet sich. Über Europas
Verfasstheit, über die Frage, ob die Richtung eher Bundesstaat oder
Staatenbund heißen soll (oder Staatenverbund, wie sich einst das
Bundesverfassungsgericht aus der Klemme half), darf nicht länger
unter falschem Etikett diskutiert werden.
Das als Legitimation für Verfassungs- wie danach Lissaboner Vertrag
stets genannte Hauptmotiv, nach der Ost-Erweiterung der EU auf jetzt
27 Mitglieder seien neue Spielregeln notwendig, um überhaupt noch zu
Entscheidungen zu kommen, ist richtig. Es rechtfertigt aber allein
nicht die verfassungsähnlichen Elemente, die im Vertrag enthalten
sind, der jetzt in Irland und den anderen EU-Staaten zur Entscheidung
anstand.
Wer jedoch versucht, den Menschen eine Mogelpackung unterzuschieben,
muss sich nicht wundern, wenn sie sich verweigern. Es ist dabei
müßig, zu spekulieren, dass die Ablehnung weder in Irland noch zuvor
in Frankreich und den Niederlanden viel mit dem eigentlichen Zweck
und Inhalt des Vertrages zu tun hatte. Das Nein der Bürger hing
sicher auch mit diffusen Ängsten vor einem europäischen Suprastaat
zusammen. Doch der eigentliche Grund, warum sich Abtreibungsgegner,
Gewerkschafter, Nationalisten und um Subventionen bangende Landwirte
in Irland zu einer Mehrheit verbünden konnten, ist das Fehlen
jeglicher Überzeugung für den neuen Vertrag. Mit dem abstrakten
Hinweis, ohne neue Spielregeln funktioniere die EU nicht mehr, lassen
sich weder auf der grünen Insel noch in anderen Mitgliedsländern die
Bürger dafür gewinnen, ihre Stimme für Europa abzugeben. So sie
überhaupt gefragt werden.
Neue Entscheidungsregeln werden sich die EU-Staatschefs jetzt
möglichst rasch in eigener Verantwortung geben müssen. Denn die EU
kann keine Auszeit nehmen. Eine Bewährungsprobe für Frankreichs
Staatschef Nicolas Sarkozy, der am 1. Juli das EU-Zepter übernimmt.
Doch ob das Europaparlament mehr Rechte bekommt oder ob die EU sich
einen Quasi-Außenminister zulegt, ob sie also nicht nur geografisch
erweitert, sondern auch politisch vertieft wird, dafür müssen Europas
Bürger jetzt nicht nur gewonnen werden, sie müssen auch überzeugt
werden, dass es sich dafür zu streiten lohnt.
Es ist ja nicht nur die immer enger zusammenrückende Welt, die in der
Außen- und Wirtschafts-, in der Verkehrs- wie der Umweltpolitik
einzelstaatliche Lösungen in Europa untauglich werden lässt. Das
wichtigste Argument für Europa bleibt die historisch begründete
Erkenntnis, dass es auf diesem Kontinent nie Frieden gegeben hat,
solange viele kleine autonome Staaten neben- und oft gegeneinander
existierten. Jeder der annähernd 60 Millionen Toten des Zweiten
Weltkriegs, jedes der hunderttausende Opfer der Jugoslawienkriege im
vergangenen Jahrzehnt ist ein Argument gegen ein Europa der völlig
unabhängigen Nationalstaaten.
Die Geschichte verpflichtet gerade uns Deutsche, trotz aller
Rückschläge am einzigartigen und in aller Welt bewunderten Modell EU
weiterzuarbeiten. Und zu hoffen, dass es auch aus der jüngsten Krise
irgendwann gestärkt hervorgehen wird.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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