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LVZ: Schonungsloser Befund

Geschrieben am 18-05-2008

Leipzig (ots) - Von Olaf Majer
Es gehört zum guten Ton der Mediziner, vorm Ärztetag das Klagelied
auf die missliche Lage in OP-Sälen und Sprechzimmern anzustimmen.
Allerdings mit überschaubarem Erfolg. Egal wie laut die Ärzte auf
Budget-Löcher und Bürokratie-Horror hinweisen - in der
beratungsresistenten Trutzburg der ewigen Ulla Schmidt ernten sie
meist nur ein Schulterzucken. Oder den Hohn von Gesundheitsökonom
Karl Lauterbach, der den deutschen Weißkitteln durchschnittliche
Leistung bei überdurchschnittlicher Vergütung vorwirft.
Diesmal könnte es allerdings gut sein, dass die Ohren in Berlin nicht
auf Durchzug geschaltet sind. Immerhin hat Ärztekammerpräsident Hoppe
mit einem Paukenschlag die Gute-Laune-Blase des deutschen
Gesundheitssystems platzen lassen. Bisher hieß es: Alle Patienten
bekommen die gleiche, beste Versorgung, alles Gute und rasche
Genesung. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch
heute - diese Märchenstunde ist endlich abgesetzt. Die offenkundige
Rationierung, die sich wie eine Krake mit immer neuen Zuzahlungen,
langen Wartezeiten auf Facharztbesuche und OP-Termine oder der
Vorzugsbehandlung von Privatpatienten über das längst
überstrapazierte Gesundheitssystem legt, soll nicht länger geheime
Verschlusssache sein. Ein bemerkenswerter Vorgang. Immerhin räumt
damit erstmals ein Spitzenvertreter der Ärzteschaft offen ein, was
viele Patienten längst spüren: Es gibt de facto eine
Zweiklassen-Medizin.
So schonungslos eindeutig der Befund, so grundverschieden sind jedoch
die Behandlungsstrategien. Allen Bedenken zum Trotz sucht Ministerin
Schmidt unbeirrt ihr Heil in der allumfassenden Staatsmedizin. Das
Monster Gesundheitsfonds soll der Herzschrittmacher werden, damit
alles einheitlich im Takt funktioniert: Gleicher
Versicherungsbeitrag, gleiche Leistung, gleiches Honorar. Effizienz
und Qualitätsdenken gehen zwar anders. Aber wenigstens sieht alles
schön gerecht aus.
Hoppe und seine Kollegen fürchten so zurecht den Kollaps des Systems
und wollen den rettenden Eingriff genau entgegengesetzt: Schluss mit
der Vorschriftenmedizin. Die wuchert seit Jahren ungebremst wie ein
Krebsgeschwür. Wer einst als idealistischer Humanhelfer ins
Medizinstudium gestartet ist, der findet sich im Klinik- oder
Praxisalltag frustriert als ferngelenkter Agent einer
Zuteilungsmedizin wieder. Kassen und Gesundheitspolitiker haben ein
Vorschriftenlabyrinth geschaffen, das vor allem Sackgassen kennt. Wer
Auswege im Interesse der Kranken sucht, wird sofort finanziell
sanktioniert. Realer Irrsinn der politisch gesteuerten Sparwut:
Während das Arzt-Patient-Verhältnis immer blutleerer wird, erfreuen
sich versicherungsfremde Leistungen in den Kassen einer robusten
Konstitution. Und eine überflüssige, aber nette Wellnesskur geht im
Zweifel immer, wenn damit der freiwillig gesetzlich Versicherte nur
in der Kasse gehalten werden kann.
Doch wie stellte der regierungsamtliche Besserwisser Lauterbach fest:
Ärzte verstehen wenig von Politik und noch weniger von
Gesundheitspolitik. Zum Glück. Denn diese Art Gesundheitspolitik ist
mit dem gesunden Menschenverstand längst nicht mehr erfassbar.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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