(Registrieren)

WAZ: Nach dem Brand von Ludwigshafen - Belastete Beziehungen - Leitartikel von Gerd Höhler

Geschrieben am 07-02-2008

Essen (ots) - Die Brandkatastrophe von Ludwigshafen überschattet
den heutigen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in
Berlin. Was, wenn die Tragödie tatsächlich das Werk eines
ausländerfeindlichen Brandstifters ist? Man mag sich gar nicht
ausmalen, was das für die Beziehungen beider Länder und das
Zusammenleben von Türken und Deutschen bedeuten würde.

Noch ist der schlimme Verdacht zwar nicht erhärtet. Aber da gab
es offenbar schon früher Drohungen gegen die Familie Kaplan, da war
der nie aufgeklärte Brandanschlag aus dem Jahr 2006, und da ist das
mit SS-Runen auf die Fassade des Hauses aufgeschmierte Wort "Hass",
das eine deutliche Sprache spricht. Kein Wunder, dass türkische
Medien all das thematisieren. Die Machart mancher Berichte irritiert
allerdings. Die vorschnellen Schuldzuweisungen, die pauschal
antideutschen Kommentare, die Hakenkreuzbilder in einigen Istanbuler
Zeitungen: Das soll wohl bewusst eine Verbindung zum Juni 1993
herstellen. Damals starben bei einem Brandanschlag auf das Haus der
türkischstämmigen Familie Genc in Solingen drei Kinder und zwei junge
Frauen. Die Täter, vier Jugendliche im Alter zwischen 16 und 24
Jahren, kamen aus der rechtsextremen Szene.

"Wir wollen kein zweites Solingen", sagte Ministerpräsident
Erdogan, bevor er nach Deutschland reiste. Dem türkischen
Ministerpräsidenten kann jedoch nicht daran gelegen sein, dass es zu
Zerwürfnissen kommt wie nach dem Anschlag von Solingen. Andererseits
glaubt der türkische Premier offenbar, die Stimmung daheim nicht
ignorieren zu können. So ist wohl sein Ansinnen zu erklären,
türkische Experten an den Ermittlungen der Brandursache zu
beteiligen. Dass er damit den Deutschen unterstellt, sie könnten im
Fall Ludwigshafen etwas zu vertuschen versuchen, nimmt der Premier
billigend in Kauf.

Die voreiligen Beschwichtigungen mancher deutscher Politiker sind
ebenso unangebracht wie die Hakenkreuz-Illustrationen in türkischen
Zeitungen. In dieser Situation wollte die ARD die Stimmung nicht noch
weiter anheizen und setzte den für Sonntag geplanten "Tatort" ab. Es
ging um das brisante Thema Ehrenmord unter Türken - ausgerechnet in
Ludwigshafen.

Verständlich sind der Zorn und die Verzweiflung, die jetzt viele
Türken empfinden. Die vier Täter von Solingen übrigens, die 1993 fünf
Menschen bei lebendigem Leib verbrennen ließen, sind längst wieder
auf freiem Fuß. Auch das sollte man angesichts der Bilder aus
Ludwigshafen bedenken.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

118639

weitere Artikel:
  • (Sperrfrist 22.45 Uhr) ARD-DeutschlandTrend: Deutsche wollen Demokraten im Weißen Haus Köln (ots) - Ginge es nach dem Willen der Deutschen, sollte der nächste Präsident der Vereinigten Staaten ein Demokrat sein. Wie eine Umfrage des aktuellen ARD-DeutschlandTrends ergab, würde jeweils eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger für die demokratischen Kandidaten Hillary Clinton oder Barack Obama stimmen, wenn sie gegen den Republikaner John McCain zur Wahl stünden. Käme es bei der US-Präsidentschaftswahl am 4. November zu einem Duell Clinton-McCain, wären 69 Prozent der Deutschen für die Demokratin und zehn Prozent für den Republikaner. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Ludwigshafen Halle (ots) - So genannte Meinungsmacher sollten jetzt das tun, was ihnen am schwersten fällt: den Mund halten. Fünf Tage nach der Tragödie von Ludwigshafen, bei der neun türkischstämmige Einwohner ums Leben kamen, suchen die Ermittler noch immer nach der Brandursache. Sie brauchen Zeit, ihre schwierige Arbeit zu machen. Ohne Spekulationen, ohne politische Gedankenspiele. Auch und gerade, weil vieles denkbar ist. Andernfalls wird die Brandkatastrophe in einen Raum gerückt, in den sie nicht gehört. Zumindest derzeit nicht. Es spricht ohnehin mehr...

  • Rheinische Post: Lehrer in Not Düsseldorf (ots) - von Reinhold Michels Frankreichs Bildungsminister Xavier Darcos hat gesagt, dass heute mehr Lehrer Opfer von Schülergewalt würden als umgekehrt. Der glaubhaft klingende Satz ist so entlarvend wie doppelbödig; enthält er doch auch die Zweitbotschaft, dass es früher anders gewesen sei: dass nämlich der mit Hand oder Stock strafende Lehrer zum Schulalltag gehörte. Dieses kümmerliche Exemplar war ein Kind seiner Zeit der Über- und Unterordnung, der "Wer-nicht-hören-will-muss-fühlen"-Pädagogik. Der Schüler als Untertan mehr...

  • Rheinische Post: Erdogans Besuch Düsseldorf (ots) - von Godehard Uhlemann Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan an der Brandruine in Ludwigshafen, in der neun Menschen umkamen, muss zu einer Versachlichung der Katastrophenaufarbeitung führen. Sonst wird das beiderseitige Verhältnis schweren Schaden leiden. Die deutschen Behörden tun alles, um die Ursachen des Brandes zu klären. Das weiß auch Erdogan. Die Polizei wird nichts vertuschen. Wer anderes unterstellt, fischt bewusst im Trüben, um daraus für sich politisches Kapital zu schlagen. Da die Türkei mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Klimaakademie von Vattenfall an Lausitzer Schulen Geschickter Schachzug Cottbus (ots) - Was Vattenfall Europe an weiterführenden Schulen in der Lausitz veranstaltet, ist durchdacht und professionell gemacht. Bei den Schülern des Cottbuser Max-Steenbeck-Gymnasiums kam die Vattenfall-Klimaakademie mit Film, Klimaschutzbus und Quiz gut an. Gerade an der Eliteschule mit ihrem naturwissenschaftlichen Profil war damit auch zu rechnen. Nicht von ungefähr hat sich der Konzern gerade diese renommierte Einrichtung für den medienwirksamen Auftakt der Tour durch die Lausitzer Schullandschaft ausgesucht. Den Schwerpunkt mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht