(Registrieren)

Neue Studie: Atomkraft hat Deutschland bis heute bereits mehr als eine Billion Euro gekostet

Geschrieben am 17-09-2020

Hamburg (ots) - Die Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung in Deutschland hat seit den 1950er-Jahren geschätzte gesamtgesellschaftliche Kosten von mehr als einer Billion Euro verursacht. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy erstellt hat. Diese Summe umfasst sowohl staatliche Förderungen als auch Verkaufspreise des Stroms sowie externe Kosten. "Kein anderer Energieträger hat so hohe Kosten verursacht wie die riskante Atomkraft, die auch nach 65 Jahren höchst unwirtschaftlich ist", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy.

Deutschlands Einstieg in die zivile Nutzung der Atomenergie hatte am 20. Oktober 1955 mit der Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen begonnen. Seither sind hierzulande mit staatlicher Förderung mehr als 100 Atomanlagen in Betrieb gegangen - kommerziell genutzte AKWs ebenso wie Forschungsreaktoren und Lager für radioaktiven Müll.

Das FÖS hat die seit 1955 erfassbaren Förderungen und staatlichen Ausgaben zusammengetragen. 287 Milliarden Euro machen in diesem Zeitraum allein direkte und indirekte staatliche Förderungen aus - wie etwa Finanzhilfen, Forschungsausgaben oder Steuervergünstigungen, aber auch Vorteile für Atomkonzerne durch den Emissionshandel oder eigene Rückstellungen. Weitere neun Milliarden Euro entfallen auf sonstige staatliche Kosten, etwa für Polizeieinsätze bei Castor-Transporten oder für von der Bundesrepublik übernommene Atom-Folgekosten als staatlicher Nachfolger der DDR.

"Ein Großteil dieser Kosten war im Strompreis nie enthalten, weshalb Atomenergie fälschlicherweise als kostengünstige Stromquelle galt", sagt Sönke Tangermann. Für eine Gesamtbilanz der gesamtgesellschaftlichen Kosten von Atomstrom werden in der Studie neben den Belastungen für den Staatshaushalt auch der Verkaufspreis des Stroms sowie externe Kosten ermittelt, die die Atomkonzerne jahrzehntelang auf die Gesellschaft abwälzen konnten, wie etwa das Risiko von Störfällen.

Allein zwischen 2007 und 2019 - der Zeitspanne mit der besten Quellenlage - summieren sich die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Atomstrom laut FÖS auf bis zu 533 Milliarden Euro. Hochgerechnet auf den gesamten Zeitraum seit 1955 gehen die Forscherinnen und Forscher auch bei konservativen Annahmen davon aus, dass die Summe der gesamtgesellschaftlichen Kosten die Billionengrenze deutlich überschreitet.

Ende 2022 wird die Stromerzeugung durch Atomenergie in Deutschland beendet - dennoch ist die Endlagerfrage derzeit ungelöst und die Produktion von Atombrennstoff soll weitergehen. Auch nach 2022 fallen entsprechend hohe staatliche Ausgaben an. Laut FÖS sind Kosten in Höhe von mindestens sieben Milliarden Euro bereits konkret absehbar, die nicht von den AKW-Betreibern abgedeckt werden: Für die Sanierung des Atomlagers Morsleben und des Forschungsendlagers Asse sowie des Uranerzbergbaus Wismut oder für die Stilllegung ehemaliger AKW-Standorte. Noch nicht quantifizierbar sind künftige Beitragszahlungen Deutschlands für internationale Atom-Organisationen. "Weitere staatliche Ausgaben könnten hinzukommen - vor allem, wenn der 2017 eingerichtete Atomfonds nicht ausreicht, um die Kosten für ein künftiges Endlager zu decken", sagt Studienleiterin Swantje Fiedler vom FÖS.

Dass aktuell dennoch einzelne Interessengruppen AKW-Laufzeitverlängerungen oder sogar Investitionen in neue Atomprojekte fordern, hält Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann für realitätsfern: "Wir erwarten, dass die Bundesregierung diese Geisterdebatte endlich mit einer klaren Ansage beendet, denn sie dient nur dazu, erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie zu diskreditieren und echten Klimaschutz zu verlangsamen." Ein Weiterbetrieb bestehender Atomkraftwerke über 2022 hinaus verteuert laut FÖS-Studie nicht nur die ohnehin ungelöste Endlagerung aufgrund zusätzlicher Atommüll-Mengen, sondern würde zudem zeitgemäße sicherheitstechnische Nachrüstungen alter AKWs - unter anderem zum Schutz vor Extremwetter oder Terroranschlägen - nötig machen.

"Angesichts der enormen Kosten und einer alternden Infrastruktur mit immer größeren Risiken kann die Atomkraft keine ernsthafte Alternative sein kann, um die Klimakrise effektiv zu bekämpfen", sagt Sönke Tangermann. Greenpeace Energy fordert daher, den deutschen Atomausstieg konsequenter als bisher umzusetzen - und neben der Atomstromproduktion Ende 2022 auch vertragliche Verpflichtungen Deutschlands zugunsten der Atomindustrie in der jetzigen Form zu beenden. Dazu zählen etwa die Beitragszahlungen zur Europäischen Atomgemeinschaft Euratom oder internationale Haftungsabkommen für grenzüberscheitende Atomunfälle, da diese nur unzureichende Deckungssummen vorsehen. Zudem sollte sich die Bundesregierung gegen Bestrebungen der Atomlobby wehren, ausländische Atomprojekte in Zukunft wieder durch deutsche Hermesbürgschaften zu finanzieren.

Redaktionelle Hinweise: Die Studie "Gesellschaftliche Kosten der Atomenergie - eine Zwischenbilanz" sowie weiteres Pressematerial hierzu finden Sie zum Download unter http://www.greenpeace-energy.de/presse.html .

Pressekontakt:

Christoph Rasch
Pressesprecher Greenpeace Energy eG
Telefon 040 / 808 110 658
Mobil: 0160 / 96970159
mailto:christoph.rasch@greenpeace-energy.de
http://www.greenpeace-energy.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/16698/4709000
OTS: Greenpeace Energy eG

Original-Content von: Greenpeace Energy eG, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

748389

weitere Artikel:
  • Begleitetes Fahren - über Grenzen hinweg / ADAC und niederländischer Automobilclub ANWB wollen wechselseitige Anerkennung der nationalen Regelungen München (ots) - Seit mehr als zehn Jahren ist das "Begleitete Fahren ab 17" in Deutschland erfolgreich etabliert. Damit wurde bundesweit eine Möglichkeit geschaffen, den Führerschein der Klassen B bereits mit 17 zu erwerben - unter der Auflage, bis zum 18. Geburtstag den Pkw nur in Begleitung einer in der Prüfbescheinigung namentlich eingetragenen Person zu führen. Eine weitere Einschränkung betrifft den Geltungsbereich. So dürfen die begleiteten jungen Fahranfänger mit der Prüfbescheinigung nur in Deutschland ein Auto führen. Im Ausland wird die mehr...

  • EU-Arzneimittelstrategie: ABDA fordert Kampf gegen Lieferengpässe, Zugang zu bezahlbaren Medikamenten und mehr Kompetenzen für Apotheken (FOTO) Brüssel/Berlin (ots) - Der Kampf gegen Lieferengpässe, der Zugang zu bezahlbaren Medikamenten und die Stärkung der Kompetenzen von Apotheken sind die zentralen Forderungen eines Positionspapiers, das die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände im Konsultationsprozess zur Europäischen Arzneimittelstrategie gegenüber der Europäischen Kommission abgegeben hat. "Liefer- und Versorgungsengpässe im Arzneimittelbereich sind leider keine isolierten Probleme einzelner Mitgliedstaaten, sondern betreffen viele Millionen Menschen in ganz Europa", mehr...

  • Rupprecht/Benning: Impulse für Nachhaltigkeit Berlin (ots) - Bildung, Forschung und Innovation sind der Schlüssel für eine stärkere nachhaltige Entwicklung Anlässlich der heutigen Nachhaltigkeitsdebatte im Deutschen Bundestag zu den Themen Bildung, Innovation und Digitalisierung erklären der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Rupprecht, und die zuständige Berichterstatterin Sybille Benning: Albert Rupprecht: "Bildung, Wissenschaft und Innovation sind die klaren Treiber einer nachhaltigen Entwicklung. Eine nachhaltige Politik stärkt das mehr...

  • Luczak/Steineke: Zukunftsweisende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes verabschiedet Berlin (ots) - Eigentümerrechte werden gestärkt und die Qualität der Verwaltung gesteigert Der Deutsche Bundestag wird heute voraussichtlich das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz beschließen. Damit wird das Wohnungseigentumsgesetz rund dreizehn Jahre nach der letzten Reform fit für die Zukunft gemacht. Dazu erklären der rechts- und verbraucherpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Jan-Marco Luczak, und der zuständige Berichterstatter Sebastian Steineke: Dr. Jan-Marco Luczak: "Mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes mehr...

  • Bayernpartei: Die Pippi-Langstrumpf-Rede der Frau von der Leyen München (ots) - In ihrer gestrigen Rede zur Lage der Union skizzierte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Vision von der Zukunft Europas. Wenn es danach geht, wird die EU unter anderem mehr als klimaneutral und extrem digital. Für Autos mit Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerke ist da natürlich kein Platz mehr. Nach Ansicht der Bayernpartei kann man über die Wünschbarkeit dieser Ziele sicher diskutieren, sie haben aber mit der Realität nichts zu tun. Denn "digitaler" wird Europa sicherlich nicht, wenn etwa europäische Bürokraten mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht