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Eine unverzeihliche offene Flanke/Nach dem Brand von Moria gibt es zu wenige Hilfen. Wir müssen sie aufnehmen, in anderen EU-Ländern, in Deutschland und auch in Bayern. Leitartikel von Jana Wolf

Geschrieben am 10-09-2020

Regensburg (ots) - Die Flammen von Moria haben nicht gewartet, bis die EU sich in der Migrationspolitik einig wird. Sie haben die traurigen Zustände in dem Flüchtlingslager plötzlich wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerissen. Dabei ist seit fünf Jahren klar, dass hier gehandelt werden muss, dass die EU dringend einen Kompromiss beim Umgang mit Flüchtlingen braucht. Europa hat in seinem Südosten eine unverzeihliche offene Flanke. Nun kam der Brand und hat das Lager auf der griechischen Insel Lesbos fast vollständig verwüstet. Die letzten dürftigen Unterkünfte und Zeltverschläge haben kleinere Feuer in der Nacht zum Donnerstag zerstört. Tausende Menschen, die schon zuvor unter menschenunwürdigen Zuständen lebten, sind nun obdachlos. Sie harren am Straßenrand, manche haben ihre letzten Habseligkeiten in Mülltonnen verpackt, machen sich wieder auf die Flucht mit unbekanntem Ziel. Im Angesicht dieser harten Realität steht außer Frage: Diese Menschen müssen schnell Schutz finden. Wir müssen sie aufnehmen, in anderen EU-Ländern, in Deutschland und auch in Bayern. Zeit für lange Verhandlungen ist jetzt nicht. Nun ist dieser Brand der vielleicht bitterste, aber bestimmt nicht der erste Einblick in das Leben in Moria und die EU-Migrationspolitik. Seit 2015 verschärft sich auf der Insel der Zustand mehr und mehr. Das Lager war eigentlich als Übergangslösung gedacht und für 2800 Menschen ausgelegt. Zuletzt waren rund 12 600 Flüchtlinge dort. Und mit ihnen die Perspektivlosigkeit, Gewalt vor allem gegen Frauen und Kinder, Wassermangel, Krankheiten. Seit einigen Tagen hat auch das Coronavirus das Lager heimgesucht und die Angst vor Infektionen entfacht. So ist die Lage in Moria. Und die Regierungsspitzen in Deutschland und der EU? Sie diskutieren. Nun gibt es Signale zur Hilfsbereitschaft - aber zu wenige und zu kleine konkrete Schritte. Einige Bundesländer und Kommunen haben die Bereitschaft signalisiert, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Bislang scheitert das an der Zustimmung des Bundes, der das O.K. zur Aufnahme geben muss. Genau diesen Umstand hat Markus Söder in Bayern dafür genutzt, ein freundliches Gesicht zu mimen, unter dem Strich aber maximal unverbindlich zu bleiben: Sollte die Bundesregierung entscheiden, Menschen aufzunehmen, werde Bayern sich beteiligen, schrieb der Ministerpräsident auf Twitter. Solche vagen Sätze helfen keinem weiter. Der Bund sollte die Angebote der aufnahmebereiten Länder jetzt annehmen und nicht weiter auf Zeit spielen. Gestern kündigten Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, 400 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen - verteilt auf alle willigen EU-Länder. 400 von 12 600 - diese Zahl ist ein schlechter Witz. Und sie ist Ausdruck davon, wie tiefe Spuren die politischen Verwerfungen von 2015 hinterlassen haben. Viele Tausende aus Moria bleiben weiter ohne Schutz und Obdach. Und Griechenland mit den Problemen weitgehend allein. Schon lange vor dem Brand gab es Hinweise auf illegale Pushbacks der griechischen Küstenwache, bei der Bootsflüchtlinge abgedrängt werden. Es ist zu erwarten, dass die Griechen weiter auf harte Abschreckung setzen, wenn die EU nun keine tatkräftige Hilfe bietet. Sollen europäische Solidarität und gemeinsame Werte nicht zu leeren Phrasen verkommen, braucht es jetzt Aktion. Hoffnungsvoller stimmen Signale aus der Zivilgesellschaft: Seit dem Brand gehen Menschen auf die Straße - in Berlin, Leipzig, Regensburg - und fordern, Migranten von den Ägäis-Inseln aufzunehmen. "Los geht's", sagt der Regensburger Michael Buschheuer, Gründer der Hilfsorganisationen Sea-Eye und Space-Eye. Diese Signale sind wichtig. Und gleichzeitig sind sie Ausdruck davon, dass die europäische Migrationspolitik hier bislang versagt hat. Die offene Flanke muss jetzt geschlossen werden, denn es brennt.

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