(Registrieren)

Ein "Offener Brief für den Kinderschutz" / Deutschlands Kinderschutz versagt / Der Deutsche Kinderverein e.V. fordert: Schluss mit der elternzentrierten Praxis im Kinderschutz

Geschrieben am 24-07-2020

Essen (ots) - Man könnte verzweifeln. Jeden Tag. Täglich sprechen uns viele Bürgerinnen und Bürger als Kinderschutzorganisation an. Sie sind entsetzt und verzweifelt über die Fälle in Lügde, Bergisch-Gladbach, Münster und über die enorm hohe Dunkelziffer der Fälle von Gewalt gegen Kinder. Was auf den Videos von Münster zu sehen sei, sei unvorstellbar sagte ein Ermittler der Kriminalpolizei auf einer Pressekonferenz zum Fall Münster. Doch die Gesellschaft muss sich damit auseinandersetzen. Sie darf nicht länger wegsehen, es ignorieren, leugnen oder gar bagatellisieren. Dennoch geht das Leugnen weiter. So verweigern beispielsweise selbst Fachleute des Jugendamtes Hameln-Pyrmont vor dem nordrheinwestfälischen Landtag die Aussage zum Fall Lügde.

Den Opfern und denen, die keine werden sollen, ist die Gesellschaft Antworten schuldig und konsequentes, rasches Handeln. Warum, werden sie sonst später fragen, habt ihr unsere Signale nicht gehört und gesehen? Warum wolltet ihr nicht wahrhaben, was mit uns passierte?

Der Kinderschutz in Deutschland versagt. Er repräsentiert nicht hinreichend die Kinder, die es zu schützen gilt, denn er hat vorwiegend die Eltern oder andere Personensorgeberechtigte im Blick. Der Fokus liegt derzeit auf den Erwachsenen. Der Fokus gehört aber auf die Kinder. Es geht jetzt darum, diesen Perspektivwechsel bewusst einzuleiten.

Kinderschutz muss weg vom elternzentrierten Handeln, hin zu einer Praxis, die einlöst, was der Begriff bedeutet: Kinder schützen. Derzeit werden Familien mit Millionen für "Hilfen zur Erziehung" überschüttet, etwa während Lebenskrisen der Eltern. Allzu oft wird das Kind dabei am Rand des Geschehens aus dem Blick verloren. So wie jene Kinder, die an Misshandlung oder Vernachlässigung sterben, obwohl dem Jugendamt eine Akte der Familie vorlag. Einige der Namen erlangten traurige Berühmtheit, zum Beispiel Kevin, 2 (Bremen, 2006), Lea-Sophie, 4 (Schwerin, 2008), Lara-Mia, 9 Monate (Hamburg, 2009), Zoe, 2 (Berlin, 2012) Chantal, 11 (Hamburg, 2012), Yagmur, 3 (Hamburg, 2013) und Alessio, 3 (Lenzkirch, 2015).

Zu oft wird übersehen, was der Fall ist: Kinder, die im eigenen Zuhause Durst und Hunger leiden, deren Körper von Hämatomen übersät sind, die in konstanter Angst leben vor Missbrauch und Misshandlung. Oft präsentieren sich in solchen Fällen die Eltern, Stiefeltern, Alleinerziehende und deren Partner dem Jugendamt gegenüber kooperativ. Ihre Notlage wird anerkannt, ihren Beteuerungen wird geglaubt. Doch sie sind oft auch Experten im Verstellen. Bei Jugendämtern und Gerichten gesteht man dysfunktionalen Personensorgeberechtigten gern "eine zweite Chance" zu. Im Fall Münster wie im Fall Staufen war dem Familiengericht bekannt, dass Mütter von Minderjährigen in Partnerschaft mit einem Pädokriminellen lebten. Geschützt wurden die betroffenen Grundschulkinder dennoch nicht.

Milde gegenüber Eltern, so der Kinder- und Jugendtherapeut Martin Janning, bedeutet in schweren Fällen von Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Gewalt Härte gegen die Kinder. Es wird Zeit, dass Familiengerichte Kinderschutz vor Elternrecht stellen, Zeit, dass an den Familiengerichten Kenntnisse zu Psyche und Entwicklung von Kindern die selbstverständliche Norm werden. Das gesellschaftliche Bewusstsein muss sich ändern, und damit die Praxis im Kinderschutz. Hört man nicht immer gebetsmühlenartig, dass Kinder unsere Zukunft sind? Nein, sind sie nicht! Wenn wir weiter so arrogant agieren, wenn wir ignorieren und nichts tun, verspielen wir die Zukunft unserer Kinder und ihren Schutz.

Man könnte verzweifeln. Jeden Tag.

Die Forderungen des Deutschen Kindervereins finden Sie auf der Webseite: http://www.deutscher-kinderverein.de

Pressekontakt:

Deutscher Kinderverein e.V.
Rainer Rettinger
T: 0201 47900520

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/115031/4660938
OTS: Deutscher Kinderverein e.V.

Original-Content von: Deutscher Kinderverein e.V., übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

742032

weitere Artikel:
  • Oberverwaltungsgericht Schleswig zur Sauberen Luft in Kiel: Luftfilteranlagen ungeeignet - Dieselfahrverboten in 2020 steht nichts mehr im Weg Berlin (ots) - Schriftliche Urteilsbegründung zum Klageerfolg der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Schleswig-Holstein fordert sofortiges Handeln zur Einhaltung des Grenzwerts für das Dieselabgasgift NO2 - Den von der Stadt Kiel geplanten Luftstaubsaugern attestiert das Gericht eine "grundsätzlich fehlende Eignung", angesetzte Minderungswirkung beruht "auf unrealistischen Annahmen" - DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert Umweltminister Jan-Philipp Albrecht auf, das Urteil zu respektieren und Dieselfahrverbote noch in diesem Sommer in mehr...

  • Röttgen warnt vor Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), hat im Streit um die Wiedereröffnung der Hagia Sophia als Moschee vor einem endgültigen Bruch der Europäischen Union mit der Türkei gewarnt. "Die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei liegen inzwischen vollständig und richtigerweise auf Eis. Aber wir würden einen schweren Fehler machen, der Türkei die Tür zur EU endgültig, das heißt für immer, zuzuschlagen", sagte Röttgen der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger" mehr...

  • Corona - Demokratie in Rheinland-Pfalz in Gefahr Mainz (ots) - Damit neue Parteien an demokratischen Wahlen in Rheinland-Pfalz flächendeckend mit Direktkandidaten teilnehmen können, müssen sie laut Landesgesetz 8.580 Formulare sammeln. Und dabei wird nicht nur eine Unterschrift verlangt, sondern der Unterschreibende muss in Rheinland-Pfalz wahlberechtigt sein und auf dem Formular seine kompletten Anschrift mit Geburtsdatum angeben. Dies sind Hürden, die gerade im Zeichen von Datenmissbrauch und digitaler Speicherungsmöglichkeiten absolut nicht mehr zeitgemäß sind. Natürlich muss diese undemokratische mehr...

  • Grüne kritisieren Aktionsplan von Scholz im Wirecard-Skandal als "Sammelsurium von Prüfaufträgen" Düsseldorf (ots) - Die Grünen haben den Aktionsplan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Verbesserung der Finanzaufsicht nach dem Wirecard-Skandal als unübersichtlich und verspätet kritisiert und weitere Schritte gefordert. "Es handelt sich um ein Sammelsurium von Prüfaufträgen. Scholz' Aktionismus darf jetzt nicht dazu führen, dass nur oberflächlich nachgebessert wird. Was wir jetzt brauchen, ist ein echter Neustart", sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). "Die Frage, mehr...

  • Leikert/Frei: Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch entschlossen vorantreiben / Impulse der EU-Kommission wichtig für die Verbesserung des Kinderschutzes in Europa Berlin (ots) - Die Europäische Kommission hat am heutigen Freitag im Rahmen ihrer Strategie für die Sicherheitsunion einen Aktionsplan für den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorgestellt. Dazu erklären die stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Katja Leikert und Thorsten Frei: Katja Leikert : "Wir möchten ein Europa, in dem das Wertvollste, was wir haben - unsere Kinder -, sicher und geschützt sind. Die heute von der EU-Kommission verabschiedete Strategie für den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht