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Weitsicht sieht anders aus / Die deutsche Pkw-Maut ist krachend gescheitert. Nun kommt Minister Scheuer mit EU-weiten Ideen ums Eck. In Berlin blitzt er damit ab.

Geschrieben am 23-07-2020

Regensburg (ots) - Vom Thema Pkw-Maut kann Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) offenbar nicht genug bekommen. Das ist bemerkenswert, schließlich war sein national angelegtes Prestigeprojekt vor dem Europäischen Gerichtshof krachend gescheitert. Der Grund: Es diskriminiere Autofahrer und -halter aus anderen EU-Ländern, urteilte der EuGH. Mit der Schlappe handelte sich Scheuer einen miesen Ruf sowie einen Untersuchungsausschuss ein, und - gravierender noch - den Steuerzahlern einem Gutachten zufolge einen 760-Millionen-Euro-Schaden. Davon unbeirrt nimmt Scheuer nun neuen Anlauf und kommt mit einem Vorschlag für eine EU-weit einheitliche Autobahngebühr ums Eck. Ganz nach dem Motto: Mund abwischen und weiter. Scheuers Hemdsärmeligkeit kommt in Berlin allerdings gar nicht gut an. Oppositionspolitiker sprechen von der "nächsten Nebelkerze", um vom "Versagen als Verkehrsminister abzulenken", und von einem "billigen Versuch". Nun mag es kaum verwundern, dass es vonseiten der Opposition Kritik hagelt. Erstaunlich aber ist, dass der Minister sogar bei seinen Kabinettskollegen mit harschen Worten abblitzt. Eine EU-weite Vignette führe in die falsche Richtung, heißt es aus dem Umweltministerium (BMU), und der Plan sei "überhaupt nicht sinnvoll". Der Hauptkritikpunkt ist, dass es zu einer Doppelbelastung für Autofahrer aus EU-Maut und CO2-Preis kommen kann. Schließlich hat die Bundesregierung eine Bepreisung des klimaschädlichen Treibhausgases im Verkehr bereits beschlossen. Ab 2021 werden Benzin und Diesel schrittweise verteuert. Obendrein hätte eine Vignette den Nachteil, wie eine "Flatrate" zu wirken, die Vielfahrer belohne und Wenigfahrer belastet, kritisiert ein BMU-Sprecher. Scheuers Vorstoß belastet also nicht nur die Stimmung im Kabinett, sondern auch den Geldbeutel von denjenigen, die die Autobahn möglichst meiden. Undurchdacht ist nicht nur das Konzept, sondern auch die flankierende Kommunikation. Bisher hat Scheuers Haus auf die berechtigten Bedenken keine Antwort. Stattdessen verweist das Verkehrsministerium (BMVI) darauf, nicht im Alleingang vorgeprescht zu sein. Mehrere EU-Länder hätten im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft Interesse an einer gemeinsamen Maut signalisiert. Ein pikantes Detail: Ein BMVI-Sprecher sprach zuerst großzügig von einem derartigen Wunsch von "allen EU-Mitgliedsstaaten", um sich wenig später zu korrigieren: "Nicht alle. Viele." Wie viele EU-Partner genau mitziehen würden, konnte das Ministerium allerdings nicht beantworten. All das spricht nicht für breite Rückendeckung, weder in Brüssel, noch in Berlin. Selbst in Bayern bröckelt der Rückhalt. Ministerpräsident Markus Söder findet den jüngsten Fehler bei der Novelle der Straßenverkehrsordnung "sehr, sehr ärgerlich". Für Raser sollten eigentlich höhere Strafen kommen, wegen eines Formfehlers greifen diese nicht. Dass sich Söders Ärger gegen den Vollstrecker der Novelle richtet, darf man annehmen. Auch in Regensburg wird dieser Tage nicht mit Kritik am BMVI gespart: Der Verkehr ist ein wunder Punkt in der boomenden Region. Leidige Engstellen wie der Pfaffensteiner Tunnel sind für Pendler und Wirtschaftstreibende besonders belastend. Beheben lassen sie sich aber nur, wenn der Bund beim Ausbau mit anpackt. Doch bisher ist - dem Vernehmen nach - das Gegenteil der Fall. Aus Ostbayerns Politik ist zu hören, das BMVI würde beim Ausbau eher blockieren als mitanschieben. Weitsichtige Verkehrspolitik sieht anders aus. Nun ist mit einem Ausbau der Straßen ganz bestimmt nicht jedes Mobilitätsproblem gelöst. Doch dort, wo es eng wird, Antworten einfach schuldig zu bleiben, wird den Herausforderungen nicht gerecht. Das gilt im Fall des Regensburger Tunnels ganz konkret - und übertragen auch beim neuen EU-Maut-Plan. Der Verkehrsminister bestätigt gerade die schon lange bestehende Kritik.

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