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So ist keine Debatte möglich Wir erleben Gewalt von und gegen Polizisten - und die politische und mediale Öffentlichkeit beißt sich an einer missratenen Kolumne fest. Von Jana Wolf

Geschrieben am 23-06-2020

Regensburg (ots) - Die Nerven liegen blank, auf allen Seiten. Im konservativen wie im linken politischen Lager, im Innenministerium wie in der "taz"-Redaktion, von Stuttgart bis Berlin. Auslöser für den jüngsten Aufruhr ist die vor gut einer Woche erschienene Kolumne in der linken "taz" aus Berlin, in der die Autorin Hengameh Yaghoobifarah die deutschen Polizisten allesamt auf die Mülldeponie verbannen will. Es ist ein satirischer Text - und er ist fürchterlich schlecht. Mit keinem Menschen, unabhängig vom Berufsstand, sollte man so umspringen, auch nicht in einer Kolumne. Fürchterlich schlecht ist aber auch die Reaktion von Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister kündigte am Sonntag an, Strafanzeige gegen die Kolumnistin stellen zu wollen. Es ist ein starkes Stück von einem hohen Regierungsvertreter, juristisch gegen eine Journalistin vorgehen zu wollen, deren Meinung ihm missfällt. Noch dazu machte er seine Ankündigung ausgerechnet in der "Bild", die nicht gerade als integeres Medium bekannt ist. So sollte der Verfassungsminister nicht mit der Pressefreiheit umgehen. Beide Seiten schlagen nervös um sich, ohne die Folgen des eigenen Handelns zu bedenken. Was zu kurz kommt, ist eine vernünftige Debatte über die dahinterliegenden Missstände. Sie würde nottun. Es lohnt sich, in Erinnerung zu rufen, woher wir in der Debatte kommen. Es fing an am 25. Mai mit dem gewaltsamen Tod George Floyds in den USA, der auch hierzulande eine Diskussion über Rassismus und die Rolle der Polizei in Gang brachte. In diesem Kontext steht die "taz"-Kolumne und sie ist wahrlich kein konstruktiver Beitrag. Anstatt handfeste Argumente zu suchen - und natürlich sind auch satirische erlaubt, - ergeht sich der Text in einem billigen Hau-drauf-Duktus gegenüber Polizisten. Das taugt, wenn überhaupt, noch für einen Lacher im linken Lager. Für die Verunglimpften aber ist es herabwürdigend und für die Diskussion nutzlos. Am vergangenen Samstag, fünf Tage nach Erscheinen des Textes, kommt es in Stuttgart zu gewaltvollen Randalen gegen die Polizei. 19 verletzte Beamte, viel zerschlagenes Glas und geplünderte Läden - das ist die Bilanz der hässlichen Krawalle. Doch anstatt etwas Konstruktives zur Aufarbeitung des sinnlosen Wütens beizutragen, startet Seehofer seinerseits eine Attacke gegen eine linke Journalistin. Das mag als Null-Toleranz-Signal an das konservative Lager gemeint gewesen sein. Für einen Innenminister aber ist es ziemlich schwach und für die Diskussion ebenfalls nutzlos. Wir erleben unverzeihliche Gewalt von und gegen Polizisten - und die politische und mediale Öffentlichkeit beißt sich an einer missratenen Kolumne fest. Ernsthaft? Hier ist ordentlich etwas in Schieflage geraten. Nun gibt es unterschiedliche Wege, mit dem Schlamassel umzugehen. "taz"-Chefredakteurin Barbara Junge hat schon am Samstag ihr Bedauern geäußert. Die Kolumne sei "daneben gegangen". Das tue ihr leid, schrieb sie, und kündigte zugleich eine redaktionsinterne, aber offen geführte Debatte über den umstrittenen Text an. Seitdem werden kritische und konträre Texte zum Thema veröffentlicht. Das ist doch schon mal ein guter Anfang. Seehofer dagegen hat sich noch nicht bewegt. Während er sich am Sonntag noch fest entschlossen zeigte, die Strafanzeige zu stellen, ist das mittlerweile (Stand Dienstagnachmittag) nicht mehr so klar. Wie brisant die Angelegenheit ist, zeigt auch das Mitwirken der Kanzlerin. Merkel stehe in "vertraulichen Gesprächen" mit Seehofer, hieß es am Montag. In der aufgeheizten Lage soll nicht der Eindruck entstehen, die Bundesregierung rüttle an der Pressefreiheit. Meint sie es ernst damit, muss Seehofer von seinem strafrechtlichen Vorhaben ablassen. Das würde freilich nach einem Einknicken des Ministers aussehen, gerade vor seinen Polizisten. Wie man es dreht und wendet: Ein Schaden ist es schon jetzt.

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