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Grundrenten-Streit ist blanker Hohn / Die Grundrente wird nicht alle Defizite unseres Rentensystems lösen. Kommen muss sie trotzdem.

Geschrieben am 17-05-2020

Regensburg (ots) - Wie müssen sich die politischen Streitereien über die Grundrente in den Ohren einer Kassiererin anhören, die ihr Leben lang zu geringem Lohn gearbeitet, nebenher zwei Kinder groß gezogen hat und nun einer klapperdürren Rente im Alter entgegensieht? Was denkt ein Lagerist, der mehr als drei Jahrzehnte in die Rentenkasse eingezahlt hat und trotzdem im Alter finanziell nicht über die Runde zu kommen droht, wenn er nun den Polit-Granden in Berlin dabei zuhört, wie sich sich wegen bürokratischer Fragen wieder einmal in die Haare kriegen? Am Freitag ging das Grundrenten-Gesetz im Bundestag in die erste Lesung - und mit ihm der Koalitionskonflikt über die praktische Abwicklung und die Finanzierung in eine neue Runde. Für Menschen, die auf den Alterszuschlag hoffen, weil sie ihn schlichtweg brauchen, muss die nicht enden wollende Debatte wie blanker Hohn klingen. Ja, die Grundrente ist verwaltungstechnisch ein komplexes Konstrukt, und ja, die Staatskassen sind durch die Krise stark strapaziert. Aber: Wo politischer Wille ist, ist auch ein Weg. Den Willen muss man voraussetzen dürfen. Warum sonst hätten die Regierungsparteien die Grundrente in den Koalitionsvertrag geschrieben? Doch an ihrer Umsetzung hapert es noch immer, obwohl sie seit mittlerweile stolzen zehn Jahren im Gespräch ist. Das ist allerhand. An der Notwendigkeit des Rentenzuschlags hat sich bis heute nichts geändert: Wer jahrzehntelang gearbeitet und in die Rentenkassen eingezahlt hat, soll im Alter mehr rausbekommen als jemand, der nie gearbeitet hat. Gleichzeitig sorgt die Einkommensanrechnung dafür, dass nur der die Grundrente bekommt, der einen Bedarf hat. Rund 1,3 Millionen Menschen sollen ab 2021 profitieren. Die Grundrente ist eine Frage der Gerechtigkeit. Streitpunkt Einkommensprüfung: Lange entzweite die Koalition die Frage der Bedürftigkeitsprüfung. Nach zähen Verhandlungen ist mit der Einkommensanrechnung endlich ein Kompromiss gefunden - und jetzt soll es an deren Umsetzung scheitern? Das darf nicht sein. Der notwendige Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzamt mag für die Verwaltung kompliziert sein. Doch dass die Verantwortlichen es trotz des langen zeitlichen Vorlaufs versäumt haben, bis heute eine praktikable Lösungen zu finden, darf am Ende nicht zu Lasten der Rentenempfänger gehen. Streitpunkt Finanzierung: In der Corona-Krise werden großen Unternehmen mit Hunderten Milliarden Euro gestützt. "Und dann kommt jemand daher und sagt: ,Die Grundrente, die knapp über eine Milliarde kostet, können wir aber nicht bezahlen. So jemand gehört eigentlich ausgebuht." Dieser Satz von Finanzminister Olaf Scholz hallt nach und er hat Recht damit. Streitpunkt Generationengerechtigkeit: Natürlich müssen die Jüngeren die Renten der Älteren finanzieren - das gilt unabhängig von der Grundrente. Die durch sie entstehende Mehrbelastung ist aber marginal. Dass unser Rentensystem generell nicht ausreichend für die Alterung der Gesellschaft gewappnet ist, ist eine andere Baustelle. Auch wird Grundrente die wachsende Altersarmut nicht abfedern. Doch weder für das Armuts- noch für Generationenproblem ist dieser Zuschlag konstruiert. Die Grundrente ist kein Allheilmittel und wird nicht alle Lücken unseres Rentensystems kitten. Die SPD tut daher gut daran, sie nicht als allumfassende Reform hochzujubeln. Das weckt Erwartungen, die der Zuschlag am Ende nicht erfüllen kann. Umgekehrt gilt für die Kritiker, dass sie nicht jedes Defizit des Rentensystems mit der Grundrente verknüpfen sollten. Das Gesetz hat ein klar umrissenes Ziel: Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, gebührenden Respekt zu erweisen. Genau dafür ist die Grundrente da - dafür sollte sie schnell kommen.

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