(Registrieren)

WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): CDU-Mittelstandschef Linnemann warnt vor "Abdriften in die Staatswirtschaft" - Zuschüsse für besonders gebeutelte Branchen geplant - Kritik an Kanzlerin Merkel

Geschrieben am 09-05-2020

Bielefeld (ots) - Der Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) lehnt in der Corona-Krise eine Aktienbeteiligung des Bundes an der Lufthansa ab und warnt vor einem Sündenfall: "Ich halte das derzeit für das gefährlichste Projekt, über das wir reden. Denn es geht um die zentrale Frage, ob wir unsere Zukunft weiter mit der Sozialen Marktwirtschaft gewinnen wollen oder in die Staatswirtschaft abdriften", sagte der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung dem in Bielefeld erscheinenden WESTFALEN-BLATT (Samtagausgabe). "Wenn wir jetzt diesen Präzedenzfall schaffen, operativ und strategisch eingreifen, dann werden weitere Unternehmen folgen. Und dann entfernen wir uns immer mehr von unserer Sozialen Marktwirtschaft, die uns in den vergangenen 70 Jahren Wohlstand geschenkt hat."

Linnemann hält eine milliardenschwere Staatshilfe für die infolge der Corona-Pandemie schwer gebeutelte Fluggesellschaft in Form einer stillen Beteiligung für die bessere Option. "Ich bin der Meinung, dass wir am möglichen Erfolg der Lufthansa in den nächsten Jahren finanziell partizipieren müssen, wenn wir den Konzern jetzt stützen. Aber wir dürfen nicht die Kontrolle übernehmen, indem wir jetzt beispielsweise ein großes Aktienpaket kaufen. Die Entscheidung etwa über Flugrouten und Flugpläne muss die Lufthansa treffen und nicht die Politik." Es gebe in der Debatte aber Strömungen, die ihm Sorge bereiteten: "Ich merke jedenfalls, wie einige in der Politik richtig Spaß am Gedanken haben, dass der Staat die Lufthansa künftig operativ und strategisch lenken könnte."

Zugleich warnt Linnemann vor verfrühten Konjunkturpaketen. "Ich halte es für falsch, heute über eine Abwrackprämie zu reden, die 2009 nach der Finanzkrise nur ein Strohfeuer war. Und ich halte es auch für falsch, dass für die Gastronomie bereits die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf 7 Prozent beschlossen worden ist. Wir können über alle Wünsche diskutieren, wenn wir wieder Licht am Ende des Tunnels sehen und wenn die Menschen wieder Vertrauen und Konsumfreude gewinnen. Aber wenn die Leute gar nicht erst in die Stadt gehen, dann geben sie dieses Geld gar nicht erst aus", sagt Linnemann. "Die aktuelle Passantenfrequenz in den deutschen Innenstädten liegt bei unter 40 Prozent des Jahresdurchschnittswerts von 2019."

In der aktuellen Lage sei es "viel zielführender, jetzt darüber zu reden, wie wir Liquidität in den Unternehmen stärken, wie wir die Insolvenzordnung so ändern können, dass es faktisch ein Moratorium für Firmen gibt, die aktuell nicht mehr können, aber unter veränderten Bedingungen wieder den Neustart schaffen können." Zudem müsse es Hilfen für Branchen vom Tourismus bis zu den Schaustellern geben, die von der Corona-Krise besonders betroffen seien. Ein entsprechendes Programm werde Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kommende Woche vorstellen. "Wir wollen branchenübergreifend eine Lösung finden gerade für jene Firmen, die jetzt bei laufenden Kosten gar keine oder nur geringe Umsätze machen und für die wir faktisch ein Berufsverbot ausgesprochen haben. Sie sollen Zuschüsse bekommen."

Das Krisenmanagement der Bundesregierung bewertet Linnemann "im Großen und Ganzen als gut. Nur was die Lockerungen angeht, hätte ich mir schon vor Wochen mehr Mut zu einer offenen Debatte gewünscht. Das hätte für mehr Vertrauen bei den Bürgern gesorgt." In diesem Punkt kritisiert der CDU-Politiker insbesondere Angela Merkel. "Ich habe von Anfang an nicht die Meinung der Bundeskanzlerin geteilt, dass eine Debatte über Öffnungen dazu führt, dass die Menschen undisziplinierter werden - im Gegenteil. Diese Debatte hätte aus meiner Sicht zu Vertrauen auf beiden Seiten geführt", stellt Linnemann fest. Er hätte sich "mehr Zutrauen gewünscht. Die Menschen verhalten sich sehr anständig."

Die Warnungen vor einem zweiten Lockdown sieht Linnemann kritisch: "Dass der ein oder andere mit dieser abstrakten Drohung versucht, die Debatte über Öffnungen im Keim zu ersticken, ärgert mich." Dabei komme es in dieser schwierigen Situation darauf an, dass Bürger und Unternehmen "Luft holen, neuen Mut schöpfen und wieder nach vorne gehen können".

Linnemann sieht in der Corona-Krise den Gründer- und Unternehmergeist sowie den Mittelstand bedroht. "Wenn wir die Krise jetzt falsch meistern, und viele dann sagen, dass sie unter diesen Bedingungen keine eigene Firma führen wollen, dann ist das auch eine große Gefahr für Deutschlands Zukunft", sagt er. "Unser Wohlstand basiert auf diesem Mittelstand. Deshalb müssen wir den Firmen jetzt eine Brücke bauen, über die sie aus der Krise herausgehen können."

"Der ökonomische Druck ist groß. Aber Wirtschaft und Gesundheit darf man nicht gegeneinander ausspielen", betont Linnemann. Die Kosten seien enorm: "Ökonomisch ist es so, dass das Geld der Bundesagentur für Arbeit höchstens für dieses Jahr noch reicht. Die Rentenkassen sind leer, der Gesundheitsfonds schmilzt dahin", erklärt der Bundestagsabgeordnete. "Wir sind also an dem Punkt, an dem wir nicht mehr die Bazooka nehmen können, sondern zielorientiert Wirtschaftspolitik betreiben müssen."

Zum Duell der möglichen Unions-Kanzlerkandidaten Laschet und Söder in der Corona-Krise sagt Linnemann dem WESTFALEN-BLATT: "Ganz ehrlich: Auch im Hintergrund interessiert sich gerade niemand für diese Frage. Wir haben mit der Corona-Krise derzeit alle Hände voll zu tun. Und auch der CDU-Parteitag ist in dieser Situation noch sehr weit weg."

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/66306/4592690
OTS: Westfalen-Blatt

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

732422

weitere Artikel:
  • Die Krise ist nur als europäische Gemeinschaft zu meistern! Berlin (ots) - Anlässlich des "Europatages" erklärt SoVD-Präsident Adolf Bauer: "Am 9. Mai vor 70 Jahren hielt der damalige französische Außenminister Robert Schuman in Paris eine wegweisende Rede. Darin stellte er seine Idee einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in Europa vor - die Schaffung einer überstaatlichen Institution in der Kohle- und Stahlproduktion. 1951, nur ein knappes Jahr später, wurde sein Vorschlag Realität. Schumanns Aufforderung gilt deshalb als Grundstein der heutigen Europäischen Union - einer Gemeinschaft, die Kriege mehr...

  • Sigmar Gabriel: SPD verspielt mit der Infragestellung der nuklearen Teilhabe Vertrauen in ihre Regierungsfähigkeit Berlin (ots) - Der ehemalige Vorsitzende der SPD, Außenminister a.D. und Vorsitzende der Atlantikbrücke, Sigmar Gabriel, warnt seine eigene Partei, sie verspiele das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, wenn sie die Stationierung amerikanischer Nuklearwaffen in Deutschland in Frage stelle. Auch das Vertrauen der europäischen Nachbarn und der Nato-Verbündeten stehe auf dem Spiel, schreibt Gabriel in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel (Samstagsausgabe) Der ehemalige Außenminister reagiert damit auf eine Forderung des SPD-Fraktionsvorsitzenden mehr...

  • RTL/ntv-Trendbarometer / Forsa-Aktuell: Union 40, SPD und Grüne jeweils 15 Prozent - Grüne in der jüngsten Wählergruppe auf Platz 1 Köln (ots) - Union plus zwei, SPD minus zwei Prozentpunkte Zum ersten Mal seit dem August 2017 erreicht die CDU/CSU im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer wieder 40 Prozent (ein Plus von zwei Prozentpunkten gegenüber der Vorwoche). Die SPD verliert zwei Prozentpunkte, die Grünen können einen Prozentpunkt hinzugewinnen. Beide liegen jetzt gleichauf bei 15 Prozent. Die Linke verliert einen Prozentpunkt, FDP und AfD bleiben unverändert. Auch in dieser Woche könnte die Union sowohl mit der SPD als auch mit den Grünen mit zusammen jeweils 55 Prozent mehr...

  • Grüne fordern klares Corona-Testkonzept Berlin (ots) - Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt will definieren lassen, wann wer auf das Coronavirus getestet werden muss. Sie fordert ein transparenteres, bundesweit einheitliches Konzept für Coronatests. Dem "Tagesspiegel am Sonntag" sagte die Chefin der Bundestagsfraktion: "Wir schlagen vor, dass das Robert-Koch-Institut, das RKI, fünf Corona-Warnstufen mit entsprechend verbindlichen Testpflichten definiert. Die höchste Stufe bedeutet: Hotspot, die niedrigste Stufe: so gut wie keine Fälle. Je mehr Fälle es in einer Region gibt, desto mehr...

  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eigene Konjunkturprogramme für Kulturszene und Gastgewerbe Berlin (ots) - Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD will weiter starke Konjunkturimpulse durch Förderprogramme setzen. Im Interview mit dem "Tagesspiegel" kündigte er drei spezifische Konjunkturpakete an: "Kunst und Kultur brauchen unbedingt ein eigenes Konjunkturprogramm, wir wollen den Kulturschaffenden massiv helfen", betonte der Vizekanzler. Außerdem kündigte Scholz an: "Wir müssen auch etwas tun für das Hotel- und Gaststättengewerbe, das schwer gebeutelt ist. Drittens bräuchten auch die Kommunen massive Unterstützung, sagte Scholz. "Wenn mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht