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Föderale Ausscherereien Beim Exit aus den Corona-Restriktionen weichen immer mehr Ministerpräsidenten von der gemeinsamen Bund-Länder-Strategie ab. Das stiftet Verwirrung. Von Jana Wolf

Geschrieben am 05-05-2020

Regensburg (ots) - In der Corona-Krise wird gepuzzelt, was das Zeug hält. So viel, dass viele Puzzles schon ausverkauft sind, wie ein einschlägiger südwestdeutscher Spielehersteller nun bekannt gab. Offenbar entdecken viele Menschen in dieser Zeit den positiven Effekt dieses Geduldspiels: Es beruhigt das aufgewühlte Gemüt, wenn sich die Teilchen ineinander fügen, sich Stück für Stück ein klares Bild abzeichnet und zum Schluss ein einheitliches Ganzes steht. Auch in der Politik wird gerade gepuzzelt. Doch die Regierungschefs der 16 Bundesländer haben offensichtlich das Spiel falsch verstanden. Anstatt beim Exit aus den Corona-Restriktionen an einem gemeinsamen Ganzen zu bauen, weichen immer mehr Ministerpräsidenten von der Bund-Länder-Linie ab. Anstatt sich in Geduld zu üben und die für heute vereinbarten Beratungen mit der Bundeskanzlerin abzuwarten, haben viele Länderchefs ihrer Ungeduld freien Lauf gelassen und schon kurz vor dem Termin Lockerungen zugelassen. Anstatt ein einheitliches Bild abzugeben, spielen die föderalen Teile wild durcheinander. Man fragt sich verwundert, warum die Ministerpräsidentenkonferenz überhaupt noch stattfindet. Wozu dienen die Beratungen, wenn hinterher jeder macht, was er will? Für klare Verhältnisse im Land sorgen die vielen Ausreißer bestimmt nicht. Im Gegenteil, sie stiften Verwirrung. Noch am Montag versuchte Steffen Seibert nach Kräften, die Alleingänge der Länder kleinzureden und den Eindruck zu vermeiden, die einheitliche Bund-Länder-Strategie gerate aus den Fugen. Der Regierungssprecher beschwor den "gemeinsamen Pfad", sprach von "regionalen, lokalen Nuancen" und "Akzenten", in den die Länder selbstverständlich abweichen könnten. Doch was in den vergangenen Tagen zu beobachten war, hat mit fein nuancierten Unterschieden nicht viel zu tun. Das bundesweit abgestimmte Vorgehen ist passé. Sachsen-Anhalt lockert die wichtigen Kontaktbeschränkungen, das Kernelement aller Anti-Corona-Maßnahmen, und erlaubt in der Öffentlichkeit wieder größere Gruppen. Niedersachsen will die Gastronomie schon ab kommenden Montag schrittweise wieder hochfahren, obwohl die Kanzlerin erst am 13. Mai über diesen Bereich beraten wollte. Mecklenburg-Vorpommern will zu Pfingsten wieder Touristen einreisen lassen. Und Bayern legte gestern eine "atmende Strategie" vor, wie Markus Söder seinen vorsichtigen Lockerungsfahrplan nennt. Es sei ein "Pfad der Vernunft, eine Öffnung mit Umsicht", sagte der Ministerpräsident bei der Vorstellung. Doch einen vernünftigen, umsichtigen Plan zu haben, das werden alle 16 Länder für sich beanspruchen. Die Vernunft, so scheint es, ist zur föderalen Auslegungssache geworden. Der Plan der Kanzlerin, sich bundesweit eng abzustimmen, ist damit Makulatur. Rein rechtlich haben die Bundesländer nichts falsch gemacht. Die konkreten Beschlüsse, was wann und in welchem Umfang geöffnet wird, treffen die jeweiligen Landeskabinette. Es macht auch durchaus Sinn, die Lockerungen regional anzupassen. Denn während Mecklenburg-Vorpommern nur niedrige einstellige Zahlen von täglichen Neuinfektionen zählt, liegen die Werte in Bayern meist noch im dreistelligen Bereich. Doch auch wenn es gute Gründe für regionalisierte Strategien gibt: Was wäre dabei gewesen, die heutige Bund-Länder-Beratung noch abzuwarten? Das voreilige Vorpreschen hat für die Länder keinen nennenswerten Vorteil gebracht. Für das Vertrauen in die Funktionsweise des Föderalismus ist es allerdings ein erheblicher Schaden. Und noch dazu ein offener Affront gegen die Kanzlerin. Spiele funktionieren nur, wenn man sich an Regeln hält. Das weiß jedes Kind. Auch beim Puzzeln: Wer die Teile zerbricht, anstatt sie zusammenzufügen, wird zu keinem guten Ergebnis kommen. Viele Länderchefs haben das offenbar nicht verstanden.

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