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Nur nicht in meinem Hinterhof / Beim Ausbau der Windkraft hat die Politik die Bürger zu wenig beteiligt und ist dann vor Protesten eingeknickt. Von Katharina Kellner

Geschrieben am 13-01-2020

Regensburg (ots) - Wer derzeit auf die Energiepolitik schaut, sieht auf den
ersten Blick nur Verhinderung: "Not in my backyard" - "Nicht in meinem
Hinterhof", rufen viele, die kein Windrad vor der Haustür haben wollen. Auch
gegen den Bau der Stromtrasse Südostlink gibt es massive Proteste von
Betroffenen. Auf den zweiten Blick liegt der Fall hier aber anders: Hätte die
Politik wegen der Widerstände bei der Windenergie nicht so schnell resigniert,
hätte sie Privatleute entschieden dabei unterstützt, ihre eigenen
Photovoltaikanlagen zu betreiben - es wäre wohl nicht nötig gewesen, eine dicke
Schneise quer durch die Oberpfalz zu schlagen und die Erde aufzureißen. Ein
entschlossener Ausbau der erneuerbaren Energien würde die Erdkabel, die Strom
aus anderen Teilen Deutschlands zu uns bringen sollen, überflüssig machen.
Natürlich geht es auch den meisten Trassengegnern in erster Linie darum, dass
ihr eigenes Grundstück keine Wertminderung erfährt und die Landschaft vor ihrer
Haustür nicht verschandelt wird. Doch die Bürger sind auch wütend, weil sie
sehen, dass in der Energiepolitik insgesamt die Marschrichtung nicht stimmt.
Hierbei haben sie namhafte Wissenschaftler an ihrer Seite, die ihre Thesen
bestätigen. Diese lauten: Die Trasse bremst eine dezentrale Energiewende.
Letztere käme nicht den großen Netzbetreibern, sondern den Bürgern zugute. Die
Stromtrassen sind nur deshalb so unverzichtbar für die Politik, weil diese an
einem alten System festhält. Dieses System rechnet immer noch mit Strom aus Atom
und Kohle statt mit dem Ziel, so schnell wie möglich auf 100 Prozent erneuerbare
Energien umzustellen, Gaskraftwerke für Engpässe vorzuhalten und innovative
Speichertechnologien voranzubringen. Zwar hat sich seit Fukushima, dem extrem
trockenen Sommer 2018 und den alarmierenden Prognosen der Klimaforscher
allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass in der Energiepolitik etwas
passieren muss. Doch das Umdenken der Regierungen in Bund und Ländern geht zu
langsam. Noch immer werden regionale Potenziale nicht wirklich genutzt und
falsche Anreize gesetzt. Der Südostlink ist Teil eines Systems, das auf Atom und
Kohle beharrt und in dem es Netzbetreibern gestattet wird, hohe Renditen
abzuschöpfen. Diesen Zusammenhang hat Energieökonomin Prof. Claudia Kemfert klar
benannt. Trassengegner verweisen zurecht darauf, dass die Pläne für die
Stromtrassen auf überholten Annahmen und Berechnungen basieren. So wurden sie
vor dem Pariser Abkommen festgezurrt, in dem sich 2015 viele Staaten zu
effizienterem Klimaschutz verpflichtet haben. Der Ausbau der Windkraft wird
falsch angegangen: Vielerorts verdienen nicht die Bürger am Windrad vor ihrer
Haustür, sondern überregionale Investoren. Kein Wunder, dass die Akzeptanz
gering ist. Um unabhängig von Konzernen zu sein, sind
Bürgerenergiegenossenschaften eine gute Alternative. Als Voraussetzung dafür,
die Windkraft in Bayern von den Toten aufzuwecken, muss die 10-H-Abstandsregel
schnellstens weg. Es kann nicht sein, dass die CSU an diesem Unsinn festhält,
nur um Horst Seehofer nicht zu düpieren, der die Regel einst einführte. Das
zweite wichtige Standbein für eine gelungene Energiewende sind
Photovoltaikanlagen. In den Jahren 2011 und 2012 hatte ein Boom eingesetzt: Das
Erneuerbare-Energien-Gesetz schuf die Voraussetzung dafür, dass Landwirte und
Privatleute mit ihren Dachflächen gutes Geld verdienen konnten. Doch die große
Koalition kürzte ab 2013 die Einspeisevergütung und bremste so die
Investitionslust. Sollte die Deckelung nun tatsächlich fallen, lässt sich bei
der Solarenergie beträchtliches Potenzial finden. Die nächsten Monate werden
zeigen, inwieweit die Politik auf die Einwände der Trassengegner eingeht. Ein
zweites "Wackersdorf", wie es sich mancher erhofft, wird es voraussichtlich aber
nicht geben.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4490952
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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