(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Die Eltern sind gefragt / Leitartikel von Birgitta Stauber zu den Verhaltensauffälligkeiten bei Schulkindern

Geschrieben am 21-11-2019

Berlin (ots) - So viele Depressionen, so viele Essstörungen, Angstzustände, dazu
ein gestörtes Verhältnis zum Körper: Was fehlt Kindern und Jugendlichen heute
bloß in dieser Wohlstandsgesellschaft, und wie können wir ihnen helfen?

Mag sein, dass sich die wachsende Zahl psychisch kranker Kinder damit erklären
lässt, dass Eltern wie Lehrer viel früher reagieren. Mag sein, dass es in
früheren Zeiten hinsichtlich der seelischen Gesundheit Heranwachsender weniger
Sensibilität gab. Doch wenn tatsächlich jedes vierte Schulkind Auffälligkeiten
zeigt, dann kommt eine unfassbar hohe Zahl an Jungen und Mädchen nicht mit sich
und der Gesellschaft klar. Wenn dann noch, wie die Kinder- und Jugendärzte
mutmaßen, eine erhebliche Dunkelziffer hinzukommt, ist das tatsächlich ein
äußerst verstörender Zustand einer Generation. Das lässt sich nicht mehr abtun
mit Sprüchen wie: Früher hatten wir auch viele verzweifelte Kinder in der
Klasse.

Bei der Frage nach den Ursachen ist man schnell bei den sozialen Netzwerken und
dem öffentlichen Druck, der durch Instagram und Co. aufgebaut wird. Aufmerksame
Eltern kennen das: Wenn jugendliche Mädchen sich selbst fotografieren für ein
erfolgreiches Selfie, verziehen sie gern ihren Mund zum sogenannten Duckface,
einer Schnute, die dem Gesicht einen leicht lasziven Touch gibt. Als weniger
albern, aber umso sexyer gilt das "Fish Gape", bei dem der Mund wie ein offenes
Fischmaul inszeniert wird. Wird dann noch die richtige Barbie-Pose eingenommen,
dann gibt es in der Community eine "Eins" für die Selbstinszenierung.

Dabei gilt: Je näher dran am Influencer-Vorbild man ist, desto besser für die
Likes und Shares. Und die sind die Währung, um die es geht. Doch welcher Körper
ist so makellos, dass er dem (öffentlichen) Vergleich standhält?

Das ganze Prozedere ist eben anders als früher, als wir experimentierten mit
Blondierungen, megakurzen Rüschen-Röckchen und dem allzu sorglosen Griff in die
Lidschatten-Dose. Die meisten von uns waren nicht in der Lage, die Versuche der
Selbstinszenierung einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Heute
hingegen wird die Suche nach einer positiven Bewertung schnell zum größten
Problem. Auch wenn Schulen eine Menge mit Aufklärungsaktionen tun und
Sozialarbeiter einbinden: Hier ist die kleinste Keimzelle der Gesellschaft
gefragt - die Familie. Und da ist eben vieles im Fluss: Vater wie Mutter werden
heutzutage voll und ganz vom Beruf in Beschlag genommen, Kinder sind vollkommen
beschäftigt mit Ganztagsschule und dem sonstigen Programm.

Ganz abgesehen von sich auflösenden und sich neu formierenden Familien, in denen
sich jedes Mitglied erst mal neu finden muss. Wer hat da abends noch Kraft, den
Lieferando- und Netflix-Verlockungen zu widerstehen, selbst zu kochen und beim
Essen Grundsatzdiskussionen über offene Profile zu führen oder den überdrehten
Teenager aufzufangen? Ihm zu helfen, dem Gruppendruck zu widerstehen und eine
Haltung zu finden, etwa zu Mobbing, Diskriminierung (auch, um etwa dem Hass auf
den eigenen Körper etwas entgegenzusetzen) und Gewalt?

Wer schafft es, den Nachwuchs (und dessen Freunde) nach draußen zum
Fußballspielen zu schicken und so lange die Smartphones einzukassieren? Vor
lauter Erschöpfung lebt die Familie mitunter wie eine Wohngemeinschaft, über der
sich eine wabernde Gleichgültigkeit breitgemacht hat, nach dem Motto: Sollen
doch die Schulen den Kampf führen. Der Teenager wird sich schon wieder
einkriegen. Die Wahrheit ist: Er kriegt sich eben viel zu oft nicht ein.

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/53614/4446752
OTS: BERLINER MORGENPOST

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

711615

weitere Artikel:
  • BERLINER MORGENPOST: Bezirke stellen sich quer / Kommentar von Christine Richter zum Mietendeckel Berlin (ots) - Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das geplante Gesetz zum Mietendeckel großer Murks ist, dann haben ihn die zwölf Bezirksbürgermeister am Donnerstag geliefert: Sie wollen die Verantwortung für die vielfältigen Aufgaben, die mit dem Mietendeckel verbunden sind, nicht übernehmen, sondern beschlossen, dass der Senat in der Pflicht ist. Zentral also, nicht dezentral soll die Umsetzung des Mietendeckels kontrolliert werden, so der Rat der Bürgermeister nach einer hitzigen Debatte. Mit Verlaub: Jeder, der für mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Fallstricke für die Führung der zerrissenen CDU (Leitartikel von Olaf Kupfer) Düsseldorf (ots) - Die umstrittene Frauenquote für Ämter in der CDU kommt gegen den Willen der Frauen-Union beim Bundesparteitag in Leipzig erst gar nicht auf den Tisch. Ihr sicheres Scheitern wäre Affront gegen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Das chinesische Unternehmen Huawei soll nach dem Willen einer inzwischen großen Allianz von CDU-Politikern von der 5G-Vergabe ausgeschlossen werden - ganz anders, als Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier das wollen. Und die gerade erst mit der SPD in der Regierung mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum CDU-Parteitag Bielefeld (ots) - Eine parteiinterne Revolte ist nicht zu erwarten. Vom Parteitag der CDU in Leipzig an diesem Wochenende wird kein Sturm der Entrüstung der Kritiker ausgehen. Wenn überhaupt ist mit einem Sturm im Wasserglas zu rechnen. Trotz aller Differenzen innerhalb der Christdemokraten scheinen sich alle einig zu sein: Vom Parteitag muss ein Signal der Geschlossenheit und Entschlossenheit ausgehen, nicht ein Signal der Zerrissenheit. Die verordnete Harmonie sagt viel über den Zustand der Partei aus. Besser keine Kontroversen. mehr...

  • Badische Zeitung: Roger Hallams Holocaust-Relativierung: Kein genialer Vordenker / Kommentar von Dietmar Ostermann Freiburg (ots) - Der Mann ist kein genialer Vordenker einer vermeintlich notwendigen Revolution, er ist kein Thomas Paine des Klimakampfes, der das theoretische Rüstzeug liefert für den Aufstand gegen die herrschenden Verhältnisse wie einst Paine mit seiner Streitschrift "Common Sense" im amerikanischen Unabhängigkeitskampf. Hallam hat wenig aus der Vergangenheit gelernt, er ist kein Prophet der Zukunft. Auch in der Klimabewegung lohnt ein kritischer Blick auf die eigenen Helden. http://mehr.bz/khs271k Pressekontakt: Badische Zeitung mehr...

  • Rheinische Post: CDU will mit "Deutschland-Rente" neue private Altersvorsorge beschließen Düsseldorf (ots) - Bei ihrem Parteitag in Leipzig will die CDU das Konzept einer neuen staatlich organisierten Altersvorsorge beschließen, die eine Alternative zur bisherigen Riester-Rente werden soll. Ein entsprechender Antrag des Landesverbands Hessen für eine sogenannte Deutschland-Rente liegt der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag) vor. "Vieles von dem, was der Markt anbietet, ist schlicht zu kompliziert", sagte Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier, dessen Landesverband das Konzept erdacht und den Antrag mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht