(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Grüner Kanzler Habeck? Die Ökopartei segelt auf einer Welle des Erfolgs. Die schlingernde GroKo liefert dazu noch ein kostenloses Aufbauprogramm. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 15-11-2019

Regensburg (ots) - Eigentlich haben die Grünen keine guten Erinnerungen an
Bielefeld, wo an diesem Wochenende die auf fast 100 000 Mitglieder angewachsene
Partei ihren Kongress abhält. Vor 20 Jahren wurde der ehemalige Außenminister
und heimliche Grünen-Chef Joschka Fischer just in Bielefeld von Parteilinken mit
einem Farbbeutel attackiert, weil er die Nato-Angriffe gegen Serbien
rechtfertigte. Solche Attacken hat das derzeitige und wohl auch künftige
Führungs-Duo Annalena Baerbock und Robert Habeck nicht zu befürchten. Den
jahrzehntelangen quälenden Streit zwischen Linken und Realos haben die Grünen
weitgehend beerdigt. Nur ab und an blitzt er wieder auf. Das weichgespülte Motto
des Parteitages hinter dem sich alle Grünen versammeln können, lautet dann auch:
Mehr wagen, um nicht alles zu riskieren. Statt Fundamentalkritik am
Kapitalismus, haben sich die einstigen Ökopaxe mit der Marktwirtschaft und dem
Geist von Ludwig Erhard versöhnt. Statt auf Revolution setzen sie auf Reformen
im bestehenden Wirtschafts- und Demokratiesystem. Eher unspektakulär und
pragmatisch ist die Politik der Grünen, die sie in zahlreichen Landesregierungen
ausüben. Selbst in Bayern hätte es fast eine schwarz-grüne Koalition gegeben,
wenn die CSU nicht den pflegeleichteren Partner von den Freien Wählern bevorzugt
hätte. Selbst Markus Söder gibt sich gern Habeck-mäßig ohne Krawatte und mit
Dreitagebart, was vor nicht all zu langer Zeit undenkbar gewesen wäre. Im Bund
schließlich hätten die Grünen in einer - sicher spannenden - Jamaika-Koalition
mitregieren können, wenn nicht die Lindner-FDP im letzten Moment Fracksausen
bekommen hätte. Wie auch immer segeln die Grünen auf einer Welle des Erfolgs.
Und dieser Zuspruch speist sich vor allem aus zwei Quellen: Einerseits wächst
der Frust über die Berliner GroKo beinahe täglich. Die Grünen profitieren von
dem damit verbundenen Niedergang der einstigen Volksparteien SPD und, mit
Abstrichen, auch der CDU. Andererseits waren sie von Anfang an eine Partei, die
den Schutz der Umwelt, des Klimas, die Abkehr von der Kernkraft, nachhaltiges
Wirtschaften und ökologische Landwirtschaft ganz oben auf die Agenda setzte. Als
in Deutschland noch neue Kohlekraftwerke genehmigt wurden, stritten die Grünen
schon für Windkraft, Photovoltaik, Elektromobilität oder LED-Leuchten. Das
schafft heute, bis weit in bürgerliche Wählerkreise hinein, Vertrauen und
Hoffnungen in die einst als "spinnert" betrachtete Ökopartei. Allerdings wachsen
auch die Bäume der Grünen nicht in den Himmel. Drei Landtagswahlen im Osten
haben den Höhenflug gebremst. In ländlichen Regionen ist die Partei weiterhin
schwach. Ihr Milieus sind großstädtisch geprägt. Grünen-Chef Robert Habeck hat
am Freitag klar den Willen zum Regieren auf Bundesebene artikuliert. Man darbt
schon viel zu lange in der Opposition. Die schlingernde GroKo liefert dazu noch
ein kostenloses Aufbau-Programm für die Grünen. Dennoch darf der Parteitag nicht
den Fehler machen und den begnadeten Redner und Schwiegermutter-Liebling Habeck
großspurig zum Kanzlerkandidaten küren. Personenkult war den Grünen schon immer
suspekt, nach Joschka Fischer erst recht. Und der geschmeidige Realo Habeck
selbst wird wohl keinen Keil zwischen sich und seine Grünen-Partnerin Baerbock
treiben lassen. Und sollte wirklich die Bundestagswahl gewonnen werden, wäre die
K-Frage das kleinste Problem der Grünen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

710756

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Netzausbau Mobilfunk Stuttgart (ots) - Auf einem Drittel der Fläche Deutschlands herrscht der mobile Datennotstand. Da kommt die Mobilfunkstrategie, unterlegt mit gut einer Milliarde Euro zum Stopfen der Funklöcher, gerade recht. Die Bundesregierung ist förmlich gezwungen, endlich Ernst zu machen mit dem Netzausbau, da die lahme Infrastruktur zum Standortnachteil zu werden droht. Wenn der rechtliche und finanzielle Rahmen einmal gesetzt ist, kommt es auf die Kommunen und die Bürger vor Ort an. Die Skepsis gegenüber der Mobilfunkstrahlung hat viele Bürgerinitiativen mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Wohnungsmangel in Baden-Württemberg Stuttgart (ots) - Nicht der Mangel an Wohnungsbaugesellschaften ist der Grund für das Fehlen bezahlbarer Wohnungen im Land. Es sind der Mangel an verfügbaren Fachkräften bei Handwerksbetrieben, die langsam mahlenden Mühlen der Behörden und nicht zuletzt der Mangel an bebaubaren Grundstücken. Es sind aber auch die Fehler der Politik, die viel zu lange zusah, wie die Zahl der Sozialwohnungen immer weiter schrumpfte. Es wäre ein Irrglaube anzunehmen, ein neuer Bauträger könnte die Fehler der Vergangenheit heilen und schneller bezahlbare mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Die verdrängte Gefahr / Leitartikel von Miguel Sanches zum Umgang mit deutschen IS-Rückkehrern Berlin (ots) - Vorausschauende Politik sieht anders aus. Der Umgang der Bundesregierung mit den sogenannten IS-Rückkehrern folgt einem Prinzip, das fragwürdig ist. Es ist das Sankt-Florians-Prinzip. Man setzte darauf, dass die deutschen Dschihadisten in Syrien oder im Nordirak im Kampf fallen oder gefangen werden, dass sie jedenfalls in der Krisenregion besser aufgehoben sind und im Zweifel doch lieber dort als in Deutschland zündeln. Deshalb unternahm man nichts, um sie aus Camps zu evakuieren oder aus Gefängnissen herauszuholen, mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Plötzlich keine Sanierung / Kommentar von Susanne Leinemann zur Schulbauoffensive Berlin (ots) - Das Geld ist da. Der Wille aller Akteure auch. Viele wollen in der Hauptstadt die Berliner Schulbauoffensive vorantreiben. Um Schulen von ihrem Dauerleiden zu erlösen: marode Gebäude, in die es hineinregnet. Gesperrte Keller, die feucht sind. Heruntergekommene Klassenzimmer. Dachgeschosse, die dringend ausgebaut werden sollten, weil man zusätzliche Räume braucht. Viele Schulen platzen aus allen Nähten, seitdem die Schülerzahlen steigen und steigen. Wenn jetzt also Bezirke einräumen müssen, dass sich einige dringend erhoffte mehr...

  • Rheinische Post: Schulze will Waldbesitzern Bau von Windkraftanlagen erleichtern Düsseldorf (ots) - Im Streit um den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland hat sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) für die Nutzung privater Waldflächen ausgesprochen. "Es spricht aus meiner Sicht wenig dagegen, wenn etwa private Waldbesitzer in ihren Fichtenplantagen auch mal eine Windanlage bauen wollen", sagte Schulze der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). Es komme sehr auf den konkreten Fall an, so die Ministerin. Aber: "Mit der Haltung, Windräder stören nur, wird die Energiewende nicht vorankommen", sagte mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht