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Schlimmes Mobbing kann ebenso zu Trauma führen wie körperliche Gewalt und Missbrauch

Geschrieben am 06-11-2019

Karlsbad (ots) - Gewalt hat viele Gesichter. Sie kann sich auf körperlicher oder
psychischer Ebene abspielen und Folgen wie ein Trauma nach sich ziehen. "Es sind
nicht nur Menschen aus Kriegsgebieten oder Kriegszeiten, sondern ebenso
Erwachsene und Kinder die hier in unserer Gesellschaft leben und in ihrem Alltag
Traumatisches erleben oder sehen", sagt die Ergotherapeutin und Traumaexpertin
Christine Spevak, DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.). Die
Ergotherapeutin hat unter anderem gemeinsam mit ihrem Kollegen Andreas Pfeiffer
das ergotherapeutische Programm 'Posttraumatische Belastungsstörungen' ins
Deutsche übersetzt.

Es kann wirklich jedem passieren: Ein Ereignis, das so gravierend ist, dass sich
derjenige ausgeliefert, ohne Ausweg und dadurch handlungsunfähig fühlt. Das ist
das Grunderleben einer traumatischen Situation. "Ein Trauma kann sehr
unterschiedliche Auslöser haben", erklärt die Ergotherapeutin Christine Spevak.
Ein Autounfall, eine schwere Erkrankung oder ein Todesfall, aber auch
wiederkehrende Situationen wie häusliche Gewalt, Missbrauch oder Mobbing können
traumatisierend wirken. Manche Menschen verfügen über die nötige Resilienz und
Bewältigungsstrategien, um ein Trauma aus eigenen Kräften zu überwinden. Manchen
hilft etwa das Gespräch mit einem nahestehenden Menschen. Die Ergotherapeutin
Spevak weiß, dass es aber viele Betroffene gibt, die nicht mit anderen über das
Erlebte sprechen oder um Hilfe bitten können. "Nehmen Sie Kinder, die
missbraucht werden. Die Lage ist aus ihrer Sicht ausweglos: Der Täter setzt sie
unter Druck, suggeriert, dass ihnen keiner glauben wird oder sie schuld sind an
dem, was ihnen widerfährt. Mobbingopfern geht es ähnlich: Auch sie empfinden
sich handlungsunfähig, selbst wenn sie erwachsen sind. Sie schweigen aus Scham,
können sich selbst und anderen noch weniger eingestehen, dass sie sich
ausgeliefert fühlen und außerstande sind, sich aus ihrem Dilemma zu befreien",
offenbart die Ergotherapeutin, in welchem Seelenzustand sich ihre
traumatisierten Patienten befinden.

Trauma durch verändertes Verhalten erkennen

Das Ziel traumatisierter Menschen ist, sich den schlimmen Erlebnissen oder
Triggern, also angstauslösenden Faktoren wie Gerüchen, Geräuschen oder Stimmen,
die sie mit den traumatisierenden Situationen und Menschen verbinden, nicht
wieder aussetzen zu müssen. In der Folge ziehen sie sich zurück, meiden
bestimmte Aktivitäten, sogar solche, die ihnen wichtig sind. Wird ein Kind in
der Schule gemobbt, wird es versuchen, dem Unterricht so oft als möglich fern zu
bleiben. Oder dem Sportverein, findet die Ausgrenzung dort statt. Abhängig vom
Alter des Kindes führen Eltern ein solches Verhalten eher auf die Pubertät oder
eine andere Entwicklungsphase zurück; daran, dass sich etwas Schlimmes,
Einschneidendes ereignet haben könnte, denken die wenigsten. Stellen Eltern
jedoch fest, dass ihr Kind zusätzlich zu seinem veränderten Verhalten seine
Gefühle nicht mehr zeigt und ausspricht oder schnell überreagiert, kann ein
Trauma der Grund sein. Bei erwachsenen Personen können die Menschen im Umfeld
ähnliche Veränderungen feststellen. Oder die Betroffenen bei sich selbst.
Mobbingopfer gehen vielleicht nicht mehr einkaufen, weil sie dort einem
Geschäftskollegen begegnen könnten. Oder sie vermeiden andere
Freizeitaktivitäten, um Triggern aus dem Weg zu gehen. Solche Verhaltensweisen
sind alarmierend und es ist davon auszugehen, dass das Trauma nicht verarbeitet
ist. Zeit, professionelle Hilfe zu suchen.

Ergotherapeuten analysieren Status quo...

Ergotherapeuten wie Christine Spevak analysieren zunächst den seelischen Zustand
und die Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit ihres Klienten durch Befragen
und Beobachten. Die Ergotherapeutin hat maßgeblich an der Übersetzung des
kanadischen Programms 'Posttraumatische Belastungsstörung - Ergänzungsmaterial
zu Handeln ermöglichen' mitgearbeitet. Fragen und Arbeitsmaterialien aus diesem
Programm setzt sie bei ihren Interventionen ebenso ein wie weitere
ergotherapeutische Methoden und Herangehensweisen. Ergotherapeuten fokussieren
sich auf den Alltag und darauf, ihre Klienten wieder handlungsfähig zu machen.
Nach der ersten Befunderhebung lässt Spevak daher ihre Klienten eine leichte
Tätigkeit, beispielsweise eine handwerkliche Arbeit oder eine Alltagshandlung
wie Kochen ausführen. Etwas, was demjenigen liegt. So sieht sie, wo derjenige
ein Problem bei einer Handlung hat: Beginnt er zügig? Oder traut er sich nicht,
anzufangen? Lässt er sich bei der Ausführung schnell irritieren und
verunsichern? Wie verhält er sich, wenn etwas nicht gleich klappt oder wenn
etwas danebengeht: Bricht er die Handlung ab? Oder versucht er generell, auch
wenn ihm Fehler unterlaufen, das Beste daraus zu machen? Ist er
lösungsorientiert oder bricht für ihn die Welt zusammen, wenn er etwas nicht
schafft? Aus diesen Mustern erkennen Ergotherapeuten, wo sie ansetzen können.
Denn es geht darum, die Selbstwirksamkeit traumatisierter Menschen zu fördern.
Sie sollen sich selbst wieder als handlungsfähig erleben - die Umkehrung dessen,
was sie im Trauma ertragen mussten. So, dass sie wieder zu sich selbst finden,
ihre Ängste und dadurch das Trauma überwinden lernen.

... und aktivieren das Umfeld

"Auch für Angehörige und Partner, die mit einem traumatisierten Menschen
zusammenleben, ist die Situation schwierig und belastend", verdeutlicht die
Ergotherapeutin die Auswirkungen auf das Umfeld, das Ergotherapeuten deshalb
einbeziehen. Vor allem klären sie auf. Das ist wichtig, denn wer weiß, dass sich
der Andere zurückzieht, weil Vermeidungsverhalten ein Symptom des Traumas ist,
kann ganz anders mit ihm und seinen nicht ausgesprochenen Ängsten umgehen.
Nämlich verständnisvoll und wertschätzend, aber eben zielgerichtet und mit der
Sicherheit, das Richtige zu tun, um die Heilung zu unterstützen und zu fördern.
Dazu gehört, das Vermeidungsverhalten aufzuweichen. Meist geht die Familie mit
in den Rückzug. Daher mobilisieren Ergotherapeuten alle, die Familienaktivitäten
wieder aufzunehmen und zwar so, dass das Traumaopfer teilhaben kann. Also in
seinem eigenen Tempo und an seine derzeitigen Möglichkeiten angepasst.
Individuell erarbeiten Ergotherapeuten gemeinsam mit allen und jeweils am
aktuellen Stand der Behandlung orientiert, was machbar ist und wo die Grenzen
der Belastbarkeit sind. So empfinden sich alle wieder als zusammengeschweißt und
auch im Team als handlungsfähig.

Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den
Ergotherapeuten vor Ort; Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des
Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.

https://dve.info/



Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Deutscher Verband der Ergotherapeuten,
a.reinecke@dve.info

Original-Content von: Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V., übermittelt durch news aktuell


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