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Kampfansage an Überwachungsindustrie / ROG begrüßt WhatsApp-Klage gegen NSO Group

Geschrieben am 30-10-2019

Berlin (ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt das entschiedene Vorgehen von
WhatsApp gegen den israelischen Überwachungstechnologie-Anbieter NSO Group. Wie
WhatsApp am Dienstag bekanntmachte, hat das Unternehmen gemeinsam mit seinem
Mutterkonzern Facebook bei einem US-Bundesgericht in San Francisco eine Klage
gegen NSO wegen eines Überwachungsangriffs gegen rund 1400 WhatsApp-Nutzerinnen
und -Nutzer eingereicht. Dieser habe ein eindeutiges Muster von
Menschenrechtsverletzungen offenbart: Unter den Betroffenen seien mindestens 100
Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen und Journalisten
sowie andere Mitglieder der Zivilgesellschaft gewesen.

"Diese Klage ist ein entscheidendes Signal gegen Überwachungsexzesse und sollte
zum Vorbild für andere Technologieunternehmen werden", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. "Sichere Kommunikation ist ein Menschenrecht und eine
Voraussetzung dafür, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Aufgabe erfüllen
und den Mächtigen auf die Finger schauen können. Telekommunikations- und
Technologieunternehmen könnten eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung dieses
Menschenrechts übernehmen, wenn sie konsequent gegen Überwachungsangriffe
vorgehen würden."

Zugleich wies Mihr auf die bis heute nie überprüfbar beantwortete Frage hin, ob
Facebook-Produkte heimliche Zugriffsmöglichkeiten für US-Geheimdienste bieten:
"WhatsApp könnte seinem Vorgehen zusätzliches Gewicht verleihen, indem es den
Quellcode seines Messengers offenlegt. Dann könnten unabhängige Expertinnen und
Experten endlich überprüfen, wie umfassend WhatsApp seine Nutzerinnen und Nutzer
vor staatlicher Überwachung schützt."

Mit Blick auf aktuelle Forderungen nach der Schwächung von
Verschlüsselungsstandards auch in Deutschland und Europa fügte Mihr hinzu:
"Dieser Fall zeigt auch, wie blauäugig die Forderung nach Hintertüren für
Geheimdienste zum Beispiel in Messenger-Anwendungen ist. Jede Schwachstelle in
solchen Produkten stellt nicht nur die Privatsphäre von Millionen oder gar
Milliarden Menschen infrage, sondern setzt auch Journalistinnen und ihre
Informanten unabsehbaren Gefahren aus."

SERVER, HOSTING-DIENSTE UND WHATSAPP-ACCOUNTS MIT VERBINDUNGEN ZUR NSO GROUP
IDENTIFIZIERT

Konkret fordern WhatsApp und Facebook in der Klage, NSO den Zugriff sowie jeden
Zugriffsversuch auf Produkte beider Unternehmen zu verbieten. Außerdem verlangen
sie Schadenersatz in ungenannter Höhe. (https://www.washingtonpost.com/context/r
ead-the-whatsapp-complaint-against-nso-group/abc0fb24-8090-447f-8493-1e05b2fc115
6/)

Die WhatsApp-Klage bezieht sich auf eine im Mai bekanntgewordene Schwachstelle,
durch die sich die Videoanruf-Funktion des Messengers dazu nutzen ließ,
Schadsoftware auf ein Smartphone aufzuspielen. Auf diese Weise seien Nutzerinnen
und Nutzer in 20 Ländern ausspioniert worden; namentlich erwähnt die Klage
Mexiko, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain.

Die NSO Group hat bestritten, mit diesem Angriff zu tun zu haben, und
wiederholte dies am Dienstag in eindringlicher Form. WhatsApp zeigt sich aber
überzeugt, dass diesen Dementis kein Glauben zu schenken sei, denn die Angriffe
ließen sich zu Servern, Hosting-Anbietern und WhatsApp-Accounts mit Verbindungen
zu NSO zurückverfolgen. (https://www.washingtonpost.com/opinions/2019/10/29/why-
whatsapp-is-pushing-back-nso-group-hacking/)

MEDIENSCHAFFENDE IN MEXIKO UND DEN VAE AUSGESPÄHT - AUCH IM FALL KHASHOGGI?

Die Klage nennt keine Namen von Menschen, die durch den mutmaßlichen NSO-Angriff
ausgeforscht wurden. Reuters berichtete unter Berufung auf das Citizen Lab der
kanadischen Universität Toronto, das von WhatsApp bei der Untersuchung des
Angriffs eingeschaltet wurde, unter den Betroffenen seien bekannte
Fernseh-Persönlichkeiten, prominente Frauen, die Online-Hasskampagnen ausgesetzt
gewesen seien, sowie Menschen, die Mordversuche und Gewaltandrohungen erlebt
hätten.

Die Spähsoftware "Pegasus" der israelischen NSO Group ist schon mehrfach mit
Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten und in Lateinamerika in Verbindung
gebracht worden. In Mexiko gehörten prominente Anwälte, Journalistinnen und
Antikorruptionsaktivisten zu den Zielen der Überwachung (https://www.nytimes.com
/2017/06/19/world/americas/mexico-spyware-anticrime.html?module=inline) Auch
steht der Vorwurf im Raum, sie habe eine Rolle bei der Ermordung des
saudi-arabischen Exil-Journalisten Jamal Khashoggi gespielt. Ein Freund
Khashoggis hat gemeinsam mit weiteren Betroffenen in Israel und Zypern wegen
mutmaßlicher Manipulation ihrer Smartphones gegen NSO geklagt. (https://www.reut
ers.com/article/us-facebook-cyber-whatsapp-nsogroup/facebook-sues-israels-nso-gr
oup-over-alleged-whatsapp-hack-idUSKBN1X82BE)

In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde NSO-Software für einen technisch
sehr aufwendigen Spähangriff auf den Menschenrechtsverteidiger und Blogger Ahmed
Mansoor verwendet. (https://www.nytimes.com/2018/08/31/world/middleeast/hacking-
united-arab-emirates-nso-group.html) Wegen seines friedlichen, unter anderem mit
dem renommierten Martin-Ennals-Preis anerkannten Einsatzes für Menschenrechte
verbüßt Mansoor dort inzwischen eine zehnjährige Haftstrafe. (https://rsf.org/en
/news/united-arab-emirates-emirati-bloggers-ten-year-jail-sentence-upheld)

EU BERÄT ÜBER WIRKSAMERE EXPORTKONTROLLEN FÜR ÜBERWACHUNGSTECHNOLOGIE

Überwachungstechnologie-Anbieter wie die NSO Group argumentieren regelmäßig, sie
stellten ihre Produkte nur Regierungen und staatlichen Stellen für legitime
Zwecke wie die Ausforschung von Terrorgruppen oder die Verfolgung schwerer
Straftaten zur Verfügung. Allerdings gibt es immer wieder substanzielle Hinweise
darauf, dass ihre Produkte allen Dementis zum Trotz in die Hände repressiver
Regime gelangen und für schwere Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.
Reporter ohne Grenzen setzt sich deshalb seit Jahren dafür ein, den Export
solcher Produkte aus Deutschland und der EU wirksam zu regulieren.
(https://www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/internetfreiheit/exportkontrolle/)

In dieser Woche beginnt dazu auf EU-Ebene der sogenannte Trilog - also die
Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europaparlament und dem Europäischen Rat
als Vertretung der nationalen Regierungen - über eine Reform der
Dual-Use-Richtlinie. Dabei geht es um eine Einigung auf schärfere Regeln für den
Export von Überwachungstechnologie an Drittstaaten, um die in der Europäischen
Union seit drei Jahren gerungen wird. Die Kommission hatte hierzu einen
fortschrittlichen Entwurf vorgelegt, hinter den sich auch das Europaparlament
stellte. Die EU-Mitgliedsstaaten konnten sich im Juni nach langem Stocken der
Verhandlungen jedoch nur auf einen schwachen Kompromiss einigen, der viele der
kritischen Fragen ausklammert und Interessen der Wirtschaft über
menschenrechtliche Prinzipien stellt. (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/them
en/internetfreiheit/alle-meldungen/meldung/einigung-zu-dual-use-enttaeuscht/).

DIGITALER HELPDESK FÜR JOURNALISTINNEN UND JOURNALISTEN

Regelmäßig erfährt Reporter ohne Grenzen auch im Rahmen seiner Nothilfearbeit
von digitalen Bedrohungen und Angriffen gegen Journalistinnen und Journalisten.
Um ihnen gebündelte Informationen zu Themen wie Verschlüsselung, Anonymisierung
und Account-Sicherheit anzubieten, hat ROG im Juli einen digitalen Helpdesk
gestartet, der sich an Medienschaffende in aller Welt richtet. Der Helpdesk ist
Teil des Berliner Stipendienprogramms zur Stärkung von Journalistinnen und
Journalisten im digitalen Raum, das aus Mitteln der Berliner Senatsverwaltung
für Wirtschaft gefördert wird. (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/inte
rnetfreiheit/alle-meldungen/meldung/digitaler-helpdesk-fuer-medienschaffende/)

Der Helpdesk ist erreichbar unter helpdesk.rsf.org. Um Zensur des Angebots zu
umgehen und Interessierten eine anonyme Nutzung zu ermöglichen, ist der Helpdesk
auch im sogenannten "Darknet" über das Tor-Netzwerk erreichbar.

Mehr zum Einsatz von ROG für Informationsfreiheit im Internet erfahren Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/internetfreiheit.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Pressereferat
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

Original-Content von: Reporter ohne Grenzen e.V., übermittelt durch news aktuell


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