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Mittelbayerische Zeitung: Für Scheuer wird es eng. Der Verkehrsminister versprach in der Maut-Affäre maximale Transparenz. Davon ist jetzt nicht viel zu spüren. Rücktrittsforderungen stehen im Raum. V

Geschrieben am 11-10-2019

Regensburg (ots) - Es klafft himmelweit auseinander: Auf der einen
Seite das Versprechen zu "maximal möglicher Transparenz" in der
Affäre um die Pkw-Maut, das der Verkehrsminister noch im Juli gab,
und auf der anderen das, was nun offen auf dem Tisch liegt. Andreas
Scheuer musste in dieser Woche gleich fünf weitere Geheimtreffen mit
den Mautbetreibern CTS Eventim und Kapsch zugeben. Die Gespräche
wurden weder vom Ministerium dokumentiert, noch wurde der Bundestag
darüber informiert. Je länger die krachende Niederlage für das
milliardenschwere CSU-Vorzeigeprojekt per EuGH-Urteil zurückliegt,
desto mehr häufen sich die Zweifel an Scheuers Aussagen. Mit jedem
weiteren Tag geht ein Stück mehr Vertrauen in den Aufklärungswillen
des Ministers flöten. Die nun bekanntgewordenen Geheimtreffen haben
es in sich. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, sollen
Spitzenvertreter der Betreiberfirmen Scheuer den Vorschlag gemacht
haben, das anstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs
abzuwarten, bevor die Verträge endgültig unterzeichnet werden.
Scheuer selbst soll es gewesen sein, der zeitlich Druck machte. Das
Ministerium betont zwar, dass es ein solches Angebot nie gegeben
habe, doch widerlegt hat es diesen Vorwurf bislang noch nicht. Und
bestritten wird auch nicht, dass Scheuer ein enormes Risiko bei dem
Vertragsabschluss einging. Es sieht also danach aus, als wollte er
den CSU-Erfolg schnellstmöglich nach Hause fahren - komme, was wolle.
Was nun zu kommen droht, sind haushohe Schadensersatzforderungen der
Betreiber. Ein späterer Vertragsabschluss nach dem Urteil hätte dies
verhindert. Summen von satten 700 Millionen Euro stehen im Raum, die
Scheuers Mautdebakel die öffentliche Hand kosten könnten. Sie kommen
zu den mehr als 53 Millionen Euro an Vorbereitungskosten für das
Maut-Projekt dazu, die bereits jetzt verloren sind. Für den vom
Minister verursachten Schaden müssen am Ende die Steuerzahler
aufkommen. Und als wäre das nicht schon genug, klafft durch die
Verluste im Etat des Verkehrsministeriums auch noch eine enorme
Lücke. In Zeiten einer Mobilitätswende und dringend notwendiger
Anstrengungen für mehr Klimaschutz ist das besonders schmerzlich.
Denn in diese Bereiche muss kräftig investiert werden. Für Scheuer
steigt der Druck. Hatte die Opposition noch im Juni "nur" mit einem
Untersuchungsausschuss gedroht, werden jetzt handfeste
Rücktrittsforderungen laut. Dass die Affäre für den Verkehrsminister
gefährlich werden kann, bestätigen auch Fachleute. Sollte Scheuer
tatsächlich an solchen Geheimtreffen mit Folgen für den
Bundeshaushalt beteiligt gewesen sein und geduldet haben, dass die
Gespräche nicht dokumentiert werden, "wäre ein Rücktritt
unausweichlich", sagt etwa Wolfgang Seibel, Professor für Politik-
und Verwaltungswissenschaften, der "Süddeutschen". Doch schon allein
ein Untersuchungsausschuss wäre für Scheuer ein Teil-Scheitern. Denn
er würde belegen: Fragen sind offengeblieben, das Ministerium hat
nicht für die nötige Transparenz gesorgt. Kurzum: Scheuer hat sein
Versprechen gebrochen. Schon jetzt hat der Fall massiven Schaden
angerichtet, nicht nur finanziellen. Aus Parteikalkül heraus hat der
Verkehrsminister seine politische Verantwortung vernachlässigt. Die
umstrittene Pkw-Maut war das Prestigeprojekt der CSU, angestoßen von
Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, forciert vom damaligen
Parteichef Horst Seehofer. Scheuer ist 2018 auch angetreten, um das
umstrittene Vorhaben gegen alle Widerstände durchzusetzen. Auf dem
Weg dorthin ist ihm der Kompass verloren gegangen: Eigennutz, für die
Partei und ihn persönlich, ist ihm zur Richtnadel für sein Handeln
geworden, nicht der Nutzen für die Gesellschaft. Um weiteren Schaden
und Glaubwürdigkeitsverlust zu verhindern, muss der Verkehrsminister
spätestens jetzt alles aufklären - auch wenn es für ihn noch
unangenehmer wird.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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