(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Kühlen Kopf bewahren / Leitartikel von Tobias Kisling zur Debatte über das Klimapaket

Geschrieben am 07-10-2019

Berlin (ots) - Es herrsche in der Debatte über das Klimapaket eine
sehr große Nervosität, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur
Eröffnung einer sogenannten Klima-Arena am Montag in
Baden-Württemberg. Damit hat die Kanzlerin vor allem die Stimmung
innerhalb der Regierungsparteien gut beschrieben. Am Mittwoch will
das Kabinett über den Gesetzesentwurf abstimmen - Berichte, wonach
die Regierung das Klimapaket aufweichen will, kommen da zur Unzeit.

Als wäre die Debatte rund um die Proteste von "Extinction
Rebellion" oder die Grünen-Forderungen zum Tempolimit nicht schon
aufgeladen genug, kam nun ein neuer Vorwurf in die Diskussion. Das
Kontrollgremium, der sogenannte Klimarat, soll demnach schon vor der
Einführung entmachtet und die CO2-Bepreisung nur noch bis 2030 statt
bis 2040 definiert werden.

Die Kanzlerin und die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)
bemühten sich am Montag, die Diskussion einzufangen, von einer
Abschwächung könne keine Rede sein. Doch der Verdacht steht im Raum.
Umweltverbände laufen Sturm, Grüne und Linke wettern. Am
entspanntesten wirken in all der Hysterie noch die Aktivisten von
"Extinction Rebellion" (übersetzt: "Rebellion gegen das Aussterben"):
Sie haben den Autofahrern Kekse gebacken. Denn es gebietet sich in
all der Aufregung, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn was ist
wirklich passiert? Die Menge der CO2-Reduktion bis 2030 steht nach
wie vor im Klimapaket. Natürlich hätte der Fahrplan bis 2050 in den
Entwurf gehört, wenn die Pariser Ziele eingehalten werden sollen.
Aber wichtig ist zunächst, dass das Paket greift - und zwar ab dem
kommenden Jahr. Den Klimarat zu beschneiden, klingt wie Hohn.
Andererseits darf die Wirkung solcher Gremien nicht überbewertet
werden. Der Nationale Normenkontrollrat prangert seit Jahren
Deutschlands Versagen in der Digitalisierung an - trotzdem passiert
wenig. Auch bei der Verbotshysterie, die um die Grünen entstanden
ist, lohnt es sich, einmal kurz durchzuatmen. Denn was die Grünen
derzeit machen, ist etwas, wovon Deutschland in den vergangenen
Jahren zu wenig hatte - eine harte und provokante Oppositionsarbeit
mit strikten Gegenpositionen.

Letztlich hat die Bundesregierung die Aufregung selbst zu
verantworten. Denn in vielen Bereichen sind die Maßnahmen mutlos oder
schlicht nicht definiert. Zum Beispiel beim Ausbau von Radwegen. Der
kommt im Gesetzesentwurf gar nicht vor. Einerseits soll niemand mehr
Auto fahren, andererseits tummeln sich Radler mit neuen
Mobilitätsformen wie E-Scooter-Fahrern auf zu engen Radwegen, für
deren Förderung in diesem Jahr seitens des Wirtschaftsministeriums
lächerliche 160 Millionen Euro bereitstanden.

Autofahren wird ab dem kommenden Jahr ebenfalls teurer, die
Pendlerpauschale steigt. Rechte Tasche, linke Tasche. Natürlich wäre
es gut, wenn mehr Arbeitnehmer den öffentlichen Nahverkehr nutzen
würden. Nur müsste der dann auch funktional sein. Das ist nicht
einmal in jeder Metropole derzeit der Fall, von ländlichen Gebieten
ganz zu schweigen.

Oder aber beim Wohnen. Der Gebäudesektor ist ein wahrer
Umweltverpester. Nur wer soll die Modernisierungen insbesondere in
den Metropolregionen bezahlen? Die angekündigte steuerliche Förderung
wird wohl kaum einen Mieter zufriedenstellen, der jetzt schon mehr
als 15 Euro auf den Quadratmeter zahlt und bald eine weitere
Modernisierung mitmachen darf.

Mehr als gute Ansätze hat das Klimapaket nicht zu bieten. Deshalb
hat sich die Regierung die derzeitige Hysterie selbst eingebrockt.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

705121

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Walter-Borjans gibt großer Koalition noch Gnadenfrist Düsseldorf (ots) - Norbert Walter-Borjans, Kandidat für den SPD-Bundesvorsitz, will der großen Koalition in Berlin noch eine letzte Chance geben. "Die Aussage von Karl Lauterbach, unbedingt aus der Groko raus zu wollen, ist mir zu eindimensional und selbstzweckbestimmt", sagte Walter-Borjans der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Das Ende der großen Koalition sei dann eine Notwendigkeit, wenn die Union bei wichtigen Entscheidungen weiter auf der Bremse für sozial gerechten und ökologischen Fortschritt stehe. Es müsse noch mehr...

  • Rheinische Post: Klingbeil fordert Vermögensteuer als schnelle Reaktion der Groko auf wachsende Kluft zwischen Arm und Reich Düsseldorf (ots) - SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil fordert eine schnelle Reaktion der großen Koalition auf die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland. "Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich gehört definitiv auf die politische Tagesordnung", sagte Klingbeil der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag) mit Blick auf eine am Montag veröffentlichte Studie zum neuen Höchststand bei den Einkommensunterschieden. "Eine solche Spaltung gefährdet den Zusammenhalt in unserem Land." In den vergangenen Jahren hätten die unteren mehr...

  • Rheinische Post: Polizeigewerkschafter Malchow sieht Blockaden von "Extinction Rebellion" durch Versammlungsfreiheit gedeckt Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow sieht die bislang friedlichen Straßenblockaden der Umweltprotestler von "Extinction Rebellion" durch die Versammlungsfreiheit gedeckt und rechnet im Laufe der Woche mit einer Fortsetzung. "Die Störungen wird man nicht verhindern können. Ich hoffe nur, dass sie in dem Rahmen wie am Montagvormittag in Berlin bleiben", sagte Malchow der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Es könne aber auch der Punkt kommen, an dem die Polizei sage: "jetzt ist Schluss mehr...

  • Rheinische Post: Grünen-Fraktionsvize Krischer kritisiert Klimaschutzgesetz: "Verdient seinen Namen nicht mehr" Düsseldorf (ots) - Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion Oliver Krischer hat das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung scharf kritisiert: "Die Menschen wollen langfristige Planungssicherheit. Es ist falsch, die konkreten Klimaziele aus dem Gesetz herauszunehmen. Dieses Klimagesetz verdient seinen Namen nicht mehr", sagte Krischer der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Der Grünen-Politiker ergänzte: "Ich hatte erwartet, dass die Bundesregierung nach der massiven Kritik am Eckpunktepapier das Gesetz ehrgeiziger mehr...

  • NOZ: Forsa-Chef Güllner prognostiziert Auflösung der SPD Osnabrück (ots) - Meinungsforscher kritisiert Mitgliederentscheid: "Die SPD hat die Mitte verloren" Osnabrück. Für den Chef des Meinungsforschungsinstituts "Forsa" steht die SPD vor dem Untergang. "Die SPD ist in der Auflösung begriffen. Ein neuer Vorsitzender wird das nicht ändern", sagte der Forsa-Chef im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Partei habe seit 1998 rund 13 Millionen Wähler verloren, bei der Ursachenforschung komme sie aber nicht voran. "Sie sollte darüber nachdenken, wie es so weit kommen konnte. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht