Mittelbayerische Zeitung: Lesen lernen, schwimmen lernen / Seit Jahren geht die Zahl der sicheren Schwimmer zurück, die der tödlichen Badeunfälle steigt. Von Katharina Kellner
Geschrieben am 31-07-2019 |
Regensburg (ots) - Wenn ein Kind im Wasser untergeht, passiert das
ganz still: kein Schrei, kein Um-sich-Schlagen, kein wildes Spritzen.
Eltern, die das erlebt haben, treibt die Erinnerung noch lange danach
Schauder über den Rücken. Doch solch ein Erlebnis braucht es gar
nicht, um zu wissen: Jedes Kind sollte schwimmen können. Der
Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zufolge ist Deutschland
auf dem Weg, zu einem Land von Nichtschwimmern zu werden: Laut einer
Forsa-Umfrage von 2017 sind rund 60 Prozent der Grundschüler und
jeder zweite Erwachsene nach eigenen Angaben Nichtschwimmer oder
schlechte Schwimmer. Der Trend gehe nach unten. Als sicherer
Schwimmer gilt laut DLRG, wer die Disziplinen des
Jugendschwimmabzeichens Bronze erfüllt. Die Vorteile des Schwimmens
liegen auf der Hand: Es rettet im Ernstfall Leben. Das ist wichtig in
einem Land, in dem es viele Gewässer gibt und viele Aktivitäten am
oder auf dem Wasser stattfinden. Überhaupt macht Schwimmen Spaß und
ist eine Sportart, die man ohne Ausrüstung oder aufwendige Kleidung
ausüben kann. Man muss nicht besonders sportlich sein - Schwimmen
schont die Gelenke und ist gleichzeitig effektiv. Wer anfangs Angst
vor dem Wasser hatte, dem wird es ein gutes Selbstwertgefühl geben,
sich das Schwimmen erarbeitet zu haben. Und dann bedeutet Schwimmen
auch Teilhabe. Der Eintritt ins Schwimmbad ist vergleichsweise
günstig, der zum Badeweiher sogar kostenlos. Das ist wichtig für
Kinder aus Familien, die sich keinen Urlaub am Meer leisten können.
Doch obwohl Schwimmen kein teurer Lifestyle-Sport ist, gibt es hohe
Hürden, um diese Fertigkeit zu lernen: Ein Platz in einem
Kinder-Schwimmkurs ist nur mit einiger Hartnäckigkeit zu ergattern.
Das gilt auch für Regensburg. Dazu kommt, dass sich manches
Kursangebot nur schwer mit Berufstätigkeit der Eltern vereinbaren
lässt: Wer arbeitet, kann keinen Block stemmen, der an drei
Nachmittagen während der Woche stattfindet. Dieser Umstand und die
Kosten machen das Schwimmenlernen für manche Eltern zur
Herausforderung. Und so ist es damit wie mit anderen Aktivitäten, die
Zeit, Geld und Organisation kosten: Wer ohnehin wenig Kapazitäten
frei hat, für den hat Schwimmen keine Priorität. Alleine die Eltern
verantwortlich zu machen, dass Kinder nicht schwimmen lernen, greift
aber ohnehin zu kurz. Uwe Wiegand, ehemaliger Cheftrainer des
Schwimmclubs Regensburg, betreibt in Regenstauf eine private
Schwimmschule. Er hält es für keine gute Idee, wenn Eltern selbst
ihren Kindern das Schwimmen beibringen. Es sei nicht garantiert, dass
Kinder das Schwimmen sicher und richtig lernten. In der
Eltern-Kind-Beziehung stehe der Spaß im Vordergrund, nicht das
Lernen. Wiegand bestätigt die riesige Nachfrage nach Kursen. Doch die
Schwimmschulen könnten ihr Angebot nicht erweitern, weil die
vorhandenen Wasserflächen bei Weitem nicht ausreichten - nicht einmal
in einer Stadt wie Regensburg, wo das Angebot noch verhältnismäßig
gut ist. Diesen Trend gibt es in Deutschland seit Jahren - kommunale
Schwimmbäder schließen mangels Rentabilität. In Spaßbädern fehlt es
nicht an Rutschen und Whirlpools, aber an Übungsbahnen. Und so steht
20 bis 25 Prozent der Grundschulen in Deutschland kein Becken zur
Verfügung, obwohl Schwimmen nach wie vor als Pflichtveranstaltung im
Lehrplan steht. Wiegand nennt als weiteren Missstand die zu geringe
Zahl ausgebildeter Schwimmlehrer. Bund, Länder und Kommunen müssen
dieser Misere abhelfen, gemeinsam auch kleinere Bäder bewahren und
Sportlehrer zur Rettungsschwimmer- Fortbildung motivieren. Das kostet
Geld, kann aber im Einzelfall existenziell wichtig sein. Die
Statistik tödlicher Badeunfälle zeigt: 2018 sind in Deutschland 500
Menschen ertrunken. Wenn Kinder so selbstverständlich schwimmen
lernen würden wie lesen und schreiben, könnten es weniger sein.
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