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Ein Jahr Ankerzentren: Ärzte der Welt fordert Ende des Pilotprojekts

Geschrieben am 23-07-2019

München (ots) -

Sperrfrist: 23.07.2019 10:30
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Die Lebensbedingungen in sogenannten Ankerzentren verstoßen gegen
Mindeststandards zur Unterbringung von Asylsuchenden und schaden
massiv der psychischen Gesundheit der Bewohner*innen. Ärzte der Welt
fordert deshalb, das Pilotprojekt "Ankerzentren" in seiner jetzigen
Form noch vor 2020 zu beenden.

"Die Zustände in Ankerzentren und Massenunterkünften machen
psychisch gesunde Menschen krank und psychisch Kranke noch kränker",
sagte die Ärzte der Welt-Mitarbeiterin Stephanie Hinum auf einer
Pressekonferenz am Dienstag in München. Der Bayerische Flüchtlingsrat
hatte die Veranstaltung anlässlich des Jahrestags der Einführung des
"Anker"-Konzepts im August 2018 organisiert.

Hinum ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und bietet
seit rund einem halben Jahr im Rahmen einer Kooperation von Ärzte der
Welt und Refugio München eine offene Sprechstunde in der
Ankereinrichtung Manching/Ingolstadt an.

Sie berichtete von einem jungen Schizophrenie-Patienten, der unter
anderem an akustischen Halluzinationen litt. Für ihn sei schon das
gemeinsame Essen im lauten Speisesaal eine Tortur gewesen. Auch eine
junge Frau, die auf ihrer Flucht in einem libyschen Foltergefängnis
interniert gewesen war und unter Posttraumatischer Belastungsstörung
leidet, sei in die Sprechstunde gekommen. Alles in der Einrichtung -
die nicht abschließbaren Duschen, gewalttätige Auseinandersetzungen
zwischen Bewohnern und Sicherheitsdienst oder Polizeikontrollen -
löse bei der Patientin Erinnerungen an ihre schrecklichen Erlebnisse
aus. "Solche Menschen gehören nicht in ein Ankerzentrum. Sie gehören
generell nicht in eine Massenunterkunft", betonte Hinum. Es mangele
jedoch an einem System, besonders Schutzbedürftige rasch und
systematisch zu identifizieren.

Aber auch Patient*innen, die vor ihrer Ankunft in der
Sammelunterkunft psychisch stabil waren, sind durch die Umstände
einem großen Risiko ausgesetzt, psychische Störungen zu entwickeln.
Besonders negativ wirken sich der fehlende Schutz vor Übergriffen und
die mangelnde Privatsphäre aus. Die Menschen leben in
Mehrbettzimmern, die sie nicht abschließen dürfen. Es fehlt an
Rückzugsräumen. Die Mehrzahl der Ärzte der Welt-Patient*innen leiden
außerdem an Schlafstörungen, die durch äußere Umstände, wie
nächtliche Abschiebungen, verstärkt werden.

Auch die Erfahrung mangelnder Kontrolle über das eigene Leben -
von der Entscheidung über das eigene Schicksal bis hin zu den
alltäglichsten Entscheidungen, wann welche Mahlzeiten eingenommen
werden - wirkt sich extrem negativ auf die psychische Gesundheit der
Bewohner*innen aus.

Die Beobachtungen des Ärzte der Welt-Teams decken sich mit denen
anderer Expert*innen, die die Auswirkungen von Ankerzentren und
Massenunterkünften auf die Gesundheit von Asylsuchenden untersucht
haben.

"Die Verschärfung der Asylgesetzgebung in den letzten Jahren höhlt
das Recht auf Gesundheit zunehmend aus, um Menschen davon
abzuschrecken, nach Deutschland zu kommen. Dieses Mittel der
Abschreckung ist ebenso wirkungslos wie inakzeptabel", sagt François
De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt. "Wir fordern eine
dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden sowie die Einhaltung
nationaler und internationaler Mindeststandards. Die
Lebensbedingungen der Menschen in den Unterkünften müssen umgehend
verbessert werden."



Pressekontakt:
Stephanie Kirchner
Pressereferentin
Ärzte der Welt e.V.
t. +49 (0) 89 45 23 081-294
m. +49 (0) 159 0406 2104
@ stephanie.kirchner@aerztederwelt.org

Original-Content von: Ärzte der Welt, übermittelt durch news aktuell


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