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BERLINER MORGENPOST: Casting-Show bei der SPD / Leitartikel von Tim Braune zur SPD

Geschrieben am 03-06-2019

Berlin (ots) - Kurzform: Die SPD muss die Courage haben, die alte
Garde bald in Rente zu schicken. Andrea Nahles hat selbst den Anfang
gemacht, den Exit aus der Politik gewählt. Sie wurde Opfer ihrer
eigenen Machtspielchen und einer Stimmung in Partei und
Bundestagsfraktion, die teils verletzend, bösartig und hoffnungslos
ist. Wenn die SPD so weitermacht, ist bei knapp 16 Prozent noch lange
nicht Schluss. Dann geht es Richtung zehn Prozent. Viele schauen auf
Kevin Kühnert. Ob er nur linkes Stagediving oder mehr kann, muss der
29-Jährige zeigen. Traut er sich? Gut für die Partei wäre es, wenn
noch andere (Frauen!) nach oben kämen, die bislang keiner auf dem
Schirm hatte. Bühne frei für eine Castingshow. Entweder es wird ein
Hit - oder der Vorhang für die SPD fällt für immer.

Der vollständige Leitartikel: Auf den ersten Blick sah das nicht
sonderlich dynamisch aus. Wie reagiert die SPD auf den Schock nach
dem Nahles-Rücktritt? Mit einer Interims-Troika. Beim letzten Mal,
mit Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, lief
das ja suboptimal. Doch die Botschaft, die das neue
Übergangs-Dreigestirn Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten
Schäfer-Gümbel überbrachte, ist eine andere. Die sterbende
Volkspartei, die nach den brutalen Rückschlägen bei den Wahlen in
Europa und in Bremen auf der Palliativstation des Parteiensystems
liegt, scheint bereit zu sein, auf das Morphium aus Selbsttäuschung
und Weiter-so zu verzichten, die Kanüle herauszureißen, um mit vollem
Risiko zurück ins politische Leben zu rennen. Als Demokrat möchte man
der SPD zurufen: Seid nicht mehr so verdammt ängstlich. Ihr habt
nichts mehr zu verlieren! Wenn der Vorstand in drei Wochen den Mut
aufbringt, sich für eine Frau-Mann-Doppelspitze per Mitgliedervotum
zu entscheiden, könnte das die SPD vitalisieren. Die
Regionalkonferenzen der CDU, als Annegret Kramp-Karrenbauer,
Friedrich Merz und Jens Spahn im Ringen um den Parteivorsitz nach 18
Jahren Merkel über die Dörfer tingelten, waren Festspiele der
Demokratie. Dabei durften die CDU-Mitglieder noch nicht mal
abstimmen. Das erledigte ein Parteitag in Hamburg, wo Merz mit der
schlechtesten Rede seiner Karriere den Sprung nach ganz oben
vergeigte. In der CDU bereuen das viele schon. AKK scheint noch nicht
einmal einem Youtuber wie Rezo gewachsen zu sein. Die SPD muss die
Courage haben, die alte Garde bald in Rente zu schicken. Andrea
Nahles hat selbst den Anfang gemacht, den Exit aus der Politik
gewählt. Sie wurde Opfer ihrer eigenen Machtspielchen und einer
Stimmung in Partei und Bundestagsfraktion, die teils verletzend,
bösartig und hoffnungslos ist. Wenn die SPD so weitermacht, ist bei
knapp 16 Prozent noch lange nicht Schluss. Dann geht es Richtung zehn
Prozent. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werden die
Sozialdemokraten kämpfen müssen, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu
kommen. "Zukunft wird aus Mut" gemacht. Den Nena-Songtext nahmen die
Grünen in die Hand, um von Erfolg zu Erfolg zu rocken. So einfach
wird es für die SPD nicht. Sie kann nicht über Nacht 155 Jahre
Parteigeschichte über Bord werfen. Aber sie muss sich fix klar
werden, wofür sie künftig stehen will. Die Grünen abkupfern? Wird
schiefgehen. Gewählt wird das Original. Aber was ist mit der
Arbeitswelt der Zukunft, der Macht der Digitalkonzerne, der Sorge um
die Schwächsten der Gesellschaft? Es gibt genug Platz für die SPD.
Dafür benötigt sie unverbrauchte Gesichter. Das Establishment scheint
verstanden zu haben. Dreyer bleibt in Mainz, Weil in Hannover,
Schwesig in Schwerin. Olaf Scholz winkte beim Interimsvorsitz ab.
Keine Zeit! Er ist ja Finanzminister und Vizekanzler (mit
Riesenapparat). Dass ein Sigmar Gabriel drei Hüte aufhatte,
geschenkt. Scholz wäre in der aufgeheizten No-GroKo-Stimmung als
Versöhner sowieso nicht vermittelbar. Er muss die Regierungsgeschäfte
mit der Union ordentlich zu Ende bringen. Weihnachten dürfte diese
Koalition Geschichte sein. Eine neue Generation muss Verantwortung
übernehmen. Viele schauen auf Kevin Kühnert. Ob er nur linkes
Stagediving oder mehr kann, muss der 29-Jährige zeigen. Traut er
sich? Gut für die Partei wäre es, wenn noch andere (Frauen!) nach
oben kämen, die bislang keiner auf dem Schirm hatte. Bühne frei für
eine Castingshow. Entweder es wird ein Hit - oder der Vorhang für die
SPD fällt für immer.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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