(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Europawahl

Geschrieben am 26-05-2019

Bielefeld (ots) - Wieder liegt ein Wahltag hinter uns, und wieder
ist die politische Welt ein bisschen komplizierter geworden. Die
Ära, in der große Volksparteien mit einfachen Parolen eine treue
Stammwählerschaft bedienen und die Parlamente dominieren konnten,
neigt sich dem Ende zu. Wäre das gestern nicht die Europawahl
gewesen, sondern eine Bundestagswahl, die Große Koalition in Berlin
wäre mit Pauken und Trompeten abgewählt worden. Es ist nichts
weniger als ein Fiasko für das mühsam miteinander regierende Bündnis.
Während die Union trotz tiefer Schrammen noch vergleichsweise
glimpflich davonkommt und sich mit dem Ergebnis in Bremen zumindest
ein klein wenig trösten kann, stürzt die SPD ins Bodenlose. Doch was
soll die älteste noch aktive deutsche Partei jetzt tun? Wieder mit
der Parteiführung hadern? Die Wahllokale waren noch nicht
geschlossen, da wurde am Wochenende schon lautstark darüber
getuschelt, der gescheiterte Kanzlerkandidat Martin Schulz wolle
Parteichefin Andrea Nahles von der Spitze der Bundestagsfraktion
verdrängen. Wahlschlappe gleich Führungsdebatte: Das ist schon nach
früheren Niederlagen nicht gut angekommen, doch die SPD scheint in
diesem Punkt unbelehrbar zu sein. Der SPD bleibt kaum mehr als die
Wahl zwischen Pest und Cholera. Option 1: die Große Koalition
aufkündigen und Neuwahlen in der Hoffnung auf ein rot-rot-grünes
Bündnis anstreben. Eine solche Mehrheit erscheint angesichts der
gestrigen Ergebnisse aber nicht einmal sicher zu sein. Und die
Sozialdemokraten wären bestenfalls Juniorpartner unter einem grünen
Bundeskanzler Robert Habeck. Option 2: in der ungeliebten Großen
Koalition bleiben und dort weiter um Profil kämpfen. Auch wenn das
Gezerre um die Grundrente wenig Hoffnung macht: Vielleicht wäre es
eine gute Idee, wenn SPD und Union einfach einmal die Vereinbarungen
im Koalitionsvertrag abarbeiten würden. Die Grünen wiederum, getragen
von Klima-Demos und blühendem Öko-Zeitgeist, können sich für ihr
historisch gutes Ergebnis herzlich wenig kaufen. An der
Zusammensetzung des Bundestags ändert die Europawahl nun einmal gar
nichts, und in Bremen dürfte es nach Rot-Grün auf Rot-Grün-Rot
hinauslaufen. Ein strammer Linkskurs, der so manchen bürgerlichen
Grünen-Sympathisanten anderso wieder verschrecken könnte. Wie ein
politisches Zukunftsmodell in Deutschland aussehen könnte, lässt
sich vielleicht schon bald im EU-Parlament besichtigen. Dort ist die
Große Koalition seit gestern Geschichte. Liberale und Grüne werden
dort neben Sozialdemokraten und Konservativen kräftig mitmischen -
und sich bei der Verteilung der Führungsposten zu Wort melden. Auch
inhaltlich werden die proeuropäischen Parteien Kompromisse machen
müssen, wollen sie sich den wachsenden eurokritischen und
antieuropäischen Kräften entgegenstellen. Klar ist nun auch, dass die
populistischen Parteien kein vorübergehendes Phänomen in der
europäischen Politik sind, auch wenn die AfD in Deutschland unter
ihren Erwartungen blieb. Als Sammelbecken für die
Politikverdrossenen aller Länder haben sich diese Parteien
etabliert. In Frankreich liefert sich Marine Le Pen sogar ein
Kopf-an-Kopf-Rennen mit Emmanuel Macron. »Politik ist die Kunst des
Möglichen«, hat Otto von Bismarck schon vor anderthalb Jahrhunderten
festgestellt. Die Parteien in Europa und in Deutschland werden nicht
umhinkommen, neue Möglichkeiten auszuloten.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

688211

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Gröhe: Modernisierung der CDU unter Merkel ist von Teilen der Partei hintertrieben worden Düsseldorf (ots) - Führende Unionspolitiker haben die CDU nach ihren Verlusten bei der Europawahl zur Erneuerung aufgefordert. Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) beklagte in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag), die Weiterentwicklung der CDU als Volkspartei unter Angela Merkel sei von "lautstarken Teilen der Partei hintertrieben" worden. "Die Modernisierung etwa der Familienpolitik mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Migrationspolitik wurde als Verrat an den Prinzipien der CDU schlecht geredet." Junge mehr...

  • Rheinische Post: JU-Chef Kuban verlangt Strategiewechsel Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hat die CDU zu einem Strategiewechsel nach dem schlechten Ergebnis bei der Europawahl aufgefordert. "Die CDU hat heute das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte auf Bundes- und Europaebene eingefahren. Da kann es kein ,weiter so' geben", sagte Kuban der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Montag). Andere Parteien hätten die Themen gesetzt. Kuban kritisierte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wegen des Umgangs mit dem CDU-kritischen Video des Youtubers Rezo. "In den vergangenen mehr...

  • Badische Zeitung: Lehre aus einer Wahl: Europa zählt, das ist gut / Tagesspiegel von Chefredakteur Thomas Fricker Freiburg (ots) - Das Parlament wird bunter, aber auch zersplitterter sein. Mutmaßlich ein Viertel der Abgeordneten wird zu Fraktionen zählen, die EU-kritisch bis -feindlich eingestellt sind. Das ist schlimm, allerdings hätte es schlimmer kommen können. Ihr Ziel einer Blockadestärke haben die rechts-nationalistischen Parteien klar verfehlt. Eine Ursache dafür dürfte in der gestiegenen Wahlbeteiligung in vielen EU-Staaten liegen. Offenbar halten die Menschen Europa und dessen Politik inzwischen für wichtig und wollen damit mehrheitlich mehr...

  • Kölner Stadt-Anzeiger: Kardinal Woelki nominiert umstrittenen Kölner Priesterausbilder als Experten für "Synodalen Weg"/Weiter Kritik an "homophoben" Aussagen Köln (ots) - Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, will den umstrittenen Kölner Priesterausbilder Pater Romano Christen als Sachverständigen auf Bundesebene für den "Synodalen Weg" der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Dies berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). Christen stehe auf einer Liste mit Personalvorschlägen für den Reformprozess, den die Bischofskonferenz auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Lingen (Emsland) einstimmig beschlossen hatte. Dabei mehr...

  • NOZ: Hans-Georg Maaßen fordert baldigen Abgang der Kanzlerin Osnabrück (ots) - Hans-Georg Maaßen fordert baldigen Abgang der Kanzlerin Ex-Verfassungsschutzpräsident: Wer ankündigt, nicht mehr antreten zu wollen, sollte am besten gleich gehen Osnabrück. Ex-Verfassungsschutzpräsident und CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen hat einen baldigen Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel von ihrem Amt gefordert. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Maaßen: "Wir brauchen eine sachliche Erneuerung im Sinne einer Politikwende, aber natürlich auch einen personellen Neuanfang." mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht