(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Nur ein notdürftiges Netz Von Daniela Weingärtner

Geschrieben am 12-03-2019

Regensburg (ots) - Das Thema Migration wird zum ersten Mal seit
2015 nicht auf der Tagesordnung stehen, wenn sich die EU-Chefs in
zwei Wochen zum Gipfel in Brüssel treffen. Das zeigt: Die Krise von
2015 ist überstanden. Geschafft wurde das allerdings nicht durch
kluge gemeinschaftliche Politik, sondern durch ein Netz an
Notfallmaßnahmen, das jederzeit zerreißen könnte. Da sich die
Mitgliedsstaaten nicht einig sind, wie sie Migration managen, wem sie
Schutz gewähren und wen sie abweisen wollen, haben sie das Problem so
weit wie möglich außerhalb ihrer Grenzen verlagert. Auf der Ostroute
ist nun die Türkei dafür zuständig, dass die Flüchtenden gar nicht
erst Boote besteigen, mit denen sie die griechischen Inseln erreichen
könnten. Die Stabilität in Europa hängt damit indirekt vom guten
Willen des Autokraten Recip Erdogan ab. In Griechenland stecken seit
der Flüchtlingskrise noch immer Tausende unter menschenunwürdigen
Bedingungen fest, wie der zuständige Flüchtlingskommissar Dimitris
Avramopoulos jetzt betonte. Trotz Amtshilfe durch EU-Beamte und
finanzieller Unterstützung schaffen es die griechischen Behörden
nicht, die Asylverfahren abzuschließen, Neuankömmlinge - wie
vereinbart - in die Türkei zurückzuschicken und die Bleibenden
angemessen unterzubringen. Auf der zentralen Mittelmeerroute, die
noch 2017 am häufigsten genutzt wurde, um über Malta oder Italien
nach Europa zu gelangen, sind die Zahlen ebenfalls deutlich
rückläufig - von knapp 120 000 Flüchtlingen auf 23 000 im vergangenen
Jahr. Doch auch hierfür zeichnen weder Brüssel noch die vereinten
Bemühungen der Mitgliedsstaaten verantwortlich. Der Versuch, in
Kooperation mit den Herkunftsländern dafür zu sorgen, dass sich die
Menschen nicht mehr auf den Weg nach Europa machen, zeigt kaum
Wirkung. Vielmehr haben die grauenhaften Zustände in libyschen Lagern
und die fremdenfeindliche Politik der neuen italienischen Regierung
einen abschreckenden Effekt gehabt. Die EU muss sich den Vorwurf
gefallen lassen, dass sie zwar die Vorgänge in Libyen verbal
verurteilt, gleichzeitig aber weiter mit der berüchtigten libyschen
Küstenwache zusammenarbeitet und eigene Überwachungs- und
Rettungsmissionen wie Operation Sophia möglichst unauffällig hat
einschlafen lassen. Da sich Italien konsequent weigert, gerettete
Bootsflüchtlinge an Land zu lassen, gibt es dafür keine Basis mehr.
Auch hier gilt also: Da man sich intern nicht einigen kann, lagert
man die unangenehme Arbeit an zweifelhafte Regime in Nachbarstaaten
aus. Wenn die, wie derzeit Marokko, nicht mehr mitspielen, schnellen
die Zahlen sofort in die Höhe. Das bekommt Spanien zu spüren, wo 2017
knapp 25 000 Migranten landeten, vergangenes Jahr aber mehr als
doppelt so viele. Experten erklären das damit, dass einige Länder auf
der westafrikanischen Reiseroute keine Visa mehr für die Durchreise
verlangen und damit das Geschäft der Schleuser vereinfachen.
Natürlich spielt auch eine Rolle, dass die Flüchtlinge Libyen meiden.
Als dritter Faktor kommt hinzu, dass immer mehr Marokkaner ihr Land
verlassen wollen und die Regierung ihre Bürger nicht mehr so
problemlos aus Spanien zurücknimmt. Europa muss sich in der
Flüchtlings- und Einwanderungspolitik unabhängiger von Dritten
machen. Eine Grenz- und Küstenwache von 10 000 ständigen Beamten ist
dafür natürlich ein guter Schritt. Sie nützt allerdings wenig, wenn
es für die Verteilung von Schutzberechtigten keine Regeln gibt und
wenn die Aufnahmebedingungen so unterschiedlich sind, dass
Deutschland das Traumziel für die meisten bleibt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

677976

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Kommentar zur Luftverschmutzung Bielefeld (ots) - Die folgende, aus Statistiken gewonnene Erkenntnis ist erschreckend: Städter erkranken häufiger an Krebs als die Menschen vom Lande. Außerdem fährt, wer in der Stadt lebt, viel öfter mit dem Fahrrad als der Dörfler. Folglich ist Radfahren krebserregend. Das Beispiel illustriert den Kardinalfehler im öffentlichen Umgang mit Statistiken: Formale Ähnlichkeiten (mehr Krebstote - mehr Radfahrer) sind etwas grundlegend anderes als kausale Zusammenhänge (wer ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springt, stirbt). Trotzdem mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zum Brexit Stuttgart (ots) - Premierministerin May hat sich schrecklich verspekuliert - sowohl in Bezug auf die Kompromissbereitschaft der EU wie auf die Erpressbarkeit des britischen Parlaments. Die eigentlichen Gründe ihres Scheiterns liegen natürlich tiefer. Es gibt zurzeit keine mehrheitsfähige Position in der britischen Gesellschaft und im Parlament, wie die künftigen Beziehungen des Landes zur EU aussehen sollen. Nun kommt es schnell zu einem harten Brexit - oder zu einer Verschiebung des Austrittstags. Aber was soll eine solche Spielzeitverlängerung mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zu einem Jahr Groko Stuttgart (ots) - Nach einem Jahr fühlen sich viele Wichtigtuer in beiden Lagern berufen, das vorzeitige Ende der Koalition als Glücksfall anzupreisen. In der SPD haben sich die linken Neinsager noch immer nicht mit dem Mitgliedervotum für Schwarz-Rot abgefunden. Ihre Sticheleien gegen Parteichefin Andrea Nahles mögen nicht zuletzt wegen des gelungenen Grundrenten-Coups leiser geworden sein. Bei bewegungslosen Umfrageergebnissen um die 15 Prozent aber ist die parteiinterne Unzufriedenheit jederzeit wieder anzustacheln. mehr...

  • Westfalenpost: Sexueller Missbrauch: Die Katholiken werden durch immer neue Enthüllungen schockiert Hagen (ots) - Kardinal Marx ist nicht zu beneiden. Vielen seiner Amtsbrüder muss er immer noch klarmachen, dass sexuelle Gewalt kein Kavaliersdelikt ist. Die Katholiken wiederum werden spätestens seit der enttäuschenden Missbrauchs-Konferenz im Vatikan Ende Februar immer ungeduldiger, weil die Aufklärung nicht voran geht - und jetzt verstört eine neue seriöse Studie die schockierten Christen zusätzlich. Demnach ist das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in Einrichtungen der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland deutlich mehr...

  • Rheinische Post: DRK appelliert an Syrien-Geberkonferenz, mit der Hilfe für das Bürgerkriegsland nicht nachzulassen Düsseldorf (ots) - Das Deutsche Rote Kreuz hat sich an die in Brüssel tagende Syrien-Geberkonferenz gewandt und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass weiterhin große Anstrengungen in dem Bürgerkriegsland notwendig sind. "Wir appellieren dringend an die internationale Staatengemeinschaft, in der Hilfe für die Menschen in Syrien nicht nachzulassen und sich für eine politische Lösung des Konflikts einzusetzen", sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Zwar gingen in Syrien die jahrelangen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht