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BERLINER MORGENPOST: Atemberaubend blauäugig / Leitartikel von Michael Backfisch zu Trump in Hanoi

Geschrieben am 28-02-2019

Berlin (ots) - Kurzform: Politik funktioniert nicht wie die gut
geölte PR-Maschinerie im Immobilien-Imperium Trump. Sie ist ein
hartes Geschäft mit unendlich viel Detailarbeit und Rückschlägen.
Trump beherrscht es offensichtlich nicht. In einer atemberaubenden
Blauäugigkeit wirft er sich Autokraten an den Hals - erst dem
russischen Präsidenten Wladimir Putin, später Kim oder dem saudischen
Kronprinzen Mohammed bin Salman. Trump könnte aus dem Debakel von
Hanoi eine simple Lektion ziehen: weniger Brimborium, weniger
Selbstbeweihräucherung, mehr Hausaufgabenmachen. Ob er in seinem
Publicity-Hunger dazu fähig ist, darf bezweifelt werden.

Der vollständige Leitartikel: US-Präsident Donald Trump müsste es
bereits am Mittwoch geahnt haben. Am ersten Tag des Gipfels in Hanoi
tätschelte er Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un immer wieder an der
Schulter, überschüttete ihn mit Lob, bezeichnete ihn als "Freund" und
"großen Führer". Es war eine Bauchpinsel-Arie, dass sich der
außenstehende Betrachter nur die Augen reiben konnte. Doch der
Diktator aus Pjöngjang stand stocksteif daneben, das Gesicht
regungslos wie eine Figur aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett.
Die Körpersprache war defensiv, hier lag kein Durchbruch in der Luft.
So verwunderte es nicht, dass der Gipfel von Hanoi als nacktes Fiasko
endete. Trump und Kim ist nicht einmal eine Schlusserklärung
gelungen. Darin werden unterschiedliche Positionen normalerweise in
blumigen oder verquasten Worten übertüncht. Vor acht Monaten hatte
man sich in Singapur zumindest auf das Ziel einer kompletten
"Denuklearisierung" Koreas geeinigt - ohne freilich konkrete Schritte
zu vereinbaren. Dies ist vor allem eine Niederlage für den Showman
und Egomanen Trump. Der wollte sich als großen Friedensstifter
inszenieren, der auch die hartgesottensten Autokraten dieser Welt
zähmen kann. Dass sein Vorgänger Barack Obama wenige Monate nach
Amtsantritt den Friedensnobelpreis bekommen hatte, wurmt ihn bis
heute. Er hätte ihn auch gern. So spannt er befreundete
Regierungschefs wie den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe
ein, die für ihn Werbung machen sollen. Doch Politik funktioniert
nicht wie die gut geölte PR-Maschinerie im Immobilien-Imperium Trump.
Sie ist ein hartes Geschäft mit unendlich viel Detailarbeit und
Rückschlägen. Trump beherrscht es offensichtlich nicht. In einer
atemberaubenden Blauäugigkeit wirft er sich Autokraten an den Hals -
erst dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, später Kim oder dem
saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Dass in Hanoi nicht
einmal ein symbolischer Fortschritt wie eine Friedenserklärung zur
förmlichen Beendigung des Koreakrieges möglich war, zeigt: In den
wichtigen Fragen sind die Gräben zwischen Washington und Pjöngjang
unverändert tief. Der entscheidende Punkt ist der vollständige Abbau
der nordkoreanischen Atomwaffen. Dieser lässt sich nur durch
lückenlose internationale Inspektionen gewährleisten. Hierzu ist Kim
nicht bereit. Das aufgebaute Nuklear- und Raketenpotenzial bedeutet
eine Überlebensgarantie für sein Regime. Dafür will er Garantien, die
über warme Worte hinausgehen. Und er möchte die komplette Beseitigung
der US-Sanktionen. Dass nicht einmal Verträge vereinbarte Zusagen
absichern, konnte er beim Ausstieg der Amerikaner aus dem
Atomabkommen mit dem Iran beobachten. Kim ist misstrauisch - er wird
weiter pokern und hartnäckig verhandeln. Zumal der Atomstreit mit
Nordkorea weit über das steinzeitsozialistische Land hinausreicht.
Insbesondere die aufstrebende Weltmacht Peking, aber auch Russland
müssen eingebunden werden. Das geht nur mit einem diplomatischen
Marathonlauf. Die Aushandlung des Nuklearvertrags mit dem
Mullah-Regime in Teheran hat zwölf Jahre gedauert. Ganze Heerscharen
von Sherpas und Außenministern sind daran zeitweise verzweifelt. Ein
Treffen auf höchster Ebene steht am Ende des Prozesses, nicht am
Anfang. Derartige handwerkliche Fehler dürfen einem US-Präsidenten
eigentlich nicht unterlaufen. Trump könnte aus dem Debakel von Hanoi
eine simple Lektion ziehen: weniger Brimborium, weniger
Selbstbeweihräucherung, mehr Hausaufgabenmachen. Ob er in seinem
Publicity-Hunger dazu fähig ist, darf bezweifelt werden.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

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