(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Nur noch kurz die Welt retten / Großspurig als Weltwirtschaftsforum angekündigt, entpuppen sich die jährlichen Elitentreffen in Davos als Shows voller Sonntagsreden. Von Rein

Geschrieben am 23-01-2019

Regensburg (ots) - Nur noch kurz die Welt retten, sang Tim Bendzko
vor ein paar Jahren. Das jährliche Elitentreffen von Wirtschaft und
Politik im schweizerischen Luxusort Davos nennt sich zwar großspurig
Weltwirtschaftsforum, doch eine Verbesserung für die von
Handelskrisen, Steuerbetrügereien, gnadenlosem Konkurrenzkampf und
weitgehender Ignoranz gegenüber den verheerenden Klimaveränderungen
geprägte Weltwirtschaft ist von Davos eher nicht zu erwarten. Und das
liegt weniger daran, dass die hochkarätigen Teilnehmer nicht die
Finger in die zahlreichen globalen Wunde legten, sondern in der
Folgenlosigkeit ihrer salbungsvollen Reden. Auch Angela Merkel hat
gestern in Davos die Verantwortung der Industrieländer für die
drohende Erderwärmung beschworen. Zum wievielten Male eigentlich?
Dass es die Regierung der einstigen Klima-Kanzlerin aus Deutschland
allerdings wirklich ernst nimmt, ist fraglich. Beim geplanten
Ausstieg aus der Braunkohleverstromung etwa, der technisch und
finanziell durchaus relativ rasch machbar wäre, kuscht die Berliner
GroKo vor der alten Energiewirtschaft. Die Ziele zur Reduktion von
Treibhausgasen bis 2020 wurden krachend verfehlt. Da hilft es auch
nichts, wenn Merkel nun beteuert, die Klimaziele des Jahres 2030 zu
schaffen. Das schlechte Beispiel, das der Exportweltmeister
Deutschland bietet, animiert auch andere Länder nicht zu mehr
Engagement im Klimaschutz. Darüber hätte Merkel in Davos trefflich
reden können. Hat sie aber nicht. Ein Problem der Davoser Treffen ist
zudem, dass dort zahlreiche Verantwortliche für die ziemlich
ungerechte Weltwirtschaftsordnung zusammen kommen. Dass ein paar
Superreiche weltweit immer reicher werden, aber die Armen immer
ärmer, mit allen Konsequenzen etwa für Flüchtlingsbewegungen, wird in
Davos kaum thematisiert. Daran ändert auch nichts, dass der
durchschnittliche Wohlstand der Weltbevölkerung in den letzten Jahren
gestiegen ist. Aber was bedeuten schon Durchschnittswerte. Im
Durchschnitt war der Dorfteich einen Meter tief, trotzdem ist die Kuh
ertrunken. Durch Steuerflucht großer Konzerne entgehen alleine den
Ländern Afrikas jährlich schätzungsweise 100 Milliarden Euro. Hinzu
kommen korrupte Eliten in den Staaten selbst, die lieber in die
eigene Tasche wirtschaften, als ihre Länder voranzubringen. Das der
schwarze, eigentlich unermesslich reiche Kontinent inzwischen
sozusagen der "Hotspot" für Armut, Hunger und Elend auf der einen,
aber auch für Flüchtlingsströme auf der anderen Seite geworden ist,
darf vor diesem Hintergrund niemanden verwundern. Sinnvoller als die
von Tausenden Polizisten geschützten Klassentreffen der Großkopfeten
in Davos wäre es allemal, eine Art Weltwirtschaftsrat unter dem Dach
der Uno einzurichten. Oder die immer mehr an Bedeutung verlierende
Welthandelsorganisation (WTO) unter das Dach der Weltorganisation zu
stellen, was deren Bedeutung und Durchschlagskraft erhöhen könnte.
Freilich würde dies politische Egomanen wie etwa den
Twitter-Präsidenten der USA Donald Trump oder Despoten im
Präsidentenamt nicht davon abhalten, Beschlüsse dieser
internationalen Organisationen mit Füßen zu treten, wenn es ihnen
gerade passt. Sie und ihre Wirtschaften könnten sich dennoch nicht
auf Dauer dem Einfluss dieser Organisationen entziehen. Es geht
derzeit in der globalen Wirtschaft schlicht um die Gretchenfrage, ob
sich die Vertreter von Amerika, Russland, Türkei, China oder
Brasilien first gegen die auf Ausgleich, Kompromiss setzenden
Multilateralisten durchsetzen. Der Ausgang ist offen. Davos hat diese
Frage mit schönen Appellen umschifft. Die Rettung der Welt wurde in
Davos wieder mal verschoben.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

671670

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Kommentar / Krise überwunden = VON KRISTINA DUNZ Düsseldorf (ots) - Der Kontrollverlust des Staates, wie Merkel die Krise mit der Aufnahme fast einer Million Flüchtlinge 2015 selbst nannte, ist überwunden. Die Obergrenze, die Seehofer forderte, wurde 2018 klar unterschritten. Die Zahl der Asylanträge sank de facto auf rund 165.000. Die Entwicklung war absehbar, die Regeln wurden verschärft. Die von Seehofer im vorigen Sommer trotzdem provozierte Unions- und Regierungskrise hatte es da nicht bedurft. Jetzt muss sich der Innenminister endlich um seine anderen Themen kümmern, die Probleme mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Subventionsfalle Energie = VON MARTIN KESSLER Düsseldorf (ots) - In Sachen Ausstieg macht den Deutschen so schnell niemand etwas vor. Bis 2022 soll der letzte Atommeiler abgeschaltet werden, im Jahrzehnt danach sind die Kohlekraftwerke dran. Immerhin stammt noch gut ein Drittel der Stromerzeugung von diesem fossilen Energieträger. Ohne einen Ausstieg sind die Klimaziele für 2030 und 2050 nicht einzuhalten. Die Pflöcke dafür will die Kohlekommission womöglich schon am Freitag einschlagen. Damit würde dem Atomausstieg der nun stärkste wirtschaftspolitische Eingriff des Staates mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Der schlanke Fuß von Yvonne Gebauer = VON THOMAS REISENER Düsseldorf (ots) - Die massenhafte Schließung von Hauptschulen und das rückläufige Angebot an Realschulen in NRW erzwingt den Bau zusätzlicher Gesamtschulen. Damit sind etliche Kommunen in NRW erkennbar überfordert: In Städten wie Köln werden Jahr für Jahr Hunderte von Kindern an den Gesamtschulen abgewiesen. Offensichtlich klaffen Bedarf und Angebot weit auseinander. Formal hat Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) recht, wenn sie auf die Zuständigkeit der Kommunen bei der Entwicklung der Schullandschaft verweist. Aber sie macht mehr...

  • Badische Zeitung: Flüchtlinge und Integration: Viele Aufgaben bleiben / Kommentar von Franz Schmider Freiburg (ots) - 162000 Asyl-Erstanträge 2018 sind weniger als das, was Seehofer einst forderte. Zumal, wenn man berücksichtigt, dass fast 20 Prozent der Anträge von Kindern stammen, die hier geboren wurden. Auch ist die Zahl der Erstanträge im Monatsvergleich im Dezember 2018 besonders deutlich auf weniger als 9000 gesunken. Vor allem der Zuzug aus dem Bürgerkriegsland Syrien, der größten Gruppe der Flüchtlinge, geht zurück. Allerdings ist Integration nicht allein eine Frage der Mathematik. Ob sie gelingt, hängt von der Einstellung mehr...

  • Rheinische Post: FDP fordert Pofalla zum Austritt aus der Kohlekommission auf Düsseldorf (ots) - Die FDP hat Bahnvorstand Ronald Pofalla zum Austritt aus der von ihm mit geleiteten Kohlekommission aufgefordert. "Es ist höchste Zeit, dass Pofalla den Chefposten bei der Kohlekommission niederlegt und sich endlich mit voller Kraft auf seinen eigentlichen Job als Vorstand und Krisenmanager bei der Bahn konzentriert", sagte der FDP-Abgeordnete Torsten Herbst der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag). Vormittags zum Kaffee beim Verkehrsminister, um Lösungen für das Bahnchaos vorzustellen, und abends bei der mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht