(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Was Deutschland rasend macht / Tempolimit, teurerer Treibstoff - Scheuer hat die Überlegungen einer Regierungskommission zum Verkehr brüsk abgelehnt. Das war voreilig. Von B

Geschrieben am 22-01-2019

Regensburg (ots) - Unser Bundesverkehrsminister legt gelegentlich
ein atemberaubendes Tempo vor. So schnell, wie Andreas Scheuer die
Überlegungen einer Regierungskommission zum Klimaschutz mit einem
"gegen jeden Menschenverstand" gegen die Wand klatschte, konnte man
kaum Luft holen. Um diese Luft geht es irgendwie auch, um eine
gesündere. In Scheuers Reflex spiegelt sich mehr ein deutscher
Urinstinkt als Abwägung wider. Fatal war, dass sich unter den Ideen
das Wort "Tempolimit" befand. Sobald dieser Begriff in Deutschland
fällt, geht es gefühlt um eine große Frage der nationalen Identität:
Deutschland wäre nicht mehr Deutschland ohne die Erlaubnis, mal alles
aus dem Auto rauszuholen. Freie Fahrt und billiges Benzin scheinen
die Grundlage für die Ausübung unseres wichtigsten Freiheitsrechts zu
sein, die Fronten klar: Bleifuß-Gewalttäter prallen gegen
grün-verblendete Angstschleicher. Scheuer findet sich klar im Lager
der Freie-Fahrt-Verfechter. Man kann der Meinung sein, der Staat
würde zu viel verbieten beziehungsweise allzu kleinliche Vorschriften
machen. Man kann argumentieren, wir brauchen die "freien Kilometer" -
als Magnet für zahlungskräftige chinesische Touristen, die extra
kommen, um mal eilig durch die Landschaft zu stürmen. Und als ebenso
kostenfreie wie wirkmächtige Werbung für unsere Autohersteller. Wozu
also diese typisch deutsche Gängelei? Um aus dieser Aufregung etwas
den Dampf abzulassen, lohnt sich der Blick auf nahezu den ganzen Rest
der Welt. Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, USA, China -
überall grünideologisch drangsalierte Menschen? Trump, Kurz, Salvini
... wohl kaum. Man könnte auch zu der Einsicht gelangen, dass unsere
freie Fahrt eine Fülle dummer Nebenwirkungen hat. Ein Limit bei Tempo
120 oder 130 würde das Stresslevel senken, das wegen der enormen
Tempounterschiede entsteht. Der Verkehrsfluss würde besser, es gäbe
weniger Staus. Und weniger Unfälle. So würden auch die ultraeiligen
Dienstwagenfahrer gezügelt, denen der hohe Spritzuschlag egal ist,
weil die Firma zahlt. Der Treibstoffkonsum würde bei generell Tempo
120 um immerhin neun Prozent sinken. Richtig ist, dass wir damit
nicht die Welt retten. Aber Klimaschutz setzt sich aus vielen
Bausteinen zusammen. Der ADAC argumentiert, man könne wegen des
dichten Verkehrs sowieso nur selten schnell fahren. Genausogut könnte
man Biertrinken am Steuer erlauben mit dem Hinweis, dass es den
meisten Fahrern im Auto eh keinen Spaß macht. Wer auf der A3
Nürnberg-Passau versucht, mit Tempo 130 dahinzusurfen, wird schnell
merken, dass er die lahme Ente unter den Pkw ist und seltenst an Lkw
vorbeikommt, ohne dass sich jemand in Windeseile in den Rückspiegel
zoomt. Um das Klima besser zu schonen, bieten sich noch eine Reihe
von Maßnahmen an. Dazu gehört, wie die Regierungskommission erkennt,
Benzin und Diesel als Treibstoff gleich hoch nach CO2-Ausstoß zu
besteuern und ebenso bei der Kfz-Steuer zu verfahren. Das ist
überfällig und würde die großen Spritschlucker treffen. Bleibt das
System so, wie es ist, dann dürfte sich der SUV-Hype fortsetzen.
Obendrein zeichnet sich eine Mode hin zu monströsen Pick-ups ab.
Kleinwagen dagegen werden für die Hersteller uninteressant und
verschwinden aus dem Angebot. Da beschleicht einen dann doch der
leise Verdacht, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Wie man
Elektromobile fair behandelt, ist kompliziert. Sie sollten davon
profitieren, dass sie leiser sind und vor Ort keine Abgase absondern.
Von einer weißen Umweltweste sind aber auch sie weit entfernt.
Insgesamt führen die Überlegungen der Kommission dazu, dass
Autofahren spürbar teurer wird. Dagegen ist nichts zu sagen, sofern
im Gegenzug öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Rad- und
Fußgängerverkehr besser werden als das Auto. "Wir wollen die Bürger
von den Chancen der Mobilität der Zukunft begeistern und mitreißen",
betont Scheuer, anstatt nur Zorn und Belastungen auszulösen. Richtig.
Es liegt mit an ihm, diese Alternativen anzubieten. Da dürfte er
durchaus ein höheres Tempo anschlagen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

671491

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Konzerne zahlen zu wenig Steuern Die Abwärtsspirale stoppen Tim Szent, Berlin Bielefeld (ots) - In der Bevölkerung hält sich hartnäckig die Ansicht, das Ausfüllen der Steuererklärung sei kompliziert. Dabei ist das in der Regel in wenigen Minuten erledigt. Die normalen Arbeitnehmer können schließlich kaum noch etwas absetzen. Sie müssen die Steuern zahlen, die im Gesetzblatt stehen. Anders sieht es bei den ganz Großen aus. Global agierende Konzerne verschieben ihre Gewinne so lange rund um den Globus, bis sie sich in den Büchern in Luft auflösen. Sie gehen gezielt in Steueroasen, drohen Regierungen mit Standortschließungen mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): AfD Eine überfällige Warnung Jörg Köpke, Berlin Bielefeld (ots) - Vor Kurzem wollte die AfD Lehrer an den Internet-Pranger stellen, die sich kritisch über die Partei äußern. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Nachdem der Verfassungsschutz die Partei-Jugend und den Höcke-Flügel der AfD ins Visier genommen hat, geraten Beamte, die für die Rechtspopulisten um Mandate kämpfen, in Erklärungsnot. Nun sind es Polizisten - aber auch Lehrer, Richter und Staatsanwälte - auf Landeslisten der AfD, die Farbe bekennen müssen, ob sie "noch blau oder schon braun" sind, wie es NRW-Innenminister mehr...

  • Westfalenpost: Monika Willer zur Rolle der Handschrift in der digitalen Ära Hagen (ots) - Vor rund 50 Jahren kam es einer pädagogischen Revolution gleich, wenn Lehrer meinten, dass es wichtiger sei, was in ein Aufsatzheft geschrieben würde als wie. Generationen von Schülern waren bis dahin stumpf im Schönschreiben gedrillt worden. Heute kann jeder seine geistigen Ergüsse flugs in eine Tastatur hacken. Und diejenigen, die am anderen Ende der Nahrungskette sitzen, merken dann, dass da mitunter ein Filter fehlt. Mit der Hand schreiben, das ist anstrengend, und Papier ist teuer, deshalb sollte man seine Sätze mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Lasst und Europa retten / Kommentar zur Europawahl von Bernhard Fleischmann Regensburg (ots) - Wie soll man in die Zukunft blicken, wenn in wichtigen Staaten der Wahnsinn regiert? Was schon unter berechenbareren Umständen nahezu unmöglich ist, mutiert in einer solchen Situation - durchaus wörtlich - zu einem aussichtslosen Unterfangen. Da hilft nur, Risiken zu minimieren, Sicherungen einzubauen. Eine sehr hilfreiche Sicherung wäre ein stabiles Europa. Wenn Putin sich in der Rolle als Demokratenvirus gefällt, Großbritannien und Italien allein sein wollen, der US-Präsident in den Niedergang reitet, was ihm mehr...

  • Badische Zeitung: Steuerstudie der Grünen: Mehr Fairness ist nötig / Kommentar von Bernd Kramer Freiburg (ots) - Einen Schluss sollte man aus der Steuerstudie der Grünen nicht ziehen. Was die Konzerne treiben, um ihre Abgabenlast zu drücken, verstößt nicht gegen Gesetze. Vielmehr nutzen die multinationalen Unternehmen jene Gelegenheiten, die ihnen die Gesetzgeber in den unterschiedlichen Staaten eröffnen. Doch was legal ist, wird von einem Großteil der Bevölkerung als nicht fair betrachtet. http://mehr.bz/khs19s Pressekontakt: Badische Zeitung Schlussredaktion Badische Zeitung Telefon: 0761/496-0 kontakt.redaktion@badische-zeitung.de mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht