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Mittelbayerische Zeitung: Verwirrung um sinnvollen Pakt / Die Bundesregierung hat zu spät über den Migrationspakt informiert. Deshalb haben die Rechtspopulisten die Deutungshoheit übernommen. Von Rein

Geschrieben am 28-11-2018

Regensburg (ots) - Wenn die Tafel bereits beschrieben ist, muss
der Nachfolger sie erst einmal abwischen. Jedes Schulkind, jeder
Lehrer weiß das. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, hieß es früher beim
Müller. Der Bundesregierung scheinen, im übertragenen Sinne, solche
Binsenweisheiten fremd zu sein. Über den UN-Migrationspakt, der in
zwei Wochen auf großer internationaler Bühne im marokkanischen
Marrakesch unterzeichnet werden soll, wurde monatelang verhandelt.
Der Entwurf des Paktes liegt den UN-Staaten bereits seit Juli vor. Es
wäre also genug Zeit gewesen, um auch in der breiten Öffentlichkeit
über Ziele und Hintergründe des UN-Projektes zu reden - und dies
nicht nur diplomatischen Insidern zu überlassen. Doch offenbar hat es
die Bundesregierung sträflich versäumt, rechtzeitig und umfassend
über das Vertragspapier zu informieren. Dass nun Rechtspopulisten und
Verschwörungstheoretiker in diversen Internetforen und inzwischen
auch auf Demonstrationen die Deutungshoheit über den Pakt übernahmen,
hat sich die Regierung selbst zuzuschreiben. Erst vor drei Wochen
diskutierte das Parlament - auf Antrag der AfD - den "Vertrag für
sichere, geordnete und geregelte Migration". Hat man im Auswärtigen
Amt, im Kanzleramt oder im Bundestag wirklich geglaubt, ein solch
brisantes Papier ließe sich unter der Decke halten, bloß keine
schlafenden Hunde wecken? Man kann das nur als peinliches
Kommunikations-Desaster bezeichnen. Die Regierung hat einem an sich
sinnvollen Pakt einen Bärendienst erwiesen. In der Sache muss nun
erst einmal "die Tafel abgewischt" werden. Denn immer, wenn nicht von
vorn herein ordentlich informiert wird, machen sich Gerüchte,
Halbwahrheiten, Fake-News breit. Eine der falschen Behauptungen, die
etwa aus AfD-Kreisen lanciert wird, besagt, dass künftig jeder
Migrant nach Deutschland kommen dürfe. Das ist natürlich Unsinn. Im
Pakt wird zwar Zuwanderung als eine "Quelle des Wohlstands" benannt.
Doch es wird ebenso deutlich zwischen regulärer und illegaler
Zuwanderung unterschieden. Die reguläre Zuwanderung soll gefördert
werden, was für die alternde deutsche Gesellschaft sinnvoll ist.
Illegale Migration dagegen soll eingedämmt, kriminellen Schleppern
soll das schmutzige Handwerk gelegt werden. Allerdings orientiert der
UN-Pakt auch darauf, dass es irregulären Migranten leichter gemacht
werden soll, legal im Einwanderungsland zu bleiben. Diese Debatte
läuft in Deutschland allerdings bereits, wenn man auf die Diskussion
um gut integrierte Kriegsflüchtlinge schaut, die Deutsch gelernt und
eine Ausbildung oder Job haben, aber keine dauerhafte
Aufenthaltserlaubnis. Das Stichwort heißt: Spurwechsel. Eine weitere
Sorge, die von Gegnern des UN-Paktes unter das Volk gestreut und über
Petitionen auch in den Bundestag getragen wird, ist die, dass künftig
jeder Flüchtling in das deutsche Sozialsystem einwandern könne. Dabei
heißt es im Migrationspakt nur, dass "Arbeitsmigranten aller
Qualifikationen" beim Zugang zum Sozialschutz geholfen werden solle.
Für Firmen, die landauf, landab händeringend nach Fachkräften suchen,
kämen qualifizierte Leute doch gerade recht. Zwischen der sogenannten
Erwerbsmigration einerseits und der Aufnahme von Flüchtlingen
beziehungsweise politisch Verfolgten (Asyl) andererseits wird klar
unterschieden. Neben dem Migrations- hat die UN auch einen
Flüchtlings-Pakt erarbeitet. Woran es in der aufgeregten Debatte um
den UN-Pakt aber vor allem keinen Zweifel geben darf, ist, dass
Deutschland, also der Gesetzgeber Bundestag, weiterhin souverän über
die Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik bestimmt. Das machen nicht
die Vereinten Nationen. Im Antrag der GroKo-Fraktionen, der heute im
Bundestag behandelt wird, steht deshalb richtigerweise, dass die
UN-Vereinbarung keine einklagbaren Rechte und Pflichten begründet.
Stimmt, kommt allerdings reichlich spät.



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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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