(Registrieren)

Patientenversorgung unter Druck

Geschrieben am 20-11-2018

Berlin (ots) - Berlin, 20.11.2018 - "Ökonomisches Handeln hat in
unserem Gesundheitswesen seine Berechtigung. Aber die Ökonomie muss
den Zielen der Medizin dienen - und nicht umgekehrt." Das sagte der
Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. Frank Ulrich
Montgomery, zur Eröffnung der Tagung "BÄK im Dialog -
Patientenversorgung unter Druck" am vergangenen Samstag in Berlin.
Vertreter aus Klinik und Praxis sowie aus Wissenschaft, Wirtschaft
und Selbstverwaltung diskutierten Dimension und Folgen der
Kommerzialisierung im deutschen Gesundheitswesen sowie den Umgang mit
ihr.

"Eine qualitativ hochwertige Versorgung in Stadt und Land bedingt,
dass Monopole vermieden und der freiberufliche Charakter der
ärztlichen Tätigkeit sowie die Wahlfreiheit der Patienten erhalten
werden", sagte Montgomery mit Blick auf Übernahmen von
Gesundheitseinrichtungen durch sogenannte
Private-Equity-Gesellschaften. "Wir brauchen Regelungen, mit denen
die Größe von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Ketten auf
ein für die Versorgung sinnvolles Maß begrenzt wird. Vorstellbar ist
auch eine zeitliche Begrenzung der Zulassung von MVZ."

Deutschland sei erst am Anfang einer Entwicklung, die in anderen
Ländern schon weiter fortgeschritten ist, berichtete Dr. Franz-Robert
Klingan von der Unternehmensberatung Bain & Company. "Viele
Private-Equity-Fonds wollen die Wachstumschancen in der
Gesundheitsbranche nutzen, die sich aus der Demografie, dem
anhaltenden Kostendruck und der eingesetzten Konsolidierung ergeben."
Aus seiner Sicht wird Regulierung im Gesundheitswesen auch weiterhin
eine große Rolle spielen. Sie wird sich aber an den Bedürfnissen der
Beteiligten orientieren müssen, um qualitätsgerechte Versorgung zu
sichern.

Prof. Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik,
Geschichte und Theorie der Medizin der Ludwig-Maximilians-Universität
München, forderte eine "ethisch verantwortete Ökonomie". Dies bedürfe
einer konzertierten Aktion von Gesundheitspolitik, Krankenhausträgern
und Ärzteschaft. Wie sich die zunehmende Ökonomisierung in der
Medizin auf besonders schutzbedürftige Patientengruppen auswirkt,
erläuterte Dr. Annic Weyersberg vom "Cologne Center for Ethics,
Rights, Economics, and Social Sciences of Health" der Universität zu
Köln am Beispiel der Kinderheilkunde. Die mehrdimensionale
Vulnerabilität von Kindern verlange ein besonderes Maß an Fürsorge
und Gesundheitsförderung. Ausreichende Sicherstellungszuschläge sowie
eine Anpassung des Fallpauschalensystems in den Kliniken sind aus
ihrer Sicht mögliche Wege. Auch Prof. Dr. Paul Ulrich Unschuld von
der Charité - Universitätsmedizin Berlin warnte vor den Folgen der
Kommerzialisierung: "Das System droht zu entgleisen." Diagnose,
Therapie und auch die Prävention würden zunehmend dem Diktat einer
Industrialisierung der Abläufe und der Strukturen unterworfen.

"Für uns klinisch tätige Ärzte ist der ökonomische Druck durch
Benchmarking und Zielvorgaben sowie Arbeitsverdichtung und
Personalabbau täglich spürbar", berichtete BÄK-Vorstandsmitglied Dr.
Susanne Johna. Sie forderte einen "Strategiewechsel" der Politik. Der
Fokus müsse auf eine bedarfsorientierte Versorgung, statt auf die
Reduktion der Kosten gelegt werden. Ihre BÄK-Vorstandskollegin Dr.
Heidrun Gitter ging auf sogenannte Zielvereinbarungen in
Chefarztverträgen ein und berichtete über die Arbeit der eigens
hierfür eingerichteten Koordinierungsstelle bei der
Bundesärztekammer. "Zielvereinbarungen können sinnvoll sein, etwa
wenn sie die Verbesserung der Versorgungsqualität und der Abläufe
oder die Nutzung von Beinahe-Fehlermeldesystemen zum Inhalt haben.
Problematisch wird es dann, wenn Zielvereinbarungen dazu führen, dass
ärztliche Entscheidungen zu Lasten des Patienten beeinflusst werden."
Dr. Ellen Lundershausen, ebenfalls Mitglied im Vorstand der
Bundesärztekammer, richtete den Blick auch auf die eigenen Reihen und
appellierte an die Chefärzte und Weiterbilder, Haltung zu zeigen.
"Wenn junge Ärzte einen kritischen Chef haben, werden sie selbst
einmal kritischer gegenüber der Geschäftsführung auftreten", sagte
sie.



Pressekontakt:
Bundesärztekammer
Stabsbereich Politik und Kommunikation
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin

Tel. 030-400456700
Fax. 030-400456707
presse@baek.de
www.baek.de

Original-Content von: Bundesärztekammer, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

663620

weitere Artikel:
  • Arzneimittelgesetz-Novelle: Nur manche Maßnahmen führen zu mehr Patientensicherheit Berlin (ots) - Der am Freitag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgestellte Entwurf eines "Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung" (GSAV) enthält durchaus gute Ansätze. Doch manche darin enthaltenen Maßnahmen tragen gerade nicht zu einer höheren Patientensicherheit bei. Andere wichtige Maßnahmen fehlen. "Dass die Koordinierungsfunktion und Rückrufkompetenz der Bundesoberbehörden, also des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), gestärkt werden mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: SPD-Experte Lischka begrüßt Entwurf zum Einwanderungsgesetz Saarbrücken (ots) - Das geplante Einwanderungsgesetz ist nach den Worten von SPD-Innenexperte Burkhard Lischka eines der wichtigsten politischen Vorhaben der großen Koalition im Innenbereich. Lischka sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch): "Daher begrüße ich ausdrücklich, dass es jetzt einen Referentenentwurf der Bundesregierung gibt." Für die SPD sei besonders wichtig, mit dem Gesetz "all jenen den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt in einem Expressverfahren zu ermöglichen, die bereits einen Arbeitsvertrag vorweisen können mehr...

  • Umweltverbände fordern Ende des illegalen Imports von Elektrogeräten über Amazon, Ebay und Co. -------------------------------------------------------------- Offener Brief http://ots.de/uVpEZq -------------------------------------------------------------- Berlin (ots) - DUH, BUND, NABU, Germanwatch und DNR richten sich mit offenem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesumweltministerin Svenja Schulze - Immer öfter bringen nicht-registrierte Hersteller Elektrogeräte zweifelhafter Qualität über Internetshops in Verkehr - Solche Trittbrettfahrer zahlen keine Entsorgungskosten und entziehen mehr...

  • phoenix runde: Streit um Migrationspakt - Welchen Weg geht die Union? - Dienstag, 20. November 2018, 22.15 Uhr Bonn (ots) - Neuer Streit in der Union. Gesundheitsminister Jens Spahn macht das Flüchtlingsthema wieder auf. Er will den UN-Migrationspakt auf dem kommenden CDU-Parteitag im Dezember zur Diskussion stellen, obwohl die Unions-Bundestagsfraktion ihn bereits gebilligt hat. Kritiker sehen in Spahns Vorstoß eine Annäherung an die AfD. Sie unterstellen dem Gesundheitsminister, sich auf Kosten des Migrationspakts als Kandidat für den Parteivorsitz profilieren zu wollen. Der Pakt soll laut den Vereinten Nationen erstmals Grundsätze für den mehr...

  • NOZ: Liberale: UN-Abkommen können nötiges Einwanderungsgesetz nicht ersetzen Osnabrück (ots) - Liberale: UN-Abkommen können nötiges Einwanderungsgesetz nicht ersetzen Außenpolitischer Sprecher Djir-Sarai: Nur so lässt sich das bei den Bürgern verspielte Vertrauen wieder herstellen Osnabrück. Der außenpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag warnt vor einer ungerechtfertigten Vermischung von UN-Migrations- und UN-Flüchtlingspakt, "um die gesellschaftliche Debatte nicht politisch aufzuladen". Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Bijan Djir-Sarai: "Der Flüchtlingspakt und der Migrationspakt sind mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht