(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Großbaustelle Europa. Bei den Europawahlen im nächsten Jahr wird sich zeigen, ob Pro-Europäer oder Nationalisten künftig die Richtung bestimmen. von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 19-11-2018

Regensburg (ots) - Der eher nachdenkliche Spitzenkandidat der
europäischen Konservativen, Manfred Weber, hat zweifellos Recht, wenn
er der Europawahl im Mai nächsten Jahres das Etikett "historisch"
verleiht. Über sechs Jahrzehnte nachdem in Rom eine prosperierende
Staatengemeinschaft auf dem alten Kontinent begründet wurde, steht
die EU heute am Scheideweg: Entweder bestimmen künftig die
Pro-Europäer oder die Nationalisten die Richtung. Die Union der -
noch - 28 Staaten war auch als eine bittere Lehre aus einer brutalen,
kriegerischen Geschichte des Kontinents im 20. Jahrhunderts gebildet
und ausgebaut worden. Und Europa bleibt eine Großbaustelle, denn nun
schwächelt und kriselt die Union erkennbar. Mit dem Brexit will
erstmals eine Nation den illustren Club verlassen, was zu heftigen
Selbstzweifeln und Erschütterungen führt. In Großbritannien selbst,
aber auch im Rest der Europäischen Union. Die "Brexitiers" von der
Insel haben in Kontinental-Europa Gleichgesinnte, Europagegner
gefunden, die zwar den Nationalstaat, das eigene Vaterland betonen,
doch in Wirklichkeit Nationalismus meinen. Im Kern ist dies eine
Rückkehr in eine Vergangenheit, in der nicht der multilaterale,
europäische Gedanke und gemeinsame Werte die Politik bestimmten,
sondern das - zumindest so verstandene - eigene nationale Interesse.
Wenn man so will, gibt es eine Linie, die eine Marine Le Pen in
Frankreich, einen Geert Wilders in den Niederlanden oder - nicht ganz
so extrem - einen Viktor Orban in Ungarn, einen Matteo Salvini in
Italien oder einen Lech Kaczynski in Polen verbindet. Dabei steht der
Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit, den die EU erleiden musste,
im krassen Gegensatz zu ihrer wirtschaftlichen Kraft. Vor allem
Deutschland profitiert vom gemeinsamen Binnenmarkt, vom
zollschrankenlosen Handel von Portugal bis Schweden. Von der
Wirtschaftskraft her ist die Gemeinschaft mit ihren rund 500
Millionen Menschen ein Riese, der es mit globalen Wettbewerbern wie
den USA oder China aufnehmen kann. Politisch jedoch ist die Union ein
Zwerg, der sich noch dazu oft selbst lähmt. Dass sich die reichlich
behäbig gewordene EU rasch reformieren, schlagkräftiger, innovativer,
wettbewerbsfähiger und vor allem bürgernäher werden muss, ist allen
klar, die eine Zukunft der Union wollen. Freilich sind die konkreten
Wege dahin höchst umstritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
hatte bereits kurz nach der Bundestagswahl 2017 weitreichende
Vorschläge gemacht, von denen man nicht alle gut heißen muss. Doch
die Vorstöße aus Paris gingen in den Wirren der Koalitionsbildung in
Berlin unter. Außer der freundlichen Zurkenntnisnahme war aus dem
Kanzleramt kaum etwas zu hören. Das ist zum Glück jetzt anders. Die
grundsätzliche Zustimmung Berlins zum eigenen Haushalt der Staaten
der Euro-Zone könnte ein Zeichen dafür sein, dass sich der Reformzug
doch in Bewegung setzen könnte. Ähnlich könnten die Bremsen für
gemeinsame EU-Streitkräfte gelöst werden, wobei noch sehr viele
wichtige Details zu klären wären, etwa der Parlamentsvorbehalt zum
Einsatz der Bundeswehr. Doch das scheint lösbar. Der Spitzenkandidat
der Europäischen Volkspartei Manfred Weber geht derzeit auf
Zuhör-Tour durch viele EU-Länder. Das ist nicht nur eine
vertrauensbildende Aktion und Wahlkampf des Niederbayern, sondern
könnte auch Ressentiments gegenüber einer vorgeblich deutschen
Dominanz abbauen. Sollte der CSU-Vize nach der Europa-Wahl im Mai
tatsächlich zum Kommissionspräsidenten aufsteigen können, böte das
auch die Chance, mit kraftvollen demokratischen Reformen die EU
attraktiv und bürgernah zu machen - und Skeptikern und Nationalisten
den Wind aus den Segeln zu nehmen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

663566

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): CDU zweifelt an Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe Schräge Angriffe Florian Pfitzner, Düsseldorf Bielefeld (ots) - Würde sich die CDU mal so hart mit der Autoindustrie anlegen. Nein, der Bezirksverband Nordwürttemberg schmäht lieber die Deutsche Umwelthilfe und stellt in einem Parteitagsantrag ihre Gemeinnützigkeit infrage. Der CDU-Bezirksvorsitzende Steffen Bilger ist zugleich Staatssekretär im Verkehrsministerium, deshalb hat der Vorstoß so ein Gewicht. Man kann zur Deutschen Umwelthilfe stehen wie man will, die Gemeinnützigkeit wird ihr nicht von Parteien gewährt, sie wird von Finanzämtern festgelegt - oder aberkannt. Nun mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Merz und sein Millioneneinkommen Glaubwürdigkeit angekratzt Martin Krause Bielefeld (ots) - Friedrich Merz ist im Schaulaufen für den CDU-Vorsitz ins Fettnäpfchen getappt. Er hat sich erst als Einkommensmillionär geoutet, dann aber doch postuliert, ein Mitglied der "gehobenen Mittelschicht" zu sein. Damit hat er reichlich wenig Fingerspitzengefühl bewiesen - denn das Statistische Bundesamt spricht von etwa 19.000 Einkommensmillionären im Land. Merz gehört also zu den oberen 19.000. High Society, so besang Louis Armstrong die schmale Schicht im Musical "Die oberen Zehntausend". Vielleicht ist Merz auch mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Beste Nachbarn Düsseldorf (ots) - Jeder, der schon einmal umgezogen ist, kennt den Spruch: Seine Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Mit Nachbarländern ist es genauso. Dabei können wir Deutschen durchaus glücklich über unsere Nachbarn sein. Vor allem über jene im Westen. Die Niederlande sind gerade einmal so groß wie NRW und strotzen nur so vor Wirtschaftskraft und Innovationsfreude. Wir Deutschen sind laut Umfragen den Niederländern übrigens auch die liebsten Nachbarn. Das war nicht immer so. Die Deutschen besetzten im Zweiten Weltkrieg die mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Ärgernis Migrationspakt Düsseldorf (ots) - Nichts schürt so sehr die Emotionen wie die Migrationspolitik. Sie ist nicht die Mutter aller Probleme, wie Seehofer meint. Aber sie ist nicht so weit davon entfernt, wenn man das Wort Problem durch Herausforderung ersetzt. In diese Stimmung platzt nun eine - man könnte fast sagen - diplomatische Routine wie der UN-Migrationspakt. Zwei Jahre lang wurde verhandelt, jetzt liegt ein Ergebnis vor, das ein typisches Produkt der Vereinten Nationen ist: edle Absichten, hochfliegende Ziele, die nur leider an der Realität mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Sprit-Engpässe zeigen unsere Verletzlichkeit Düsseldorf (ots) - Der Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums ist vernünftig: Wenn Tankschiffe wegen des niedrigen Wasserstands auf dem Rhein nur eingeschränkt fahren können, müssen eben die wenigen Tanklastwagen auch sonntags über Autobahnen fahren dürfen. Das verhindert, dass NRW und andere Teile Deutschlands beim Sprit noch in eine richtige Versorgungskrise rutschen. Aktuell mag es manchmal zwar ärgerlich sein, wenn an einigen Tankstellen eine oder mehrere Spritsorten zeitweise ausgehen, doch eine wirkliche Krise ist das noch nicht. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht