(Registrieren)

Aachener Nachrichten: Kommentar: Welches Europa wollen wir? Die Europawahl 2019 wird ein Schlüsselereignis für die Zukunft der Gemeinschaft Von Christian Rein

Geschrieben am 06-11-2018

Aachen (ots) - Europaskeptiker, Anti-Europäer, Nationalisten im
Europäischen Parlament. Das klingt paradox. Denn warum sollten
ausgerechnet diejenigen, die die EU am liebsten abschaffen wollen, in
das Herz der Gemeinschaft, nämlich das Straßburger Parlament,
gelangen wollen? Die Antwort darauf ist so einfach wie
niederträchtig: Sie wollen die EU von innen heraus zerstören. Längst
sind sie in den Fraktionen "Europa der Freiheit und der direkten
Demokratie" (EFDD) und "Europäische Konservative und Reformer" (EKR)
etabliert, versammeln unter anderem Vertreter der deutschen AfD, der
britischen UK Independence Party (UKIP), der italienischen
Fünf-Sterne-Bewegung oder des französischen Rassemblement National
unter ihren Dächern.

Schon bei der Europawahl 2014 haben die Rechtspopulisten so
massiven Zuwachs erhalten wie außer ihnen nur die linksextremen
Parteien. Die etablierten Parteien, Christ- und Sozialdemokraten,
Liberale und Grüne, haben verloren. Dass dieser Trend sich bei der
nächsten Europawahl noch mal verschärft, steht zu befürchten.

Deshalb wird die Abstimmung in 200 Tagen, am 26. Mai, eine
Schicksalswahl für die EU: Wird die Gemeinschaft weiter geschwächt
oder gibt es eine Gegenbewegung?

"Europa lässt sich nicht mit einem Schlag herstellen und auch
nicht durch eine einfache Zusammenfassung", hat der damalige
französische Außenminister und Europa-Vordenker Robert Schuman in
seiner berühmten Erklärung vom 9. Mai 1950 gesagt. "Es wird durch
konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat
schaffen."

Von dieser Solidarität der Tat ist derzeit nicht viel zu sehen.
Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein Paradebeispiel für die
Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, eine solidarische Antwort auf
drängende gesellschaftliche Fragen zu finden. Wertegemeinschaft? Weit
gefehlt. Der größte gemeinsame Nenner scheint die Einigkeit darüber
zu sein, dass man sich nicht einig ist.

Die rechtspopulistische Regierung Italiens fordert die EU mit
einem Haushaltsentwurf heraus, der sämtliche Regeln der Gemeinschaft
über Bord wirft und Sorgen vor der nächsten Euro-Schuldenkrise
schürt. Die rechtskonservative Regierung in Polen provoziert mit
ihrer höchst umstrittenen Justizreform ein
Vertragsverletzungsverfahren. Der ungarische Nationalist Viktor Orbán
muss sich einem Strafverfahren des EU-Parlaments wegen
Rechtsstaatsverstößen stellen. Die britische Regierung will die
Gemeinschaft gleich ganz verlassen - aber zu ihren Bedingungen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron die Menschen mit seinem entschiedenen und emotionalen
Bekenntnis zu Europa aufhorchen lassen. Er hat gezeigt: Man kann eine
Wahl mit einer dezidiert pro-europäischen Agenda gewinnen. Macron
könnte eine Schlüsselfigur sein, wenn die EU wieder mehr zu einem
Europa in Schumans Sinn werden soll. Seine Reform-Agenda enthält
viele Vorschläge, die die EU voranbringen können. Dafür braucht er
Unterstützung vor allem aus Deutschland. Denn das derzeit etwas
indisponierte Bild der Gemeinschaft hängt auch mit dem aktuell
unrunden Zusammenspiel zwischen Paris und Berlin zusammen.

Die kommenden Monate werden zeigen, welche Richtung die
Gemeinschaft einschlägt und ob sie dazu in der Lage ist, sich
zukunftsgerichtet aufzustellen. Ob sie Lösungen finden, Zusammenhalt
erzeugen, Begeisterung wecken und die Angriffe auf ihre Prinzipien -
Solidarität, Freiheit, Rechtstaatlichkeit - abwehren kann. Die
Europawahl 2019 ist dafür eine wichtige Wegmarke.

Entscheidend wird dabei auch die Wahlbeteiligung sein. 2014 lag
sie in Deutschland bei gerade mal 47,9 Prozent, EU-weit sogar nur bei
42,54 Prozent. Klar ist: Eine geringe Beteiligung wirkt für die
EU-Gegner wie ein Katalysator, eine hohe Beteiligung stärkt hingegen
integrative Kräfte.

Welches Europa wollen wir? Diese Frage richtet sich also zu
allererst nicht an die Politik, sondern an jeden einzelnen von uns.



Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-391
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

Original-Content von: Aachener Nachrichten, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

661649

weitere Artikel:
  • Badische Zeitung: Kritik an der Polizeiarbeit: Aufarbeitung statt Politstreit / Kommentar von Dietmar Ostermann Freiburg (ots) - Blieb ein Intensivtäter zu lange unbehelligt? (...) Wie viele offene Haftbefehle Gewalttaten betreffen, wäre interessant zu erfahren. Aber ist ernsthaft jemand überrascht? Dass die Polizei am Limit ist, ist bekannt. Und wenn Ermittler fürchten, dass ein Tatverdächtiger mangels Beweisen bald wieder laufen gelassen wird, mag eine spätere Verhaftung Sinn ergeben. Zu viel Routine freilich kann schaden. Statt politischer Schwarzer-Peter-Spiele wäre eine sachlich-kritische Aufarbeitung wünschenswert. http://mehr.bz/khs257g mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zum UN-Migrationspakt Stuttgart (ots) - Nur innenpolitisch ergeben Jens Spahns Bedenken, der UN-Migrationspakt könne die staatliche Souveränität gefährden, Sinn. Er will sich mit seiner Kritik an dem Migrationspakt rechts von Bundeskanzlerin Merkel für den CDU-Parteitag im Dezember positionieren. Der Pakt ist für ihn daher nur ein Spielball für seine parteipolitischen Pläne. Übersehen wird in der Debatte leider, was der Pakt wirklich ist: Das Regelwerk, das in Deutschland außer Flüchtlingshelfern und Fachpolitikern bisher kaum jemand kannte, ist ein internationaler mehr...

  • Kölnische Rundschau: Lascheet: Europa nicht schlect reden - "Müssen die Stimmung drehen" Köln (ots) - NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat dazu aufgerufen, die verbreitete europaskeptische Stimmung zu "drehen". "Europa, das bedeutet Frieden und Stabilität seit rund 70 Jahren", sagte Laschet der Kölnischen/Bonner Rundschau (Mittwochaugabe): "Leider habe ich den Eindruck, dass Europa nicht so gewürdigt wird, wie es das eigentlich verdient hätte." Die EU gelte als "Prügelknabe". Laschet wörtlich: "Wir müssen daran verstärkt arbeiten, die EU den Menschen besser zu erklären. Die Zögerlichen sagen: die Stimmung ist doch mehr...

  • Rheinische Post: Spahn und Merz gegen vorgezogene Neuwahlen Düsseldorf (ots) - Jens Spahn, einer der Kandidaten für die Nachfolge von Angela Merkel im Amt der CDU-Bundesvorsitzenden, will das Thema "Generationengerechtigkeit" im Wahlkampf stärker spielen. Damit könne die CDU bei jüngeren Wählern punkten, sagte Spahn nach einem Bericht der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch) bei einer Vorstandssitzung der NRW-CDU am Dienstagabend. Die Rheinische Post beruft sich auf Sitzungsteilnehmer. Jens Spahn forderte, Deutschland müsse "Digitalweltmeister" werden. Sein Kontrahent Friedrich Merz mehr...

  • Rheinische Post: Röttgen wirft Gegnern des UN-Paktes Interesse an ungeordneter Migration vor Düsseldorf (ots) - Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, hat den Gegnern des UN-Migrationspakt ein Interesse an ungeordneter Migration vorgeworfen. "Wer Ordnung und Steuerung der Migration will, der muss für diesen Pakt sein, so klein der Schritt eines rechtlich nicht verbindlichen Beschlusses ist", sagte der CDU-Politiker der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Wer nicht sachliche Kritik üben, sondern weiter mit der ungeordneten Migration Stimmung machen wolle, der mache auch Stimmung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht