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Mittelbayerische Zeitung: Passiert noch ein Wunder? / Schon bald endet Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU. Dass es bis dahin eine Lösung für alle Beteiligten gibt, scheint aussichtsloser denn je

Geschrieben am 18-10-2018

Regensburg (ots) - Er brauche deutlich mehr Zeit für einen gut
geregelten Brexit, hat Chefunterhändler Michel Barnier den
Gipfelteilnehmern am Mittwochabend in Brüssel erklärt. Der
Sondergipfel im November, bei dem der Austrittsvertrag mit
Großbritannien festgezurrt und Regeln für eine Übergangsphase
festgelegt werden sollten, ist erst einmal gestrichen. Die
EU-Kommission wurde aufgefordert, den Notfallplan für den Fall eines
chaotischen Austritts Großbritanniens aus der EU weiter
auszuarbeiten. Zu beneiden sind Barnier und sein Team nicht um ihre
Aufgabe. Selbst wenn es ihnen gelingt, für das unlösbar scheinende
Dilemma der Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik
Irland eine kreative Regelung zu finden, liegt doch ein Grundgefühl
tiefer Vergeblichkeit über all ihren Mühen. Stimmt die britische
Regierungschefin einer Lösung zu, die Nordirland dauerhaft mit dem
Rest der Insel verbunden hält, werden Mays Koalitionspartner von der
nordirischen protestantischen DUP ihr Veto ebenso einlegen wie die
Befürworter eines harten Brexit im Regierungs- und im
Oppositionslager. Wenn aber das Verhandlungsergebnis die britischen
Empfindlichkeiten berücksichtigt, kann das nur auf zwei Wegen
geschehen: Entweder kehren Beamte an die nordirische Grenze zurück
und stellen sicher, dass eingeführte Waren europäischen Standards
entsprechen. Das wäre für all jene inakzeptabel, die den
Friedensprozess zwischen Nordirland und der Republik nicht gefährden
wollen. Irlands Premierminister Leo Varadkar hat mehrfach deutlich
gemacht, dass er in einem solchen Fall sein Veto einlegen wird. Oder
die EU toleriert, dass über Großbritannien nach Irland ein
Einfallstor entsteht, durch das gefälschte Markenware oder
ungetestete Elektrogeräte in den Binnenmarkt und damit in die Hände
europäischer Verbraucher gelangen. Das würde den Binnenmarkt in
seiner Substanz treffen. Es ist schon jetzt kompliziert genug, bei
Exporten aus Drittländern die EU-Standards zu kontrollieren und gegen
Produktfälschungen, Mehrwertsteuerbetrug und andere Tricksereien
vorzugehen. Für die Mitarbeiter der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF
wäre eine offene Grenze zu einem Post-Brexit-Britannien ein Alptraum.
In fünfeinhalb Monaten endet Großbritanniens Mitgliedschaft in der
Union. Niemand vermag sich vorzustellen, dass in so kurzer Zeit eine
für beide Seiten akzeptable Regelung ausgearbeitet werden kann. Zwar
betonen sowohl Michel Barnier als auch die britische
Premierministerin Theresa May, neunzig Prozent des Austrittsvertrages
seien schon vereinbart. Doch die verbleibenden zehn Prozent haben es
in sich: Neben der Nordirlandfrage ist der gesamte Bereich
Justizzusammenarbeit inklusive der Rolle des Europäischen
Gerichtshofs offen. Auch beim kniffligen Thema Geistiges Eigentum
sowie bei den Herkunftsbezeichnungen von Lebensmitteln wie
Cheddarkäse oder Parmaschinken gibt es noch keine Einigung. Die
Übergangsfrist zwischen Austrittsdatum und künftigem Handelsvertrag
könne deutlich verlängert werden, hieß es in den letzten Tagen
tröstlich aus Brüssel. Doch zum einen werden die Austrittsfans auf
der britischen Insel zu verhindern suchen, dass aus dem befristeten
Übergang ein Dauerprovisorium wird. Zum anderen kann ein
Übergangsvertrag ja erst geschlossen werden, wenn die Details des
Austritts sämtlich geklärt sind. Gerade eben sieht es so aus, als
gäbe es aus dieser Sackgasse keinen Ausweg mehr. Europas Politiker
und Brüssels Juristen waren allerdings schon immer äußerst
erfinderisch, wenn es um ausweglos scheinende Situationen ging. Kommt
es zum Äußersten, dann werden am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer
Zeit die Uhren im Verhandlungssaal so lange gestoppt, bis ein
Kompromiss gefunden ist.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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