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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu den Kommunalwahlen in Polen: Polen stellt die Weichen von Ulrich Krökel

Geschrieben am 04-10-2018

Regensburg (ots) - Jaroslaw Kaczynski spricht gern Klartext. Und
er schreckt dabei auch vor populistischen Parolen nicht zurück.
Anhänger der Opposition beschimpfte der Chef der regierenden
rechtskonservativen PiS-Partei einmal als "schlechteste Sorte von
Polen", denen der Verrat in die Gene eingeschrieben sei. Kaczynski
weiß aber auch, wie er die angeblich so abgehobenen Eliten mit ihren
eigenen Waffen schlagen kann. Der Richterschaft des Landes warf er
zuletzt eine ausgeprägte "Oikophobie" vor. Der elitäre Begriff
entstammt einer philosophischen Debatte und bezeichnet eine Abneigung
gegen das eigene Volk. Kaczynski erläuterte es anders: "Es geht um
den Hass auf die eigene Heimat, und das ist eine Krankheit." In Polen
herrscht Wahlkampf. Zwar stimmen die Menschen am 21. Oktober "nur"
über die Zusammensetzung der Kommunalparlamente ab und wählen ihre
Bürgermeister neu. Doch der Urnengang ist der erste landesweite
Stimmungstest nach drei Jahren PiS-Herrschaft. Manche Kommentatoren
haben die Wahl deshalb bereits zum Plebiszit über die
Regierungspolitik erklärt, die Polen unter anderem ein
EU-Rechtsstaatsverfahren beschert hat. Die Brüsseler Kommission hält
die Demokratie im Land für akut gefährdet. Wichtigster Kritikpunkt
ist der Umgang mit der Richterschaft. Nach EU-Lesart versucht die
PiS, sich die Justiz zu unterwerfen. Kaczynski nutzt diesen Streit im
Wahlkampf für seine Zwecke. Statt sich in die Niederungen der
Kommunalpolitik zu begeben, nutzt er die Gelegenheit zur Offensive
gegen alle, die "nicht auf der Seite der Polen stehen". Der Plan
scheint aufzugehen. In den Umfragen zeichnete sich zuletzt ein Trend
ab, demzufolge die PiS mit landesweit rund 35 Prozent als klarer
Gewinner aus den Wahlen hervorgehen könnte. Vor vier Jahren erreichte
die Partei nur knapp 27 Prozent. Woher die Stärke der PiS und die
andauernde Schwäche der Opposition rühren, lässt sich am besten in
Warschau beobachten, wo die Wählerschaft strukturell als liberal
gilt. Dennoch liefern sich der Kandidat der gemäßigt-konservativen
Bürgerplattform (PO), Rafal Trzaskowski, und PiS-Herausforderer
Patryk Jaki ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der wichtigste Grund dafür ist
die Bilanz der scheidenden PO-Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz
nach zwölf Jahren im Amt. Die ehemalige Nationalbankchefin steht in
dem Ruf, die Hauptstadt an ausländische Investoren und inländische
Superreiche ausgeliefert zu haben, statt sich für sozialen
Zusammenhalt einzusetzen. PiS-Kandidat Jaki hingegen sagt: "Die PiS
ist die sozialste Partei in Polen. Sie sorgt sich um die Menschen und
ihre Würde." Tatsächlich ist es der PiS in ihren drei
Regierungsjahren gelungen, den Fokus vieler Bürger auf ihre
Sozialpolitik zu lenken. Erstmals gibt es in Polen inzwischen ein
Kindergeld. Der Mindestlohn ist deutlich gestiegen. Die Rente mit 67
wurde zurückgenommen. Vor diesem Hintergrund wünschen sich auch viele
Menschen in Warschau, wo sich nur noch Bestsituierte die Mieten in
Zentrumsnähe leisten können, einen grundsätzlichen politischen
Richtungswechsel. Und das gilt ebenso für andere Städte und Kommunen.
Gelingt es dem Herausforderer Jaki, die Hauptstadt für die PiS zu
erobern, dann wäre dies nicht nur ein weiterer Fingerzeig, dass Polen
auch über das Jahr 2019 hinaus rechtskonservativ regiert werden
dürfte, ungeachtet aller EU-Kritik. Es wäre auch ein persönlicher
Triumph für Jaroslaw Kaczynski. Dessen Zwillingsbruder Lech gewann
2002 die Oberbürgermeisterwahl in Warschau und leitete damit den
Aufstieg der PiS ein. Er starb 2010 als polnischer Staatspräsident
beim Flugzeugunglück in Smolensk. Diesen Tod hat Jaroslaw Kaczynski
bis heute nicht verwunden.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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