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BERLINER MORGENPOST: Keine Schuldzuweisung / Leitartikel von Kerstin Münstermann zu Seehofer und Merkel

Geschrieben am 06-09-2018

Berlin (ots) - Kurzform: Angesichts der Ereignisse in Chemnitz -
dem tödlichen Messerangriff auf einen Deutschen und den
fremdenfeindlichen Demonstrationen danach - ist es jetzt an der Zeit,
Lösungen anzubieten. Seehofer sollte weniger eskalieren, stattdessen
nutzen, was er als Innenminister bewirken kann. Mehr Sicherheit,
besserer Grenzschutz, Härte gegen Extremisten von links und rechts.
Die Bundeskanzlerin sollte den Dialog mit den Bürgern stärker suchen
und aus ihren Überzeugungen keinen Hehl machen. Aber auch denen
zuhören, die Angst haben vor dem Verlust der kulturellen Identität,
ihrer Heimat. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die
Demokratie zur Kernbotschaft seiner Amtszeit ausgerufen. Auch er
sollte jetzt entschlossen das Wort ergreifen. Bevor es andere lauter
tun.

Der vollständige Leitartikel: Man kann nur den Kopf schütteln:
Migration als "Mutter aller politischen Probleme" donnert es von
Bundesinnenminister Horst Seehofer aus Neuhardenberg. Der CSU-Chef
riskiert mit dieser Wortwahl, dass ihm der Satz nicht nur als
inhaltliche Überzeugung, sondern erneut auch als Breitseite gegen die
Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel ausgelegt wird. Merkel
wird im politischen Betrieb von Gegnern gerne als "Mutti"
herabgewürdigt. Und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, immerhin
Koalitionspartner, ätzt auf Twitter im Halbstarken-Sprech zurück, er
habe auf das "rechtspopulistische Gequatsche keinen Bock" mehr,
Seehofer sei der "Vater von reichlich Problemen". Richtig, es gibt
reichlich Probleme. Außen- und innenpolitisch. Vor allem aber in der
Frage, wohin Deutschland steuert. In Zeiten von geringer
Arbeitslosigkeit, boomender Wirtschaft und sprudelnden
Steuereinnahmen ist es weniger die soziale Frage, die sich stellt.
Vielmehr geht es im Herbst 2018 um Haltung. Die Haltung zur
Demokratie und zur freiheitlichen Gesellschaft. Wenn Kamerateams von
privaten Sicherheitsleuten bewacht werden müssen, Sanitäter
angegriffen, Ärzte im Einsatz beschimpft, Politiker angepöbelt,
Migranten verfolgt und Hitlergrüße gezeigt werden, dann ist das mehr
als ein Sturm im Wasserglas. Es bedroht das, was Deutschland
ausmacht. Das Land, "in dem wir gut und gerne leben", hieß es noch im
CDU-Wahlslogan zur Bundestagswahl. Es ist Aufgabe gerade der
Unionsparteien, deutlich herauszustellen, dass nicht die Wähler der
AfD das Problem sind, sondern ihre Funktionäre. Und dass es sich
lohnt, um jeden Einzelnen zu kämpfen, ihn zurückzuholen und von einem
anderen politischen Votum zu überzeugen. Dass Merkel und Seehofer
dazu unterschiedliche Methoden wählen, ist gut. Das ist das
politische Geschäft. Unterschiedliche Überzeugungen und politische
Standpunkte zu haben ist per se kein Problem. Vielmehr zeigt es die
ganze Bandbreite der Union, sie ist ein Angebot an Gemäßigte,
Konservative und die demokratische Rechte zugleich. Diese
Vielfältigkeit war immer die Stärke der Union. Die Dauerfehde über
die Migration jedoch schadet CDU und CSU bei den Menschen und
beschädigt die persönliche Glaubwürdigkeit der beiden Vorsitzenden:
Schuldzuweisungen, Bosheiten und sprachliche Aufrüstung sind Ausdruck
von Hilflosigkeit. Stattdessen muss die Botschaft doch gerade jetzt
von allen Demokraten lauten, deutlich aufzubegehren. Gegen die von
AfD-Chef Alexander Gauland propagierte Revolution genauso wie gegen
Versuche von Islamisten, Angst und Terror zu säen. Angesichts der
Ereignisse in Chemnitz - dem tödlichen Messerangriff auf einen
Deutschen und den fremdenfeindlichen Demonstrationen danach - ist es
jetzt an der Zeit, Lösungen anzubieten. Seehofer sollte weniger
eskalieren, stattdessen nutzen, was er als Innenminister bewirken
kann. Mehr Sicherheit, besserer Grenzschutz, Härte gegen Extremisten
von links und rechts. Die Bundeskanzlerin sollte den Dialog mit den
Bürgern stärker suchen und aus ihren Überzeugungen keinen Hehl
machen. Aber auch denen zuhören, die Angst haben vor dem Verlust der
kulturellen Identität, ihrer Heimat. Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier hat die Demokratie zur Kernbotschaft seiner Amtszeit
ausgerufen. Auch er sollte jetzt entschlossen das Wort ergreifen.
Bevor es andere lauter tun.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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