(Registrieren)

neues deutschland: Angszone Sachsen. Kommentar zu den rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz. Dass die Stadt zum rechtfreien Raum wurde, hat vor allem die seit der Wende regierende CDU zu verantwo

Geschrieben am 28-08-2018

Berlin (ots) - Als 2006 die Afrikanische Gemeinde Berlin
überlegte, eine Karte herauszugeben, mit der ausländische Besucher
der damals stattfindenden Fußballweltmeisterschaft vor Regionen
gewarnt werden sollten, in die sie besser keinen Fuß setzen sollten,
um die Gefahr rassistischer Übergriffe zu minimieren, brach ein Sturm
der Entrüstung los. Solche Angsträume oder »No-go-Areas« würde es
schließlich nicht geben. Wie falsch diese Einschätzung ist, zeigt
sich wieder seit dem Wochenende in Chemnitz. Die Opferberatung
Sachsen, eine Institution, die im Umgang mit rechter Gewalt eine der
wichtigsten Anlaufstellen in Sachsen ist, sah sich am Montag
gezwungen, Geflüchteten und Migranten zu raten, die Chemnitzer
Innenstadt großräumig zu meiden. Willkommen in der Realität des
Jahres 2018, in der Menschen die Selbsteinschränkung ihrer
Bewegungsfreiheit empfohlen wird, weil abzusehen ist, dass der Staat
zeitweise weder das Gewaltmonopol aufrechterhalten, noch die
öffentliche Sicherheit garantieren kann. Genau das ist am Montagabend
in Chemnitz passiert: Für Experten war klar, dass Neonazis den Tod
eines 35-Jährigen weiter instrumentalisieren würden. Und nachdem
bereits am Sonntag zu einem Spontanaufzug über 1000 Hooligans und
andere rechte Gruppen ungestört aufmarschierten, hätte Sachsens
Polizeiführung ahnen müssen: Moment, da braut sich etwas zusammen.
Glaubte wirklich jemand, wenige Hundert Beamte und zwei Wasserwerfer
könnten ausreichen, einen wütenden rechten Mob zu bändigen, wenn
dieser einmal in Tobsucht verfällt? Infolge solch einer fatalen
Fehleinschätzung der Lage konnten 5000 Rechte nicht nur durch das
nächtliche Chemnitz marschieren, wie sie wollten, sondern den Arm
wahlweise zum Hitlergruß oder zum Werfen von Steinen, Flaschen und
Pyrotechnik heben, Gegendemonstranten die Nase brechen oder
Journalisten so sehr einschüchtern, dass diese vorzeitig ihre Arbeit
abbrachen. Was für Verhältnisse sind das, wenn sich Medienvertreter
private Sicherheitsdienste engagieren, weil die Polizei schlicht
überfordert ist? Einsatzleiter sind schon für weniger entlassen,
Innenminister zur politischen Verantwortung gezogen und
Ministerpräsidenten mindestens zu einer Entschuldigung gedrängt
worden. Aber wir sprechen hier von Sachsen. Da ist vieles anders. Als
sich Dienstagmittag Michael Kretschmer endlich der Öffentlichkeit
stellt, sagt der CDU-Landesvater durchaus richtige Dinge. »Wir
brauchen einen Ruck in Deutschland, auch in der sächsischen
Gesellschaft.« Der Appell ist nötig, nur erklärt ihn mit Kretschmer
der Vertreter jener Partei, die seit der Wende im Freistaat regiert
und im nächsten Atemzug behauptet, bereits seit den 90er Jahren einen
entschiedenen Kampf gegen Rassismus und rechte Gewalt zu führen.
Sachsens Zivilgesellschaft muss das wie ein zynischer Scherz
vorkommen, über den sie lachen würde, wäre sie nicht damit
beschäftigt, die Menschlichkeit im Freistaat zu retten, was einer
CDU-geführten Landesregierung nicht gelingt, da sie dem Druck der AfD
nachgibt. Letztere schreckt nicht einmal davor zurück, den Toten von
Chemnitz schamlos zu instrumentalisieren. Nicht alle Ursachen für die
Rechtsentwicklung im Freistaat sind sachsenspezifisch, doch
Folgenlosigkeit nach rassistischen Krawallen gehört hier zur
Staatsdoktrin. So war es in Heidenau 2015, Bautzen 2016, in
Clausnitz, Wurzen und an all den anderen Orten, wo sich der
Menschenhass wiederholt ungehindert austoben konnte.⋌Seiten 2
und 4



Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1722

Original-Content von: neues deutschland, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

651582

weitere Artikel:
  • Allg. Zeitung Mainz: Bandigen / Reinhard Breidenbach zur Gewalt in Chemnitz Mainz (ots) - Auch der Bundespräsident meldet sich zu Wort, endlich, er meldet sich wider Erwarten zu selten zu Wort. Er teile die Erschütterung über den Tod eines Chemnitzer Bürgers, betont Steinmeier. Zu Recht. Das Gedenken an das Opfer einer Gewalttat darf nicht in den Hintergrund geraten. Der Rechtsstaat muss sich daran messen lassen, wie die Gerichte mit Gewalttätern umgehen, natürlich auch dann, wenn diese Gewalttäter Flüchtlinge sind. Irgendeinen Rabatt darf es nicht geben, weder für Deutsche, noch für Nicht-Deutsche. Der mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Chemnitz Halle (ots) - Nach einer Nacht, über die ganz Deutschland debattiert und die sogar die Kanzlerin verurteilte, lag es an Landesinnenminister Roland Wöller (CDU), alle Hebel in Bewegung zu setze und notfalls mit Verstärkung aus anderen Bundesländern die Wiederholung zu verhindern. Wenn in der Nacht zu Dienstag 600 Polizisten 6 000 Rechten gegenüberstanden und so eine neue Eskalation riskiert wurde, zeigt sich allein daran das Ausmaß des Versagens. Nach dem Vorlauf wäre die Verhinderung von Straftaten Sache des Ministerpräsidenten mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Dimap-Umfragen Mitteldeutschland Halle (ots) - Die Hoffnung der etablierten Parteien, das sensationelle Abschneiden der AfD vor zwei Jahren könne sich als einmaliger Ausrutscher entpuppen, hat sich nicht erfüllt. Frühere Unterschiede in der Parteienlandschaft der drei Länder haben sich nivelliert. Die Sachsen-Union, die einst vor Kraft kaum laufen konnte, ist am Boden zerstört. Der erste Ministerpräsident der Linkspartei, Thüringens Bodo Ramelow, wäre nach jetzigem Stand Geschichte. Das sind Erdbeben. Dass die CDU in Sachsen-Anhalt den Abstand zur AfD ein kleines mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zu den Ausschreitungen in Chemnitz Stuttgart (ots) - Der Rechtsstaat allein ist dafür zuständig, seine Bürger mit Polizei und Justiz zu schützen. Wenn er das aber in den Augen vieler - ob übertrieben oder nachvollziehbar - nicht mehr leistet, nicht leisten kann, stoßen Zusammenrottung und angemeldete Eskalation auf ein immer dreister zur Schau getragenes Verständnis. Der Rechtsstaat muss daher zwangsläufig in diesen Zeiten vor allem eins sein: ein starker, ein sichtbarer Staat. Ein Staat, der nicht diffusem Volksempfinden folgen darf, aber durch nachvollziehbares mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Testfall Chemnitz/Rechtsradikale versuchen, die Empörung über den Mord an einem Mann durch zwei Flüchtlinge zu instrumentalisieren. Auch Seehofer ist gefragt, Recht und Ordnu Regensburg (ots) - Vielleicht war es eine der großen Selbsttäuschungen, die "König Kurt" Biedenkopf vor Jahren als Ministerpräsident den Sachsen bescheinigte: Sie seien "immun" gegen Rechtsextremismus. Den ausländerfeindlichen Demonstrationen, die Chemnitz seit dem Mord an einem Deutsch-Kubaner am Sonntag in Atem halten, folgen allerdings nicht nur hart gesottene Neonazis aus Sachsen und anderen Bundesländern, sondern auch ganz normale Bürger, die sich über den offenbar von zwei Flüchtlingen begangenen Mord empören. Allerdings ist mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht