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Osteuropäische Betreuungskräfte kontra deutsche Pflegepolitik / Deutsch-polnische Wissenschaftseinrichtung der Universitäten Cottbus und Breslau stellen Faktenbuch in Berlin vor

Geschrieben am 07-08-2018

Berlin (ots) - Knapp jeder zehnte Pflegehaushalt in Deutschland
beschäftigt eine zumeist aus Osteuropa stammende Hilfskraft, die
häufig mit im Haushalt lebt. Dies hat eine im Jahr 2017
veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt. Die
Zahlen der Pflegestatistik 2017 zu Grunde gelegt (2,08 Mio.), wären
das mehr als 200.000 Haushalte, die eine Betreuungskraft aus
Osteuropa legal oder illegal beschäftigen.

Das German-Polish Centre for Public Law and Environmental Network
GPPLEN, eine im Jahr 2009 gegründete deutsch-polnische
Wissenschaftseinrichtung der Universitäten Cottbus und Breslau, legt
nun eine Modellabfrage bei Anbietern und Vermittlern, die mit einer
"24-Stunden-Betreuung" werben, in Form eines Faktenbuchs vor. "Die
Entwicklung dieses prosperierenden Dienstleistungsmarktes, der
Familien Hilfe und Entlastung in einer belastenden Situation
ermöglicht, wird von der deutschen Politik seit Jahren konsequent
ignoriert. Und dies in einem Umfeld, in dem schon heute zehntausende
ausgebildete Pflegefachkräfte fehlen. Anstatt gesetzliche
Rahmenbedingungen zu schaffen, wird einfach weggeschaut", so Prof.
Dr. Dr. h. c. Lothar Knopp, Geschäftsführender Direktor des GPPLEN,
Herausgeber und Mitautor des Faktenbuchs.

Die gemeinsame Projektgruppe beider Universitäten hat die
Vorgehensweisen der Vermittlung von osteuropäischen Betreuungskräften
und die Qualitätssicherung abgefragt und ausgewertet. "Unsere
Auswertungen veröffentlichen wir im Herbst dieses Jahres in Form
eines Faktenbuchs. Eine wissenschaftliche Studie im klassischen Sinn
können wir nicht vorlegen, da ein nennenswerter Teil der Anbieter
entsprechende Auskünfte verweigert oder sogar strikt zurückgewiesen
bzw. einzelne Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet hat",
sagt Lothar Knopp.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Faktenbuchs

Zu den Rahmenbedingungen:

Der Markt der Vermittlung osteuropäischer Betreuungskräfte bedarf
der Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen. Eine weitere
Tabuisierung, Nichtbeachtung und Kriminalisierung bestraft vorrangig
pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige, die um eine
bestmögliche Lösung bemüht sind. Aus der teilweisen Illegalität der
Beschäftigungsverhältnisse muss zwingend Legalität werden, da die
deutsche Pflegelandschaft auf die arbeitswilligen Frauen aus Polen,
Bulgarien oder Rumänien - allein schon im Sinne der Pflegebedürftigen
- nicht verzichten kann. Hier gilt es, Rechtssicherheit für die
Betroffenen zu schaffen. Durch ausgebildete Pflegefachkräfte ließe
sich der Bedarf niemals decken.

Die von Bundesgesundheitsminister Spahn angekündigte Finanzierung
von Betreuungsleistungen durch die Pflegekassen muss zwingend auch
für Leistungen der 24-Stunden-Betreuung gelten. Für ebenso wichtig
erachten die Autoren des Faktenbuchs die Anhebung des steuerlichen
Betrags für Pflegeleistungen. Der derzeit anzusetzende
steuerermäßigende Betrag von bis zu 20.000 Euro pro Jahr, welcher zu
einer Ermäßigung der Steuerschuld von maximal 4.000 Euro pro Jahr
führt, sollte deutlich erhöht werden.

Dies besonders vor dem Hintergrund einer Preisspirale, die durch
die stetige Anhebung des Mindestlohns in Deutschland ausgelöst wird.

Zur Marktentwicklung:

Angehörige sind mit Zunahme der Pflegedauer zeitlich überfordert,
wenn die Betreuung eines Pflegebedürftigen "rund um die Uhr"
notwendig wird. Ambulante Pflegedienste bieten hingegen eine
"24-Stunden-Pflege" kaum mehr an. Gründe dafür sind die Kosten von
15.000 bis 20.000 Euro pro Monat, die kaum ein Pflegehaushalt zahlen
kann. Hinzu kommt der immer stärker werdende Mangel an Fachkräften,
der diese intensive Versorgungsform kaum mehr möglich macht. Die
Leistungen bleiben daher auf eine punktuelle Versorgung im
Minutentakt beschränkt. Gut 73 % aller Pflegebedürftigen, oder deren
Angehörige, entscheiden sich trotzdem gegen einen Heimplatz und für
eine Betreuung in der gewohnten Umgebung. Die Nachfrage steigt
dadurch überproportional an. Gleichzeitig nimmt die Verfügbarkeit an
potenziellen Betreuungskräften in den osteuropäischen Ländern jedoch
ab.

Zu den Kunden:

Aus Sicht der Autoren ist größtes Augenmerk auf die
Vertragsgestaltung zu legen. In vielen Fällen werden pflegebedürftige
Menschen oder deren Angehörige zu Arbeitgebern, ohne dies zu wissen
und deren rechtliche Bedingungen zu erfüllen. Vorsicht sollte man
auch bei den Angaben des Anbieters zu den Deutschkenntnissen und
pflegerischen Erfahrungen einer vorgeschlagenen Betreuungskraft
walten lassen. Nur zu oft können in dieser Hinsicht Versprechungen
nicht eingelöst werden.

Zu den Marktmodellen:

Die verschiedenen Marktmodelle der Anbieter, die sich teilweise
auch rechtlich in einer Grauzone bewegen, sind für potenzielle
Kundinnen und Kunden nur schwer zu durchschauen. Da Standards und
rechtliche Rahmenbedingungen seitens der deutschen Gesetzgebung
fehlen, unterzeichnen Pflegebedürftige und pflegende Angehörige
oftmals Verträge, die einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten.
Die vom Kunden mit dem Anbieter oder Vermittler einzugehenden
Rechtsbeziehungen bedürfen daher in vielen Fällen der Hinzuziehung
einer Rechtsberatung. Pflegestützpunkte, Serviceeinrichtungen der
Kommunen und anderweitige Beratungsangebote sind damit zumeist
fachlich überfordert. Diese werden aber auch nur unzureichend in
Anspruch genommen. Viele Anbieter nutzen daher die übergroße
Nachfrage auch rechtlich aus. Der Markt an "24-Stunden-Betreuung" hat
damit seine "eigenen Gesetzmäßigkeiten" entwickelt und ausgeprägt.
Neben vielen kleinen Anbietern, die häufig in einer Art "Grauzone"
agieren, haben sich aber auch große, bundesweit arbeitende
Dienstleister etabliert. Diese sind mehrheitlich auf Qualität,
Transparenz, einen "Vor-Ort-Service" und Rechtssicherheit bedacht.
Besonders bei den zahlreichen verfügbaren Online-Angeboten ist es
potenziellen Kunden nur sehr schwer möglich, seriöse und
rechtssichere Anbieter eindeutig zu identifizieren.

Zu den Kosten:

Die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung durch eine osteuropäische
Betreuungskraft liegen bei allen Anbietern deutlich über 2.000 Euro
pro Monat. Diese Kosten variieren, je nach Vorkenntnissen der
Betreuungskraft und Grad der Sprachbeherrschung, weiter nach oben.
Hinzu kommen Verpflegung und Logis für die Betreuungskraft und
teilweise Reisekosten sowie Vermittlungsgebühren. Auf Grund der in
Deutschland geltenden Mindestlohnverordnung, die bereits ab dem 1.
Januar 2019 eine weitere Steigerung auf dann 9,19 Euro pro Stunde
vorsieht, ist mit weiterhin steigenden Kosten und Preisen zu rechnen.
Die finanziellen Belastungen für die pflegenden Haushalte werden
daher in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Die stetige Zunahme
von illegalen Beschäftigungsverhältnissen, z. B. auf Minijob-Basis
oder durch die Beschäftigung von Schein-Selbstständigen, ist daher zu
befürchten.

Hier besteht großer Handlungsbedarf durch die Politik, so sind
sich die Autoren des Faktenbuchs einig.



Pressekontakt:
Steffen Ritter
fokus>p
Die Kommunikationsagentur für die Pflegewirtschaft
Reinhardtstraße 31
10117 Berlin-Mitte

T +49 30 2888 6003
M +49 160 15 31 796
ritter@fokus-p.de
www.fokus-p.de

Original-Content von: Charleston Holding GmbH, übermittelt durch news aktuell


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