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Mittelbayerische Zeitung: Putins Russland: Ein Scheinriese / Auf den ersten Blick wirkt der russische Präsident Wladimir Putin wie der Retter seiner Nation. Doch es gibt dort einige eklatante Probleme

Geschrieben am 22-07-2018

Regensburg (ots) - Eine Woche ist seit dem Gipfel von Helsinki
vergangen, und schon jetzt gilt das Treffen von Donald Trump und
Wladimir Putin als historisch. Zu krass stach die Unterwerfung des
US-Präsidenten unter den Kremlchef hervor, den Trumps Vorgänger
Barack Obama noch als einen besseren Regionalfürsten verspottet
hatte. Plötzlich scheint nun alles anders zu sein: Putin gilt als
neuer-alter russischer Riese, wiederauferstanden aus den Ruinen des
geschlagenen und zerfallenen Sowjetreichs. So viel Wandel in so
kurzer Zeit - das sollte zumindest nachdenklich stimmen. Man tut also
gut daran, einen Schritt zurückzutreten und das Bild, das in der
Woche nach Helsinki in immer grelleren Farben gezeichnet worden ist,
noch einmal in Ruhe zu betrachten. Unstrittig ist und bleibt, dass
Putin die Gipfelbühne als Sieger verlassen hat. Er verhandelte nicht
nur auf Augenhöhe mit dem US-Präsidenten, nein, Trump hofierte ihn
regelrecht. Die tags zuvor beendete Fußball-Weltmeisterschaft in
Russland, die weltweit als großartiges Sportereignis gefeiert wurde,
verstärkte den Eindruck zusätzlich. Mehr noch als der Gipfel selbst
und alle WM-Euphorie haben aber Trumps Entgleisungen im Vorfeld des
Treffens von Helsinki (und auch danach) zum russischen Triumph
beigetragen. Seine Attacken auf die engsten Verbündeten
Großbritannien und Deutschland, auf die Nato und die EU haben den
Westen als Staaten- und Wertegemeinschaft endgültig an den Rand
seiner Existenz geführt. Genau davon jedoch, vom Ende des Westens,
träumen die Strategen im Kreml von jeher. Allerdings gilt es bei
alldem zu bedenken: Ein Niedergang des Westens, so er sich denn
wirklich vollziehen sollte, ist noch lange nicht gleichbedeutend mit
einem Wiederaufstieg Russlands. Dabei muss man die globale Rolle der
zweitgrößten Nuklearmacht auf der Welt gar nicht in Zweifel ziehen.
Der Vergleich mit China zeigt jedoch eklatant, wo die russischen
Defizite liegen, die sich durch keinen noch so historischen
Helsinki-Gipfel beseitigen lassen: Von einer echten
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Modernisierung kann im
postsowjetischen Möchtegern-Imperium, anders als im Reich der Mitte,
keine Rede sein. Während China auf Hochtechnologie und
Digitalisierung setzt, auf Elektroautos und erneuerbare Energien,
Medizintechnik und vieles andere mehr, ist die russische Wirtschaft
weiterhin fast ausschließlich vom Öl- und Gassektor abhängig. Mehr
als zwei Drittel der russischen Exporte haben mit Rohstoffen zu tun.
Es ist keineswegs bloße Polemik, zu behaupten, dass Russlands klügste
Köpfe als Hacker und Trolle für den Geheimdienst arbeiten, statt das
Land voranzubringen. An der andauernden wirtschaftlichen Schwäche
Russlands hat im Übrigen auch die Fußball-WM nichts geändert.
Vielmehr nutzte der Kreml den Wirbel um das sportliche Großereignis,
um die Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent zu erhöhen, was zu weiter
verringerten Wachstumsprognosen geführt hat. Für 2019 gehen Ökonomen
nur noch von 1,4 statt 2,2 Prozent aus. Ohnehin stagniert die
Wirtschaft seit Beginn der Ukraine-Krise 2013. Während etwa der
deutsche Aktienindex DAX seither um rund 50 Prozent an Wert zulegte,
büßte der russische Leitindex RTS mehr als 20 Prozent ein. Aber auch
außenpolitisch ist Putins Lage, mit etwas Distanz betrachtet,
keineswegs so gut, wie es auf den ersten Blick scheint. Beispiel
Syrien: In dem Bürgerkriegsland ist zwar gegen Moskau derzeit kein
Frieden und auch kein neuer Staat zu machen. Aber je länger das
russische Militär im Land bleiben muss, um den Status quo
abzusichern, desto teurer wird der Einsatz - finanziell, aber auch
politisch. Unter dem Strich also wird Putins Russland derzeit eine
Stärke und Größe zugeschrieben, die es nur sehr bedingt hat. Es ist
ein Scheinriese, der schrumpft, wenn man ihm näher kommt und genauer
hinsieht.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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