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BERLINER MORGENPOST: Türen im Kopf geöffnet / Leitartikel von Jörn Meyn zur WM-Bilanz

Geschrieben am 14-07-2018

Berlin (ots) - Kurzform: Mit den Begegnungen wurden Vorurteile
abgebaut: die des Westens von einem Russland, das allein das Gesicht
des Despoten Wladimir Putin trägt. Wir haben erlebt, dass die Russen
feiern wie wir, dass sie leiden wie wir und dass sie fünf Wochen lang
tolle Gastgeber waren. Aber auch die Vorurteile der Russen über die
Welt wurden etwas abgebaut. Sie haben erlebt, dass sie eben nicht
umzingelt sind von Feinden, wie ihnen das die Staatspropaganda
weismachen will. Das positive Erbe dieser WM ist deshalb kein
sportliches und schon gar kein ökonomisches - es ist ein emotionales.

Der vollständige Leitartikel: Zwei Zahlen verdeutlichen, was das
Erbe der Fußball-WM in Russland sein wird, die am heutigen Sonntag
mit dem Finale Frankreich gegen Kroatien endet: 68 Prozent der Russen
hatten laut des unabhängigen russischen Meinungsforschungsinstituts
Lewada-Zentrum zuvor nie das Land verlassen. Dann kam die WM, und
mehr als 700.000 ausländische Fans reisten an. Von diesem Turnier
wird daher bleiben, dass sich das größte Land der Erde und der
Restplanet, deren Verhältnis schwer belastet ist, endlich etwas
besser kennengelernt haben - auf Fanfesten, in Kneipen und Stadien.
Und wenn man den Erhebungen glauben darf, wonach die Dating-App
Tinder während der WM Hochkonjunktur hatte, sind sich die Menschen
wirklich nähergekommen. Mit den Begegnungen wurden Vorurteile
abgebaut: die des Westens von einem Russland, das allein das Gesicht
des Despoten Wladimir Putin trägt. Wir haben erlebt, dass die Russen
feiern wie wir, dass sie leiden wie wir und dass sie fünf Wochen lang
tolle Gastgeber waren. Aber auch die Vorurteile der Russen über die
Welt wurden etwas abgebaut. Sie haben erlebt, dass sie eben nicht
umzingelt sind von Feinden, wie ihnen das die Staatspropaganda
weismachen will. Das positive Erbe dieser WM ist deshalb kein
sportliches und schon gar kein ökonomisches - es ist ein emotionales.
Aber niemand sollte glauben, dass die vergangenen fünf Wochen
Normalität waren in Russland. Es war ein Ausnahmezustand - und er
wurde bei allen positiven Effekten auch benutzt für eine politische
Inszenierung Putins. Hooligan-Probleme und Chaos blieben aus, ja.
Aber auch Proteste gegen die politische Führung. Das lag daran, dass
Demonstrationen in den WM-Städten per Präsidentendekret verboten
waren. Im Internet kursiert ein Video von einem russischen Blogger,
der auf einem öffentlichen Platz einem Polizisten zuprostete. Er
fragt ihn: Wird das auch nach der WM möglich sein? "Wenn du ein Russe
bist, nein", sagt der Polizist. Das russische Sommermärchen, es wird
ein Ende haben. Bleiben aber wird die Frage nach den Finanzen. Mit
Kosten von offiziell zwölf Milliarden Euro ist diese WM die teuerste
aller Zeiten. Ökonomen prognostizieren, dass die russische Wirtschaft
davon nur marginal profitieren wird. Der größte Gewinner wird der
Fußball-Weltverband selbst sein. Vier Milliarden Euro kassierte die
Fifa 2014 in Brasilien. Weniger dürften es jetzt kaum werden. Den
Russen bleibt die Tatsache, dass man die WM benutzt hat, um in ihrem
Windschatten eine umstrittene Rentenreform zu platzieren. Das
Renteneintrittsalter wurde bei Frauen um acht, bei Männern um fünf
Jahre angehoben. Zudem gab es eine Mehrwertsteuererhöhung von zwei
Prozent - alles am Tag der WM-Eröffnungsfeier. Die Russen zahlen die
Zeche selbst, aber das war auch schon in Brasilien und 2010 in
Südafrika so. Ähnlich verhält es sich mit den WM-Stadien. Für sechs
Milliarden Euro wurden elf Arenen um- oder neugebaut. Sechs
beherbergen nach dem Turnier keinen Erstligisten. Es drohen
sogenannte weiße Elefanten. Bei den Bauarbeiten gab es
Menschenrechtsverletzungen und Korruption, auch das darf man nicht
vergessen. Und damit wären wir bei der nächsten WM: Katar 2022. Sie
hängt eng mit Russland zusammen. 2010 gab es eine skandalöse
Doppelvergabe an beide Staaten. Stimmenkauf wurde zwar nie bewiesen,
aber zahlreiche Mitglieder des damaligen Fifa-Exekutivkomitees wurden
mittlerweile der Korruption überführt. Fußball bleibt vorerst auch
ein dreckiges Geschäft. Eine WM kann das nicht ändern. Sie kann aber
Türen im Kopf öffnen. Und damit ist schon einiges erreicht.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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