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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Söder/Kruzifixe: Söders Symbolpolitik von Maximiliane Gross

Geschrieben am 25-04-2018

Regensburg (ots) - Es ist, wieder einmal, ein Kreuz mit den
Kreuzen: Dank Markus Söder, bekennender Protestant, begrüßt ab 1.
Juni ein Kreuz die Besucher in allen staatlichen öffentlichen
Einrichtungen des Freistaats. Gerade bei jungen Menschen stößt der
neue bayerische Ministerpräsident damit auf Unverständnis. Denn für
sie ist ein Kreuz eben keineswegs "Symbol der kulturellen Identität",
wie Söder argumentiert, sondern ein Symbol des christlichen Glaubens.
Junge Bayern definieren sich aber vor allem über Vielfalt,
Geselligkeit und Liberalität. Ein Kreuz braucht es dafür nicht.
Bayern, das ist Vielfalt: kleine Familienbetriebe neben großen
Technologieunternehmen, eine riesige Bandbreite an Dialekten von
Schwäbisch bis Fränkisch, Metropolen und kleine Dörfer - der
Freistaat steckt voller Kontraste. Sie verbinden Tradition mit
Moderne und zeigen, was Bayern zu bieten hat. Traditionsreiche
Volksfeste wie die Wiesn, der Franken-Fasching, die weit über den
Weißwurstäquator hinaus gelobte Bierkultur, die Alpen: All das
assoziieren sowohl Bayern als auch Nicht-Bayern mit dem Freistaat.
Ein Land, das offen ist und viele Facetten hat. Bayern, das ist
Liberalitas Bavariae: "Leben und leben lassen", das Motto der Bayern.
Die Menschen selbst sagen über sich, dass sie weltoffen und tolerant
seien. Diesen bayerischen Wesenszug erkennen Nicht-Bayern zwar oft
nur schwer. Doch tief drin steckt in den meisten Bayern Toleranz - es
braucht nur seine Zeit, bis man den weichen Kern unter der harten
Schale entdeckt hat. Schon lange wirken hier verschiedene Kulturen
auf die Bürger ein. In Bayern lassen sich Weltkonzerne nieder. Die
Mitarbeiter kommen aus den unterschiedlichsten Ländern und bringen
ihre Kultur mit. Junge Leute entscheiden sich für ein Studium im
Freistaat und bringen einen Teil ihrer Heimat mit. Toleranz
funktioniert auf all diesen Ebenen bestens. Und natürlich kommen auf
diesem Weg auch andere Religionen nach Bayern. Bayern, das ist
Geselligkeit: gemütliches Zusammensitzen im Bierzelt, ein
Feierabendbier nach dem Fußballtraining in der Kabine, spontane
Treffen im Biergarten - die Bayern sind ein offenes Volk. Eine
Eigenschaft, die auch Neubürger zu schätzen wissen. Die Tracht hat
längst den Weg in die Kleiderschränke von Nicht-Bayern und Touristen
gefunden, die sich's dann in ihrem neuen Gwand auf dem Oktoberfest
gut gehen lassen. Seite an Seite schunkeln und singen Amerikaner,
Japaner, Türken, Ober- und Niederbayern. Und warum besuchen Asiaten
und Amerikaner in Dirndl und Lederhosen das Oktoberfest? Weil sie die
bayerische Kultur lieben und Teil dieses erlesenen Kreises der Bayern
sein wollen. Zugereiste werden auf diese Weise auf eigenen Wunsch und
völlig problemlos in die Festkultur integriert. Natürlich: Bayern,
das ist auch Kirche. 76 Prozent der Menschen im Freistaat sind
Mitglieder der katholischen oder der evangelischen Kirche. Gerade
ältere Gemeindemitglieder sind noch tief verwurzelt im Glauben und
den kirchlichen Ritualen. Ein Wochenende ohne Kirchgang ist für sie
undenkbar. Doch die Bänke in den Kirchen werden immer leerer. Das mag
man bedauern, andere Entwicklungen sind positiv: Die Zeiten, als in
Bayern noch streng und hart zwischen katholisch und evangelisch
getrennt wurde, sind Gott sei Dank vorbei. Denn nicht alles, was
unter dem Kreuz geschah, war ein Akt christlicher Nächstenliebe.
Trotzdem: Die Bayern bekennen sich zum Glauben, weit mehr als
anderswo in Deutschland. Die Zahl der Kirchenmitglieder stagniert
gerade auf hohem Niveau. Wer gläubig ist, ruht in seinem Glauben,
auch ohne Kreuz. Und ein echter Bayer weiß, was er an seiner Heimat
hat, auch ohne Söders Symbolpolitik.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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