(Registrieren)

Aachener Zeitung: Die teure Koalition Nur mit viel Geld entsteht die neue Regierung Von Bernd Mathieu

Geschrieben am 02-02-2018

Aachen (ots) - Dass man vier Monate nach der Bundestagswahl
ausgerechnet die gar nicht leise, gar nicht zurückhaltende, nach
außen hin gar nicht diplomatisch handelnde SPD-Fraktionsvorsitzende
Andrea Nahles jetzt als eine der wesentlichen Figuren auf dem langen
Weg zu einer Kompromiss-Regierung betrachten darf - wer hätte das
gedacht? Die "Ab-morgen-in-die-Fresse"-Propagandistin, die
"Bätschi"-Ausruferin ist zu einer verlässlichen Akteurin auf dieser
Bühne mit zu vielen Halbprofis, Blendern und Wichtigtuern geworden.
Nicht erst seit ihrer geschrienen Rede beim Bundesparteitag in Bonn
zeigt sie, wo es lang gehen soll. Sie hat die Führung der SPD, die im
Chaos zu versinken droht, übernommen. Sie versucht zu retten, was
noch zu retten ist. Das wird zwar wenig sein, weil eine ehemals
stolze Partei sich selber dramatisch kleingeredet hat. Wenn alles gut
geht, ist Nahles die große Siegerin, misslingt es, wird sie schwer
angeschlagen sein, dann auch sie. Die SPD ist aufgewühlt, gespalten,
widersprüchlich, ratlos. Was für ein furchtbares Dilemma: Manche
verharren in Lethargie, andere reden sich die Opposition schön und
träumen von einer imaginären Erneuerung, als falle diese in
wundersamer Weise von irgendeinem rosaroten linken Himmel. Was macht
eine Partei mit einem Vorsitzenden, der mit pathetischen Worten im
Wahlkampf erklärt, niemals, wirklich niemals in ein Merkel-Kabinett
einzutreten? Der das so darstellt, als sei dies die größte Zumutung
seiner politischen Karriere. Der es nicht einfach nur sagt, sondern
es verkündet. Wenige Minuten nach der krachenden Wahlniederlage kommt
es zur nächsten umjubelten Verkündigung: Raus aus der großen
Koalition! Das hört sich nicht wie eine rhetorische Kurzatmigkeit an.
Man ist als externer Beobachter geneigt, eher das Gegenteil zu
vermuten: Hier verschafft jemand sich und seiner Partei Luft. Und das
Präsidium gibt ihm später einstimmigen Rückenwind. Die Fronten sind
geklärt! Es hat nicht sollen sein; denn in der SPD ist nichts
geklärt, aber sehr wohl gibt es jetzt neue Fronten: zwischen Jung und
Alt, zwischen Parteiführung und Basis, gewiss auch zwischen Martin
Schulz und Sigmar Gabriel. Die neu gewählte Bundestagsfraktion nimmt
niemand mehr wahr. Und damit ist vor lauter Hickhack zwischen Boden-
und Führungspersonal, Abstimmungen und Neueintritten, Sondierungen
und ihren seltsam unterschiedlichen Interpretationen ein Vakuum
entstanden. Entspricht das noch der gebotenen Ernsthaftigkeit einer
repräsentativen Demokratie, in der frei gewählte Abgeordnete so
offensichtlich keine Rolle spielen? Neu ist auch das nicht, aber in
diesem Totalausfall gewöhnungsbedürftig. Was sind das für Politiker,
die angesichts allseits bekannter Herausforderungen nicht fähig sind,
Projekte und Perspektiven zu beschreiben und auf einen
lösungsorientierten Weg zu bringen, statt lähmende Besserwisserei und
Starrsinn unverdrossen so zu pflegen, als gäbe es keine AfD und nicht
die Wucht real existierender Probleme? Und die, wie bei Rente,
Bildung und Digitalisierung, nur über viele zusätzliche Milliarden
Euro eine Einigung erzielen. Gegenfinanzierung? Das ist ein Fremdwort
und bei der Gesprächskultur der Herrschaften gewiss sogar ein Tabu.
Es stößt die mündigen Menschen in dieser Gesellschaft allmählich ab,
dass sie - wie auch in dieser Woche - fast jeden Tag vollmundige
Erklärungen der in die Mikrofone der Nation sprechenden
Koalitionsherbeiführungsversuchsunterhändler ertragen müssen. Jeder
erklärt, was er angeblich durchgesetzt hat, warum nur er der Sieger
ist und nicht die anderen. Dieses Primitiv-Schema ist out, von
gestern, liebe Freundinnen und Freunde der Noch-Volksparteien! Steht
nun zu Euren teuren vereinbarten Kompromissen, und wenn Ihr das nicht
wollt, dann haltet einfach mal den Mund. So einfach kann das sein.



Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

Original-Content von: Aachener Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

624479

weitere Artikel:
  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Bundestag/Opposition Regensburg (ots) - Hohe Zeit der Opposition von Reinhard Zweigler Was in den vergangenen Jahrzehnten von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet und geschäftsmäßig ablief, geriet diese Woche im Bundestag zum Politikum: die Besetzung der Vorsitze von Bundestagsausschüssen. Der große Streitpunkt dabei war, dass gleich drei der Gremien, in denen wichtige fachliche Arbeit des Parlaments erledigt wird, an die AfD gingen. Sowohl im mächtigen Haushaltsausschuss, der maßgeblich über den Etat des Bundes mitbestimmt, als auch im mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Die "Märkische Oderzeitung" aus Frankfurt(Oder) sendet Ihnen im Folgenden eine Meldung aus der Sonnabendausgabe. Bei Verwendung bitten wir um eine Quellenangabe: Frankfurt/Oder (ots) - Woidke soll nach Berlin wechseln Der Schatzmeister der brandenburgischen SPD, Harald Sempf, hat Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke als Mitglied einer künftigen Bundesregierung ins Spiel gebracht. Gegenüber der "Märkischen Oderzeitung" verwies er am Freitag darauf, dass Woidke im vergangenen Herbst als einziger Ostdeutscher im ersten Wahlgang in den Bundesvorstand der SPD gewählt wurde. Das belege, dass der Brandenburger über genügend Rückhalt in der ganzen Partei verfügt, erklärte Sempf. Außerdem mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur geplanten Rentenreform von Union und SPD Stuttgart (ots) - Die Groko schmückt sich damit, Rentnern Gutes tun zu wollen. Dass dafür aber vor allem die Beitragszahler aufkommen sollen, ist ungerecht. Die Ausweitung bei der Mütterrente sollte nicht nur von Beitragszahlern finanziert werden, sondern auch von Beamten und Selbstständigen. Doch Union und SPD wollen die Steuern für andere Zwecke ausgeben. Sie lassen sich davon leiten, dass Beschäftigte und Arbeitgeber schon nicht aufmucken werden. Nach diesem Motto verfuhr die Große Koalition schon 2014. Das aber ist der mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Hoch gepokert / Kommentar von Reinhard Breidenbach zu GroKo-Ausgaben Mainz (ots) - Natürlich ist die SPD nicht käuflich, weder die Basis, noch die Spitze. Überhaupt ist "käuflich" ein hässliches Wort. Aber atemberaubend ist es schon, wie derzeit Milliarden verplant und versprochen werden, auf dass es den Bürgern besser gehe - aber natürlich auch den Politikern, die endlich eine Regierung bilden und Neuwahlen vermeiden wollen. Vor allem die sozialdemokratischen Verhandlerinnen und Verhandler werden die Verbesserungen bei Rente und Bildung als eigene Erfolge gebührend herausstellen, damit sich die Parteimitglieder mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Neue Köpfe braucht das Land - Leitartikel von Theresa Martus Berlin (ots) - Den Ruf, bei gesellschaftlichen Fragen immer ein Stück weiter zu sein als Deutschland, hat Schweden ja nicht ganz umsonst. Der neueste Beweis dafür: Der Sechs-Stunden-Tag, mit dem dort immer mehr Firmen und öffentliche Einrichtungen experimentieren - mit Erfolg, wie sich zeigt. Währenddessen erklären in Deutschland Arbeitgeber, dass eine zeitweise Arbeitszeitreduzierung - wie sie die IG Metall gerade in Tarifverhandlungen fordert - völlig indiskutabel sei und niemals leistbar. Dabei ist die Frage nicht, ob wir mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht